Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Eigenschaften, als wie eine freundliche oder
herbe Gemüthsart, nicht nur unser Schicksal und
Glück machen, sondern auch dasjenige der uns
Umgebenden und uns zu diesen in ein stren¬
ges Schuldverhältniß zu bringen vermögen, ohne
daß wir wissen wie es zugegangen, da wir uns
ja unser Gemüth nicht selbst gegeben. In die¬
sen Betrachtungen ward er jedoch gestört durch
die Nachbaren, welche jetzt ihre Neugierde nicht
länger unterdrücken konnten und Einer nach dem
Andern in die Stube drangen, um das Wun¬
derthier zu sehen, da sich schon in dem ganzen
Städtchen das Gerücht verbreitet hatte, der ver¬
schollene Pankrazius sei erschienen, und zwar als
ein französischer General in einem vierspännigen
Wagen.

Dies war nun ein höchst verwickelter Fall
für die in ihren Vergnügungslokalen versammel¬
ten Seldwyler, sowol für die Jungen als wie
für die Alten, und sie kratzten sich verdutzt hin¬
ter den Ohren. Denn dies war gänzlich wider
die Ordnung und wider den Strich zu Seldwyl,
daß da Einer wie vom Himmel geschneit als
ein gemachter Mann und General herkommen

Eigenſchaften, als wie eine freundliche oder
herbe Gemüthsart, nicht nur unſer Schickſal und
Glück machen, ſondern auch dasjenige der uns
Umgebenden und uns zu dieſen in ein ſtren¬
ges Schuldverhältniß zu bringen vermögen, ohne
daß wir wiſſen wie es zugegangen, da wir uns
ja unſer Gemüth nicht ſelbſt gegeben. In die¬
ſen Betrachtungen ward er jedoch geſtört durch
die Nachbaren, welche jetzt ihre Neugierde nicht
länger unterdrücken konnten und Einer nach dem
Andern in die Stube drangen, um das Wun¬
derthier zu ſehen, da ſich ſchon in dem ganzen
Städtchen das Gerücht verbreitet hatte, der ver¬
ſchollene Pankrazius ſei erſchienen, und zwar als
ein franzöſiſcher General in einem vierſpännigen
Wagen.

Dies war nun ein höchſt verwickelter Fall
für die in ihren Vergnügungslokalen verſammel¬
ten Seldwyler, ſowol für die Jungen als wie
für die Alten, und ſie kratzten ſich verdutzt hin¬
ter den Ohren. Denn dies war gänzlich wider
die Ordnung und wider den Strich zu Seldwyl,
daß da Einer wie vom Himmel geſchneit als
ein gemachter Mann und General herkommen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0043" n="31"/>
Eigen&#x017F;chaften, als wie eine freundliche oder<lb/>
herbe Gemüthsart, nicht nur un&#x017F;er Schick&#x017F;al und<lb/>
Glück machen, &#x017F;ondern auch dasjenige der uns<lb/>
Umgebenden und uns zu die&#x017F;en in ein &#x017F;tren¬<lb/>
ges Schuldverhältniß zu bringen vermögen, ohne<lb/>
daß wir wi&#x017F;&#x017F;en wie es zugegangen, da wir uns<lb/>
ja un&#x017F;er Gemüth nicht &#x017F;elb&#x017F;t gegeben. In die¬<lb/>
&#x017F;en Betrachtungen ward er jedoch ge&#x017F;tört durch<lb/>
die Nachbaren, welche jetzt ihre Neugierde nicht<lb/>
länger unterdrücken konnten und Einer nach dem<lb/>
Andern in die Stube drangen, um das Wun¬<lb/>
derthier zu &#x017F;ehen, da &#x017F;ich &#x017F;chon in dem ganzen<lb/>
Städtchen das Gerücht verbreitet hatte, der ver¬<lb/>
&#x017F;chollene Pankrazius &#x017F;ei er&#x017F;chienen, und zwar als<lb/>
ein franzö&#x017F;i&#x017F;cher General in einem vier&#x017F;pännigen<lb/>
Wagen.</p><lb/>
        <p>Dies war nun ein höch&#x017F;t verwickelter Fall<lb/>
für die in ihren Vergnügungslokalen ver&#x017F;ammel¬<lb/>
ten Seldwyler, &#x017F;owol für die Jungen als wie<lb/>
für die Alten, und &#x017F;ie kratzten &#x017F;ich verdutzt hin¬<lb/>
ter den Ohren. Denn dies war gänzlich wider<lb/>
die Ordnung und wider den Strich zu Seldwyl,<lb/>
daß da Einer wie vom Himmel ge&#x017F;chneit als<lb/>
ein gemachter Mann und General herkommen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0043] Eigenſchaften, als wie eine freundliche oder herbe Gemüthsart, nicht nur unſer Schickſal und Glück machen, ſondern auch dasjenige der uns Umgebenden und uns zu dieſen in ein ſtren¬ ges Schuldverhältniß zu bringen vermögen, ohne daß wir wiſſen wie es zugegangen, da wir uns ja unſer Gemüth nicht ſelbſt gegeben. In die¬ ſen Betrachtungen ward er jedoch geſtört durch die Nachbaren, welche jetzt ihre Neugierde nicht länger unterdrücken konnten und Einer nach dem Andern in die Stube drangen, um das Wun¬ derthier zu ſehen, da ſich ſchon in dem ganzen Städtchen das Gerücht verbreitet hatte, der ver¬ ſchollene Pankrazius ſei erſchienen, und zwar als ein franzöſiſcher General in einem vierſpännigen Wagen. Dies war nun ein höchſt verwickelter Fall für die in ihren Vergnügungslokalen verſammel¬ ten Seldwyler, ſowol für die Jungen als wie für die Alten, und ſie kratzten ſich verdutzt hin¬ ter den Ohren. Denn dies war gänzlich wider die Ordnung und wider den Strich zu Seldwyl, daß da Einer wie vom Himmel geſchneit als ein gemachter Mann und General herkommen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/43
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/43>, abgerufen am 23.11.2024.