Unterhaltung erschwert; da er nun aber selbst sie mit seinem braven und edlen Herzen über¬ rascht und dasselbe vor ihr aufgethan, so könne sie ihm für seine Neigung nicht besser danken, als in dem sie ihm eben so offen sich anvertraue. Ja, fuhr sie fort, nur demjenigen könne sie an¬ gehören, welchen sie einmal erwählt habe, und nie würde es ihr möglich sein, ihr Herz einem anderen Mannesbilde zuzuwenden, dies stehe mit goldenem Feuer in ihrer Seele geschrieben und der liebe Mann wisse selbst nicht, wie lieb er ihr sei, so wohl er sie auch kenne! Aber ein trüber Unstern hätte sie betroffen; ihr Bräutigam sei ein Kaufmann, aber so arm wie eine Maus; darum hätten sie den Plan gefaßt, daß er aus den Mitteln der Braut einen Handel begründen solle; der Anfang sei gemacht und Alles auf das Beste eingeleitet, die Hochzeit sollte in die¬ sen Tagen gefeiert werden, da wollte ein un¬ verhofftes Mißgeschick, daß ihr ganzes Vermögen plötzlich ihr angetastet und abgestritten wurde und vielleicht für immer verloren gehe, während der arme Bräutigam in nächster Zeit seine ersten Zahlungen zu leisten habe an die Mailänder
Unterhaltung erſchwert; da er nun aber ſelbſt ſie mit ſeinem braven und edlen Herzen über¬ raſcht und daſſelbe vor ihr aufgethan, ſo könne ſie ihm für ſeine Neigung nicht beſſer danken, als in dem ſie ihm eben ſo offen ſich anvertraue. Ja, fuhr ſie fort, nur demjenigen könne ſie an¬ gehören, welchen ſie einmal erwählt habe, und nie würde es ihr möglich ſein, ihr Herz einem anderen Mannesbilde zuzuwenden, dies ſtehe mit goldenem Feuer in ihrer Seele geſchrieben und der liebe Mann wiſſe ſelbſt nicht, wie lieb er ihr ſei, ſo wohl er ſie auch kenne! Aber ein trüber Unſtern hätte ſie betroffen; ihr Bräutigam ſei ein Kaufmann, aber ſo arm wie eine Maus; darum hätten ſie den Plan gefaßt, daß er aus den Mitteln der Braut einen Handel begründen ſolle; der Anfang ſei gemacht und Alles auf das Beſte eingeleitet, die Hochzeit ſollte in die¬ ſen Tagen gefeiert werden, da wollte ein un¬ verhofftes Mißgeſchick, daß ihr ganzes Vermögen plötzlich ihr angetaſtet und abgeſtritten wurde und vielleicht für immer verloren gehe, während der arme Bräutigam in nächſter Zeit ſeine erſten Zahlungen zu leiſten habe an die Mailänder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0501"n="489"/>
Unterhaltung erſchwert; da er nun aber ſelbſt<lb/>ſie mit ſeinem braven und edlen Herzen über¬<lb/>
raſcht und daſſelbe vor ihr aufgethan, ſo könne<lb/>ſie ihm für ſeine Neigung nicht beſſer danken,<lb/>
als in dem ſie ihm eben ſo offen ſich anvertraue.<lb/>
Ja, fuhr ſie fort, nur demjenigen könne ſie an¬<lb/>
gehören, welchen ſie einmal erwählt habe, und<lb/>
nie würde es ihr möglich ſein, ihr Herz einem<lb/>
anderen Mannesbilde zuzuwenden, dies ſtehe mit<lb/>
goldenem Feuer in ihrer Seele geſchrieben und<lb/>
der liebe Mann wiſſe ſelbſt nicht, wie lieb er<lb/>
ihr ſei, ſo wohl er ſie auch kenne! Aber ein<lb/>
trüber Unſtern hätte ſie betroffen; ihr Bräutigam<lb/>ſei ein Kaufmann, aber ſo arm wie eine Maus;<lb/>
darum hätten ſie den Plan gefaßt, daß er aus<lb/>
den Mitteln der Braut einen Handel begründen<lb/>ſolle; der Anfang ſei gemacht und Alles auf<lb/>
das Beſte eingeleitet, die Hochzeit ſollte in die¬<lb/>ſen Tagen gefeiert werden, da wollte ein un¬<lb/>
verhofftes Mißgeſchick, daß ihr ganzes Vermögen<lb/>
plötzlich ihr angetaſtet und abgeſtritten wurde<lb/>
und vielleicht für immer verloren gehe, während<lb/>
der arme Bräutigam in nächſter Zeit ſeine erſten<lb/>
Zahlungen zu leiſten habe an die Mailänder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[489/0501]
Unterhaltung erſchwert; da er nun aber ſelbſt
ſie mit ſeinem braven und edlen Herzen über¬
raſcht und daſſelbe vor ihr aufgethan, ſo könne
ſie ihm für ſeine Neigung nicht beſſer danken,
als in dem ſie ihm eben ſo offen ſich anvertraue.
Ja, fuhr ſie fort, nur demjenigen könne ſie an¬
gehören, welchen ſie einmal erwählt habe, und
nie würde es ihr möglich ſein, ihr Herz einem
anderen Mannesbilde zuzuwenden, dies ſtehe mit
goldenem Feuer in ihrer Seele geſchrieben und
der liebe Mann wiſſe ſelbſt nicht, wie lieb er
ihr ſei, ſo wohl er ſie auch kenne! Aber ein
trüber Unſtern hätte ſie betroffen; ihr Bräutigam
ſei ein Kaufmann, aber ſo arm wie eine Maus;
darum hätten ſie den Plan gefaßt, daß er aus
den Mitteln der Braut einen Handel begründen
ſolle; der Anfang ſei gemacht und Alles auf
das Beſte eingeleitet, die Hochzeit ſollte in die¬
ſen Tagen gefeiert werden, da wollte ein un¬
verhofftes Mißgeſchick, daß ihr ganzes Vermögen
plötzlich ihr angetaſtet und abgeſtritten wurde
und vielleicht für immer verloren gehe, während
der arme Bräutigam in nächſter Zeit ſeine erſten
Zahlungen zu leiſten habe an die Mailänder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/501>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.