Verstörung im Hause. Sie wisse nicht, wer und was es gewesen sei, glaube aber, es ihm nicht verschweigen zu dürfen, damit er in seiner Sorge nicht zu viel und nicht zu wenig sehe. Darauf habe Erwin sie mit trüben Augen angeschaut und, obgleich sie gemerkt, wie ihn die Mit¬ theilung erschüttert, gesagt, er wisse die Sache wohl, es sei ein Geheimniß, das sie nur verschweigen solle, er habe den Mann selbst gesandt.
Unmittelbar nach der kurzen Unterredung habe er in der gleichen milden und gelassenen Weise wie vorher das Wenige mit Reginen gesprochen, was er zu sprechen hatte, und beim Verlassen des Hauses der dicht verschleierten Frau den Arm gegeben. Nun wisse sie, die Haushälterin, doch nicht, ob sie recht gethan und das Unglück ver¬ größert habe.
Ich fragte sie, ob sie von der Sache jemals den übrigen Bediensteten oder Hausgenossen oder sonst Jemand etwas gesagt? Sie betheuerte das Gegentheil und versprach nochmals, es ferner so zu halten, und ich glaube, sie hat es auch gethan. Indessen beruhigte ich sie wegen des Geschehenen. Wenn jener geheimnißvolle Besuch übler Art gewesen sei, meinte ich, so sei nicht viel zu verderben; sei er aber unschuldiger Natur, so komme die dunkle Geschichte um so eher zur Abklärung.
Es fiel mir schwer, an das ganze Ereigniß so recht zu glauben. Die plötzliche Abreise machte nicht so viel Aufsehen, da die Ankunft Erwin's noch nicht einmal in
Verſtörung im Hauſe. Sie wiſſe nicht, wer und was es geweſen ſei, glaube aber, es ihm nicht verſchweigen zu dürfen, damit er in ſeiner Sorge nicht zu viel und nicht zu wenig ſehe. Darauf habe Erwin ſie mit trüben Augen angeſchaut und, obgleich ſie gemerkt, wie ihn die Mit¬ theilung erſchüttert, geſagt, er wiſſe die Sache wohl, es ſei ein Geheimniß, das ſie nur verſchweigen ſolle, er habe den Mann ſelbſt geſandt.
Unmittelbar nach der kurzen Unterredung habe er in der gleichen milden und gelaſſenen Weiſe wie vorher das Wenige mit Reginen geſprochen, was er zu ſprechen hatte, und beim Verlaſſen des Hauſes der dicht verſchleierten Frau den Arm gegeben. Nun wiſſe ſie, die Haushälterin, doch nicht, ob ſie recht gethan und das Unglück ver¬ größert habe.
Ich fragte ſie, ob ſie von der Sache jemals den übrigen Bedienſteten oder Hausgenoſſen oder ſonſt Jemand etwas geſagt? Sie betheuerte das Gegentheil und verſprach nochmals, es ferner ſo zu halten, und ich glaube, ſie hat es auch gethan. Indeſſen beruhigte ich ſie wegen des Geſchehenen. Wenn jener geheimnißvolle Beſuch übler Art geweſen ſei, meinte ich, ſo ſei nicht viel zu verderben; ſei er aber unſchuldiger Natur, ſo komme die dunkle Geſchichte um ſo eher zur Abklärung.
Es fiel mir ſchwer, an das ganze Ereigniß ſo recht zu glauben. Die plötzliche Abreiſe machte nicht ſo viel Aufſehen, da die Ankunft Erwin's noch nicht einmal in
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Verſtörung im Hauſe. Sie wiſſe nicht, wer und was es
geweſen ſei, glaube aber, es ihm nicht verſchweigen zu
dürfen, damit er in ſeiner Sorge nicht zu viel und nicht
zu wenig ſehe. Darauf habe Erwin ſie mit trüben Augen
angeſchaut und, obgleich ſie gemerkt, wie ihn die Mit¬
theilung erſchüttert, geſagt, er wiſſe die Sache wohl, es ſei
ein Geheimniß, das ſie nur verſchweigen ſolle, er habe
den Mann ſelbſt geſandt.
Unmittelbar nach der kurzen Unterredung habe er in
der gleichen milden und gelaſſenen Weiſe wie vorher das
Wenige mit Reginen geſprochen, was er zu ſprechen
hatte, und beim Verlaſſen des Hauſes der dicht verſchleierten
Frau den Arm gegeben. Nun wiſſe ſie, die Haushälterin,
doch nicht, ob ſie recht gethan und das Unglück ver¬
größert habe.
Ich fragte ſie, ob ſie von der Sache jemals den übrigen
Bedienſteten oder Hausgenoſſen oder ſonſt Jemand etwas
geſagt? Sie betheuerte das Gegentheil und verſprach
nochmals, es ferner ſo zu halten, und ich glaube, ſie
hat es auch gethan. Indeſſen beruhigte ich ſie wegen des
Geſchehenen. Wenn jener geheimnißvolle Beſuch übler
Art geweſen ſei, meinte ich, ſo ſei nicht viel zu verderben;
ſei er aber unſchuldiger Natur, ſo komme die dunkle
Geſchichte um ſo eher zur Abklärung.
Es fiel mir ſchwer, an das ganze Ereigniß ſo recht
zu glauben. Die plötzliche Abreiſe machte nicht ſo viel
Aufſehen, da die Ankunft Erwin's noch nicht einmal in
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/149>, abgerufen am 24.11.2024.
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