Ich hab' es einmal auf dies mysteriöse Bündel Unglück abgesehen, und es ist mir fast zu Muthe wie einem schwachen Weibe, dem das Kind erkrankt ist!"
Er erzählte dem Arzte, so lange der Weg es noch erlaubte, einiges von der Lebensart der Baronin. Jener schüttelte immer verwunderter den Kopf. "Lohausen!" sagte er, "wenn ich nur wüßte, wo ich den Namen schon gehört habe! Gleichviel, wir wollen sehen, was zu thun ist!"
"Das ist ja ein vertracktes Loch!" rief er dann, als er das feuchte, kalte und finstere Zimmer betrat, in dem die Kranke lag. Sie war jetzt bewußtlos und hatte sich nach Aussage der Hausmeisterin nicht geregt, seit Brandolf fortgegangen. Nach kurzer Betrachtung erklärte der Arzt den Zustand für den lebensgefährlichen Ausbruch einer tiefen Erkrankung. "Vor Allem muß sie hier weg," sagte er, "und in ein rechtes Bett in guter Luft! In meinen Krankensälen wird sich leicht ein Platz finden, wenn wir sie hinbringen; die Einzelzimmer sind freilich im Augen¬ blicke alle in Anspruch genommen."
"Wir können die menschenscheue Frau nicht dem Momente aussetzen, wo sie am unbekannten Orte und unter einer Menge fremder Gesichter zu sich kommt", versetzte Brandolf, der das Kleinod seiner Theilnahme nicht aus dem Hause lassen wollte. "Und überdies", sagte er, "haben wir es hier sichtlich mit verborgener und arg verschämter Armuth zu thun, deren Gemüths¬ bewegungen auch berücksichtigt sein wollen. Ich kann
Ich hab' es einmal auf dies myſteriöſe Bündel Unglück abgeſehen, und es iſt mir faſt zu Muthe wie einem ſchwachen Weibe, dem das Kind erkrankt iſt!“
Er erzählte dem Arzte, ſo lange der Weg es noch erlaubte, einiges von der Lebensart der Baronin. Jener ſchüttelte immer verwunderter den Kopf. „Lohauſen!“ ſagte er, „wenn ich nur wüßte, wo ich den Namen ſchon gehört habe! Gleichviel, wir wollen ſehen, was zu thun iſt!“
„Das iſt ja ein vertracktes Loch!“ rief er dann, als er das feuchte, kalte und finſtere Zimmer betrat, in dem die Kranke lag. Sie war jetzt bewußtlos und hatte ſich nach Ausſage der Hausmeiſterin nicht geregt, ſeit Brandolf fortgegangen. Nach kurzer Betrachtung erklärte der Arzt den Zuſtand für den lebensgefährlichen Ausbruch einer tiefen Erkrankung. „Vor Allem muß ſie hier weg,“ ſagte er, „und in ein rechtes Bett in guter Luft! In meinen Krankenſälen wird ſich leicht ein Platz finden, wenn wir ſie hinbringen; die Einzelzimmer ſind freilich im Augen¬ blicke alle in Anſpruch genommen.“
„Wir können die menſchenſcheue Frau nicht dem Momente ausſetzen, wo ſie am unbekannten Orte und unter einer Menge fremder Geſichter zu ſich kommt“, verſetzte Brandolf, der das Kleinod ſeiner Theilnahme nicht aus dem Hauſe laſſen wollte. „Und überdies“, ſagte er, „haben wir es hier ſichtlich mit verborgener und arg verſchämter Armuth zu thun, deren Gemüths¬ bewegungen auch berückſichtigt ſein wollen. Ich kann
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Ich hab' es einmal auf dies myſteriöſe Bündel Unglück
abgeſehen, und es iſt mir faſt zu Muthe wie einem
ſchwachen Weibe, dem das Kind erkrankt iſt!“
Er erzählte dem Arzte, ſo lange der Weg es noch
erlaubte, einiges von der Lebensart der Baronin. Jener
ſchüttelte immer verwunderter den Kopf. „Lohauſen!“
ſagte er, „wenn ich nur wüßte, wo ich den Namen ſchon
gehört habe! Gleichviel, wir wollen ſehen, was zu thun iſt!“
„Das iſt ja ein vertracktes Loch!“ rief er dann, als
er das feuchte, kalte und finſtere Zimmer betrat, in dem
die Kranke lag. Sie war jetzt bewußtlos und hatte ſich
nach Ausſage der Hausmeiſterin nicht geregt, ſeit Brandolf
fortgegangen. Nach kurzer Betrachtung erklärte der Arzt
den Zuſtand für den lebensgefährlichen Ausbruch einer
tiefen Erkrankung. „Vor Allem muß ſie hier weg,“ ſagte
er, „und in ein rechtes Bett in guter Luft! In meinen
Krankenſälen wird ſich leicht ein Platz finden, wenn wir
ſie hinbringen; die Einzelzimmer ſind freilich im Augen¬
blicke alle in Anſpruch genommen.“
„Wir können die menſchenſcheue Frau nicht dem
Momente ausſetzen, wo ſie am unbekannten Orte und
unter einer Menge fremder Geſichter zu ſich kommt“,
verſetzte Brandolf, der das Kleinod ſeiner Theilnahme
nicht aus dem Hauſe laſſen wollte. „Und überdies“,
ſagte er, „haben wir es hier ſichtlich mit verborgener
und arg verſchämter Armuth zu thun, deren Gemüths¬
bewegungen auch berückſichtigt ſein wollen. Ich kann
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/191>, abgerufen am 23.11.2024.
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