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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Ich hingegen hatte mich bald so weit eingeübt,
daß ich ihm einigermaßen die Stange halten
konnte, ohne ihn des öfteren Sieges zu berau¬
ben, und wenn mein Kopf nicht durch andere
Dinge verwirrt worden wäre, so würde ich dem
grimmigen Alten bald überlegen geworden sein."

"Dergestalt war ich nun das merkwürdigste
Institut von der Welt; ich ging unter diesen
Palmen einher gravitätisch und wortlos in mei¬
ner Scharlachuniform, ein leichtes Schilfstöckchen
in der Hand und über dem Kopfe ein weißes
Tuch zum Schutze gegen die heiße Sonne. Ich
war Soldat, Verwaltungsmann, Gärtner, Jäger,
Hausfreund und Zeitvertreiber, und zwar ein ganz
sonderbarer, da ich nie ein Wort sprach; denn
obgleich ich jetzt nicht mehr schmollte und leidlich
zufrieden war, so hatte ich mir das Schweigen
doch so angewöhnt, daß meine Zunge durch nichts
zu bewegen war, als etwa durch ein Kommando¬
wort oder einen Fluch gegen unordentliche Sol¬
daten. Doch diente gerade diese Weise dem
Kommandeur, ich blieb so an die fünf Jahre bei
ihm einen Tag wie den andern und konnte, wenn
ich freie Zeit hatte, im Übrigen thun, was mir

Ich hingegen hatte mich bald ſo weit eingeübt,
daß ich ihm einigermaßen die Stange halten
konnte, ohne ihn des öfteren Sieges zu berau¬
ben, und wenn mein Kopf nicht durch andere
Dinge verwirrt worden wäre, ſo würde ich dem
grimmigen Alten bald überlegen geworden ſein.«

»Dergeſtalt war ich nun das merkwürdigſte
Inſtitut von der Welt; ich ging unter dieſen
Palmen einher gravitätiſch und wortlos in mei¬
ner Scharlachuniform, ein leichtes Schilfſtöckchen
in der Hand und über dem Kopfe ein weißes
Tuch zum Schutze gegen die heiße Sonne. Ich
war Soldat, Verwaltungsmann, Gärtner, Jäger,
Hausfreund und Zeitvertreiber, und zwar ein ganz
ſonderbarer, da ich nie ein Wort ſprach; denn
obgleich ich jetzt nicht mehr ſchmollte und leidlich
zufrieden war, ſo hatte ich mir das Schweigen
doch ſo angewöhnt, daß meine Zunge durch nichts
zu bewegen war, als etwa durch ein Kommando¬
wort oder einen Fluch gegen unordentliche Sol¬
daten. Doch diente gerade dieſe Weiſe dem
Kommandeur, ich blieb ſo an die fünf Jahre bei
ihm einen Tag wie den andern und konnte, wenn
ich freie Zeit hatte, im Übrigen thun, was mir

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[48/0060] Ich hingegen hatte mich bald ſo weit eingeübt, daß ich ihm einigermaßen die Stange halten konnte, ohne ihn des öfteren Sieges zu berau¬ ben, und wenn mein Kopf nicht durch andere Dinge verwirrt worden wäre, ſo würde ich dem grimmigen Alten bald überlegen geworden ſein.« »Dergeſtalt war ich nun das merkwürdigſte Inſtitut von der Welt; ich ging unter dieſen Palmen einher gravitätiſch und wortlos in mei¬ ner Scharlachuniform, ein leichtes Schilfſtöckchen in der Hand und über dem Kopfe ein weißes Tuch zum Schutze gegen die heiße Sonne. Ich war Soldat, Verwaltungsmann, Gärtner, Jäger, Hausfreund und Zeitvertreiber, und zwar ein ganz ſonderbarer, da ich nie ein Wort ſprach; denn obgleich ich jetzt nicht mehr ſchmollte und leidlich zufrieden war, ſo hatte ich mir das Schweigen doch ſo angewöhnt, daß meine Zunge durch nichts zu bewegen war, als etwa durch ein Kommando¬ wort oder einen Fluch gegen unordentliche Sol¬ daten. Doch diente gerade dieſe Weiſe dem Kommandeur, ich blieb ſo an die fünf Jahre bei ihm einen Tag wie den andern und konnte, wenn ich freie Zeit hatte, im Übrigen thun, was mir

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/60>, abgerufen am 24.11.2024.