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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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hingegen ließ sich während der drei oder vier
Tage, während welcher von meinem Abzug die
Rede war, kaum sehen. Geschah es aber, so
sah sie mich nicht an oder warf einen kurzen
Blick voll Zornes auf mich, wie es schien; aber
nur das Auge schien zornig, ihr Gang und ihre
übrigen Bewegungen waren dabei so still, edel
und an sich haltend, daß dieser schöne Zorn mir
das Herz zerriß. Auch hörte ich, daß sie des
Morgens sehr spät zum Vorschein käme und daß
man sich darüber den Kopf zerbräche; denn es
deutete darauf, daß sie des Nachts nicht schlafe,
und als ich sie am letzten Tage zufällig hinter
ihrem Fenster sah, glaubte ich zu bemerken, daß
sie ganz verweinte Augen hatte; auch zog sie
sich schnell zurück, als ich vorüberging. Nichts¬
destominder schritt ich meinen steifen Feldwebels¬
gang ruhig fort und verrichtete noch alles, we¬
der rechts noch links sehend. So ging ich auch
gegen Abend mit einem Burschen noch einmal
durch die Pflanzungen, um ihm die Obhut der¬
selben einigermaßen zu zeigen und ihn so gut
es ging zu einem provisorischen Gärtner zuzu¬
stutzen, bis sich ein tauglicheres Subjekt zeigen

hingegen ließ ſich während der drei oder vier
Tage, während welcher von meinem Abzug die
Rede war, kaum ſehen. Geſchah es aber, ſo
ſah ſie mich nicht an oder warf einen kurzen
Blick voll Zornes auf mich, wie es ſchien; aber
nur das Auge ſchien zornig, ihr Gang und ihre
übrigen Bewegungen waren dabei ſo ſtill, edel
und an ſich haltend, daß dieſer ſchöne Zorn mir
das Herz zerriß. Auch hörte ich, daß ſie des
Morgens ſehr ſpät zum Vorſchein käme und daß
man ſich darüber den Kopf zerbräche; denn es
deutete darauf, daß ſie des Nachts nicht ſchlafe,
und als ich ſie am letzten Tage zufällig hinter
ihrem Fenſter ſah, glaubte ich zu bemerken, daß
ſie ganz verweinte Augen hatte; auch zog ſie
ſich ſchnell zurück, als ich vorüberging. Nichts¬
deſtominder ſchritt ich meinen ſteifen Feldwebels¬
gang ruhig fort und verrichtete noch alles, we¬
der rechts noch links ſehend. So ging ich auch
gegen Abend mit einem Burſchen noch einmal
durch die Pflanzungen, um ihm die Obhut der¬
ſelben einigermaßen zu zeigen und ihn ſo gut
es ging zu einem proviſoriſchen Gärtner zuzu¬
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[76/0088] hingegen ließ ſich während der drei oder vier Tage, während welcher von meinem Abzug die Rede war, kaum ſehen. Geſchah es aber, ſo ſah ſie mich nicht an oder warf einen kurzen Blick voll Zornes auf mich, wie es ſchien; aber nur das Auge ſchien zornig, ihr Gang und ihre übrigen Bewegungen waren dabei ſo ſtill, edel und an ſich haltend, daß dieſer ſchöne Zorn mir das Herz zerriß. Auch hörte ich, daß ſie des Morgens ſehr ſpät zum Vorſchein käme und daß man ſich darüber den Kopf zerbräche; denn es deutete darauf, daß ſie des Nachts nicht ſchlafe, und als ich ſie am letzten Tage zufällig hinter ihrem Fenſter ſah, glaubte ich zu bemerken, daß ſie ganz verweinte Augen hatte; auch zog ſie ſich ſchnell zurück, als ich vorüberging. Nichts¬ deſtominder ſchritt ich meinen ſteifen Feldwebels¬ gang ruhig fort und verrichtete noch alles, we¬ der rechts noch links ſehend. So ging ich auch gegen Abend mit einem Burſchen noch einmal durch die Pflanzungen, um ihm die Obhut der¬ ſelben einigermaßen zu zeigen und ihn ſo gut es ging zu einem proviſoriſchen Gärtner zuzu¬ ſtutzen, bis ſich ein tauglicheres Subjekt zeigen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/88>, abgerufen am 24.11.2024.