Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

etwa aussehen wie ein verliebter närrischer Schnei¬
der, da ich doch kein solcher war und ich auf
meine Weise schon gedachte, beweglich zu werden
zu ihrem Wohlgefallen. Kurz, ich ging einer
gänzlichen Confusion entgegen, war nicht mehr
im Stande ein einziges Geschäft ordnungsgemäß
zu verrichten und lief Gefahr, als Militär rück¬
wärts zu kommen oder gar verabschiedet zu wer¬
den, wenn ich nicht als ein abhängiger dienstbarer
Lückenbüßer, der zu weiter nichts zu brauchen, mich
an das Haus des Gouverneurs hängen wollte."

"Als daher die Engländer in bedenkliche
Feindseligkeiten mit indischen Völkern geriethen
und ein Feldzug eröffnet wurde, der nachher
ziemlich blutig für sie ausfiel, entschloß ich mich
kurz und trat wieder in meine Compagnie als
guter Combattant, vom Gouverneur meinen Ab¬
schied nehmend. Derselbe wollte zwar nichts
davon wissen, sondern polterte, bat und schmei¬
chelte mir, daß ich bleiben möchte, wie alle solche
Leute, die glauben, Alles stehe mit seinem Leib
und Leben, mit seinem Wohl und Wehe nur zu
ihrer Verfügung da, um ihnen die Zeit zu ver¬
treiben und zur Bequemlichkeit zu dienen. Lydia

etwa ausſehen wie ein verliebter närriſcher Schnei¬
der, da ich doch kein ſolcher war und ich auf
meine Weiſe ſchon gedachte, beweglich zu werden
zu ihrem Wohlgefallen. Kurz, ich ging einer
gänzlichen Confuſion entgegen, war nicht mehr
im Stande ein einziges Geſchäft ordnungsgemäß
zu verrichten und lief Gefahr, als Militär rück¬
wärts zu kommen oder gar verabſchiedet zu wer¬
den, wenn ich nicht als ein abhängiger dienſtbarer
Lückenbüßer, der zu weiter nichts zu brauchen, mich
an das Haus des Gouverneurs hängen wollte.«

»Als daher die Engländer in bedenkliche
Feindſeligkeiten mit indiſchen Völkern geriethen
und ein Feldzug eröffnet wurde, der nachher
ziemlich blutig für ſie ausfiel, entſchloß ich mich
kurz und trat wieder in meine Compagnie als
guter Combattant, vom Gouverneur meinen Ab¬
ſchied nehmend. Derſelbe wollte zwar nichts
davon wiſſen, ſondern polterte, bat und ſchmei¬
chelte mir, daß ich bleiben möchte, wie alle ſolche
Leute, die glauben, Alles ſtehe mit ſeinem Leib
und Leben, mit ſeinem Wohl und Wehe nur zu
ihrer Verfügung da, um ihnen die Zeit zu ver¬
treiben und zur Bequemlichkeit zu dienen. Lydia

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="75"/>
etwa aus&#x017F;ehen wie ein verliebter närri&#x017F;cher Schnei¬<lb/>
der, da ich doch kein &#x017F;olcher war und ich auf<lb/>
meine Wei&#x017F;e &#x017F;chon gedachte, beweglich zu werden<lb/>
zu ihrem Wohlgefallen. Kurz, ich ging einer<lb/>
gänzlichen Confu&#x017F;ion entgegen, war nicht mehr<lb/>
im Stande ein einziges Ge&#x017F;chäft ordnungsgemäß<lb/>
zu verrichten und lief Gefahr, als Militär rück¬<lb/>
wärts zu kommen oder gar verab&#x017F;chiedet zu wer¬<lb/>
den, wenn ich nicht als ein abhängiger dien&#x017F;tbarer<lb/>
Lückenbüßer, der zu weiter nichts zu brauchen, mich<lb/>
an das Haus des Gouverneurs hängen wollte.«</p><lb/>
        <p>»Als daher die Engländer in bedenkliche<lb/>
Feind&#x017F;eligkeiten mit indi&#x017F;chen Völkern geriethen<lb/>
und ein Feldzug eröffnet wurde, der nachher<lb/>
ziemlich blutig für &#x017F;ie ausfiel, ent&#x017F;chloß ich mich<lb/>
kurz und trat wieder in meine Compagnie als<lb/>
guter Combattant, vom Gouverneur meinen Ab¬<lb/>
&#x017F;chied nehmend. Der&#x017F;elbe wollte zwar nichts<lb/>
davon wi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern polterte, bat und &#x017F;chmei¬<lb/>
chelte mir, daß ich bleiben möchte, wie alle &#x017F;olche<lb/>
Leute, die glauben, Alles &#x017F;tehe mit &#x017F;einem Leib<lb/>
und Leben, mit &#x017F;einem Wohl und Wehe nur zu<lb/>
ihrer Verfügung da, um ihnen die Zeit zu ver¬<lb/>
treiben und zur Bequemlichkeit zu dienen. Lydia<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0087] etwa ausſehen wie ein verliebter närriſcher Schnei¬ der, da ich doch kein ſolcher war und ich auf meine Weiſe ſchon gedachte, beweglich zu werden zu ihrem Wohlgefallen. Kurz, ich ging einer gänzlichen Confuſion entgegen, war nicht mehr im Stande ein einziges Geſchäft ordnungsgemäß zu verrichten und lief Gefahr, als Militär rück¬ wärts zu kommen oder gar verabſchiedet zu wer¬ den, wenn ich nicht als ein abhängiger dienſtbarer Lückenbüßer, der zu weiter nichts zu brauchen, mich an das Haus des Gouverneurs hängen wollte.« »Als daher die Engländer in bedenkliche Feindſeligkeiten mit indiſchen Völkern geriethen und ein Feldzug eröffnet wurde, der nachher ziemlich blutig für ſie ausfiel, entſchloß ich mich kurz und trat wieder in meine Compagnie als guter Combattant, vom Gouverneur meinen Ab¬ ſchied nehmend. Derſelbe wollte zwar nichts davon wiſſen, ſondern polterte, bat und ſchmei¬ chelte mir, daß ich bleiben möchte, wie alle ſolche Leute, die glauben, Alles ſtehe mit ſeinem Leib und Leben, mit ſeinem Wohl und Wehe nur zu ihrer Verfügung da, um ihnen die Zeit zu ver¬ treiben und zur Bequemlichkeit zu dienen. Lydia

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/87
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/87>, abgerufen am 21.11.2024.