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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Kaufmann war und ein so unbefangenes Ge¬
müth, was schon zusammen eine köstliche Sel¬
tenheit ist, so war er doch fest und ritterlich in
seiner Haltung und trug sein Schwert so keck
zur Seite, wie nur ein geübter Kriegsmann es
tragen kann. Dies Alles, sowie seine frische
Schönheit und Jugend bezwängen das Herz des
Fräuleins dermaßen, daß sie kaum an sich hal¬
ten konnte und ihn mit großer Freundlichkeit
begegnete. Sie wurde wieder heiter und wenn
sie dazwischen auch traurig war, so geschah dies
in dem Wechsel der Liebesfurcht und Hoffnung,
welche immerhin ein edleres und angenehmeres
Gefühl war, als jene peinliche Verlegenheit in
der Wahl, welche sie früher unter den vielen
Freiern empfunden. Jetzt kannte sie nur eine
Mühe und Besorgniß, diejenige nämlich, dem
schönen und guten Jüngling zu gefallen, und
je schöner sie selbst war, desto demüthiger und
unsicherer war sie jetzt, da sie zum ersten Male
eine wahre Neigung gefaßt hatte. Aber auch
der junge Kaufmann hatte noch nie eine solche
Schönheit gesehen, oder war wenigstens noch
keiner so nahe gewesen und von ihr so freund¬

Kaufmann war und ein ſo unbefangenes Ge¬
müth, was ſchon zuſammen eine köſtliche Sel¬
tenheit iſt, ſo war er doch feſt und ritterlich in
ſeiner Haltung und trug ſein Schwert ſo keck
zur Seite, wie nur ein geübter Kriegsmann es
tragen kann. Dies Alles, ſowie ſeine friſche
Schönheit und Jugend bezwängen das Herz des
Fräuleins dermaßen, daß ſie kaum an ſich hal¬
ten konnte und ihn mit großer Freundlichkeit
begegnete. Sie wurde wieder heiter und wenn
ſie dazwiſchen auch traurig war, ſo geſchah dies
in dem Wechſel der Liebesfurcht und Hoffnung,
welche immerhin ein edleres und angenehmeres
Gefühl war, als jene peinliche Verlegenheit in
der Wahl, welche ſie früher unter den vielen
Freiern empfunden. Jetzt kannte ſie nur eine
Mühe und Beſorgniß, diejenige nämlich, dem
ſchönen und guten Jüngling zu gefallen, und
je ſchöner ſie ſelbſt war, deſto demüthiger und
unſicherer war ſie jetzt, da ſie zum erſten Male
eine wahre Neigung gefaßt hatte. Aber auch
der junge Kaufmann hatte noch nie eine ſolche
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keiner ſo nahe geweſen und von ihr ſo freund¬

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[484/0496] Kaufmann war und ein ſo unbefangenes Ge¬ müth, was ſchon zuſammen eine köſtliche Sel¬ tenheit iſt, ſo war er doch feſt und ritterlich in ſeiner Haltung und trug ſein Schwert ſo keck zur Seite, wie nur ein geübter Kriegsmann es tragen kann. Dies Alles, ſowie ſeine friſche Schönheit und Jugend bezwängen das Herz des Fräuleins dermaßen, daß ſie kaum an ſich hal¬ ten konnte und ihn mit großer Freundlichkeit begegnete. Sie wurde wieder heiter und wenn ſie dazwiſchen auch traurig war, ſo geſchah dies in dem Wechſel der Liebesfurcht und Hoffnung, welche immerhin ein edleres und angenehmeres Gefühl war, als jene peinliche Verlegenheit in der Wahl, welche ſie früher unter den vielen Freiern empfunden. Jetzt kannte ſie nur eine Mühe und Beſorgniß, diejenige nämlich, dem ſchönen und guten Jüngling zu gefallen, und je ſchöner ſie ſelbſt war, deſto demüthiger und unſicherer war ſie jetzt, da ſie zum erſten Male eine wahre Neigung gefaßt hatte. Aber auch der junge Kaufmann hatte noch nie eine ſolche Schönheit geſehen, oder war wenigſtens noch keiner ſo nahe geweſen und von ihr ſo freund¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/496>, abgerufen am 22.11.2024.