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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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langte sie bleich und traurig in dem schönen
Land Italien an, und so blau dort der Himmel
war, wollten sich ihre dunklen Gedanken doch
nicht aufhellen. Aber als sie einige Tage bei
ihrer Base verweilt, sollte unverhofft eine andere
Melodie ertönen und ein Frühlingsanfang in ihr
aufgehen, von dem sie bis dato noch nicht viel
gewußt. Denn es kam ein junger Landsmann
in das Haus der Base, der ihr gleich beim er¬
sten Anblick so wohl gefiel, daß man wohl sagen
kann, sie verliebte sich jetzt von selbst und zum
ersten Mal. Es war ein schöner Jüngling, von
guter Erziehung und edlem Benehmen, nicht
arm und nicht reich zur Zeit, denn er hatte
nichts als zehntausend Goldgulden, welche er
von seinen verstorbenen Ältern ererbt und wo¬
mit er, da er die Kaufmannschaft erlernt hatte,
in Mailand einen Handel mit Seide begründen
wollte, denn er war unternehmend und klar von
Gedanken und hatte eine glückliche Hand, wie
es unbefangene und unschuldige Leute oft haben;
denn auch dies war der junge Mann; er schien,
so wohlgelehrt er war, doch so arglos und un¬
schuldig wie ein Kind. Und obgleich er ein

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langte ſie bleich und traurig in dem ſchönen
Land Italien an, und ſo blau dort der Himmel
war, wollten ſich ihre dunklen Gedanken doch
nicht aufhellen. Aber als ſie einige Tage bei
ihrer Baſe verweilt, ſollte unverhofft eine andere
Melodie ertönen und ein Frühlingsanfang in ihr
aufgehen, von dem ſie bis dato noch nicht viel
gewußt. Denn es kam ein junger Landsmann
in das Haus der Baſe, der ihr gleich beim er¬
ſten Anblick ſo wohl gefiel, daß man wohl ſagen
kann, ſie verliebte ſich jetzt von ſelbſt und zum
erſten Mal. Es war ein ſchöner Jüngling, von
guter Erziehung und edlem Benehmen, nicht
arm und nicht reich zur Zeit, denn er hatte
nichts als zehntauſend Goldgulden, welche er
von ſeinen verſtorbenen Ältern ererbt und wo¬
mit er, da er die Kaufmannſchaft erlernt hatte,
in Mailand einen Handel mit Seide begründen
wollte, denn er war unternehmend und klar von
Gedanken und hatte eine glückliche Hand, wie
es unbefangene und unſchuldige Leute oft haben;
denn auch dies war der junge Mann; er ſchien,
ſo wohlgelehrt er war, doch ſo arglos und un¬
ſchuldig wie ein Kind. Und obgleich er ein

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[483/0495] langte ſie bleich und traurig in dem ſchönen Land Italien an, und ſo blau dort der Himmel war, wollten ſich ihre dunklen Gedanken doch nicht aufhellen. Aber als ſie einige Tage bei ihrer Baſe verweilt, ſollte unverhofft eine andere Melodie ertönen und ein Frühlingsanfang in ihr aufgehen, von dem ſie bis dato noch nicht viel gewußt. Denn es kam ein junger Landsmann in das Haus der Baſe, der ihr gleich beim er¬ ſten Anblick ſo wohl gefiel, daß man wohl ſagen kann, ſie verliebte ſich jetzt von ſelbſt und zum erſten Mal. Es war ein ſchöner Jüngling, von guter Erziehung und edlem Benehmen, nicht arm und nicht reich zur Zeit, denn er hatte nichts als zehntauſend Goldgulden, welche er von ſeinen verſtorbenen Ältern ererbt und wo¬ mit er, da er die Kaufmannſchaft erlernt hatte, in Mailand einen Handel mit Seide begründen wollte, denn er war unternehmend und klar von Gedanken und hatte eine glückliche Hand, wie es unbefangene und unſchuldige Leute oft haben; denn auch dies war der junge Mann; er ſchien, ſo wohlgelehrt er war, doch ſo arglos und un¬ ſchuldig wie ein Kind. Und obgleich er ein 31*

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/495>, abgerufen am 22.11.2024.