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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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seiner Art und die alten Leute nannten ihn nur
den artigen und vernünftigen Sachsen, denn sie
verstanden auch nichts. Als die Seldwyler eine
große Aktienbrauerei anlegten, von der sie sich
ein gewaltiges Leben versprachen, und die weit¬
läufigen Fundamente aus dem Boden ragten,
stöckerte er manchen Sonntag Abend darin herum,
mit Kennerblicken und mit dem scheinbar leben¬
digsten Interesse die Fortschritte des Baues un¬
tersuchend, wie wenn er ein alter Bauverstän¬
diger und der größte Biertrinker wäre. "Aber
nein! rief er ein Mal um das andere, des is
ein fameses Wergg! des giebt eine großartigte
Anstalt! Aber Geld kosten duhts, na das Geld!
Aber Schade, hier mißte mir des Gewehlbe doch
en Bisgen diefer sein und die Mauer um eine
Idee stärger!" Bei alle dem dachte er sich
gar nichts, als daß er noch recht zeitig zum
Abendessen wolle, eh' es dunkel werde; denn
dieses war der einzige Tort, den er seiner Frau
Meisterin anthat, daß er nie das Abendbrot ver¬
säumte am Sonntag, wie etwa die anderen Ge¬
sellen, sondern daß sie seinetwegen allein zu Hause
bleiben oder sonst wie Bedacht auf ihn nehmen

ſeiner Art und die alten Leute nannten ihn nur
den artigen und vernünftigen Sachſen, denn ſie
verſtanden auch nichts. Als die Seldwyler eine
große Aktienbrauerei anlegten, von der ſie ſich
ein gewaltiges Leben verſprachen, und die weit¬
läufigen Fundamente aus dem Boden ragten,
ſtöckerte er manchen Sonntag Abend darin herum,
mit Kennerblicken und mit dem ſcheinbar leben¬
digſten Intereſſe die Fortſchritte des Baues un¬
terſuchend, wie wenn er ein alter Bauverſtän¬
diger und der größte Biertrinker wäre. »Aber
nein! rief er ein Mal um das andere, des is
ein fameſes Wergg! des giebt eine großartigte
Anſtalt! Aber Geld koſten duhts, na das Geld!
Aber Schade, hier mißte mir des Gewehlbe doch
en Bisgen diefer ſein und die Mauer um eine
Idee ſtärger!« Bei alle dem dachte er ſich
gar nichts, als daß er noch recht zeitig zum
Abendeſſen wolle, eh' es dunkel werde; denn
dieſes war der einzige Tort, den er ſeiner Frau
Meiſterin anthat, daß er nie das Abendbrot ver¬
ſäumte am Sonntag, wie etwa die anderen Ge¬
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[367/0379] ſeiner Art und die alten Leute nannten ihn nur den artigen und vernünftigen Sachſen, denn ſie verſtanden auch nichts. Als die Seldwyler eine große Aktienbrauerei anlegten, von der ſie ſich ein gewaltiges Leben verſprachen, und die weit¬ läufigen Fundamente aus dem Boden ragten, ſtöckerte er manchen Sonntag Abend darin herum, mit Kennerblicken und mit dem ſcheinbar leben¬ digſten Intereſſe die Fortſchritte des Baues un¬ terſuchend, wie wenn er ein alter Bauverſtän¬ diger und der größte Biertrinker wäre. »Aber nein! rief er ein Mal um das andere, des is ein fameſes Wergg! des giebt eine großartigte Anſtalt! Aber Geld koſten duhts, na das Geld! Aber Schade, hier mißte mir des Gewehlbe doch en Bisgen diefer ſein und die Mauer um eine Idee ſtärger!« Bei alle dem dachte er ſich gar nichts, als daß er noch recht zeitig zum Abendeſſen wolle, eh' es dunkel werde; denn dieſes war der einzige Tort, den er ſeiner Frau Meiſterin anthat, daß er nie das Abendbrot ver¬ ſäumte am Sonntag, wie etwa die anderen Ge¬ ſellen, ſondern daß ſie ſeinetwegen allein zu Hauſe bleiben oder ſonſt wie Bedacht auf ihn nehmen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/379>, abgerufen am 29.11.2024.