sonderbare Eifersucht gegen den Unbekannten und eine zornige Straflust, nicht bedenkend, daß er den Mann am Ende auch noch Pflegen müßte, wenn er denselben in die Hände bekäme.
Nach ungefähr weiteren acht Tagen befand sich die Baronin entschieden auf dem Wege der Genesung, wenn keine schlimmen Einflüsse dazu kamen. Brandolf war sehr begierig, das gerettete Wesen anzusehen, und ließ durch die Wärterin ordentlich anfragen, ob die Frau Baronin seinen Besuch empfangen würde. Denn er wollte auch im Punkte der Höflichkeit zur Befestigung ihrer Gesundheit beitragen und gut machen, was sie als dienende Wirthin in ihrer Vermummung erlitten haben mochte. Kurzum, es sollte alles wohlsinnig und freundlich hergehen, so lange er die Hand im Spiele hatte.
Als er den Bericht erhielt, daß sie seinen Besuch erwarten wolle, zog er einen Ausgeherock und Handschuh' an und begab sich in das Krankenzimmer hinüber.
Er erstaunte nicht wenig, sie in ihrem hübsch zugerüsteten Bette liegen zu sehen, und hätte sie beinahe nicht wieder erkannt, angethan wie sie war mit reinlich weißem Gewande und mit dem vergeistert weißen Gesichte, das von dem leicht aber schicklich geordneten Haar umrahmt wurde. Sie richtete mit großem Ernste die Augen auf ihn, als er auf einem Stuhle Platz nahm, den die Wärterin neben das Bett gestellt hatte. Ihr Blick haftete zerstreut und aufmerk¬ sam zugleich an seinem Gesichte und schien dasselbe neugierig
ſonderbare Eiferſucht gegen den Unbekannten und eine zornige Strafluſt, nicht bedenkend, daß er den Mann am Ende auch noch Pflegen müßte, wenn er denſelben in die Hände bekäme.
Nach ungefähr weiteren acht Tagen befand ſich die Baronin entſchieden auf dem Wege der Geneſung, wenn keine ſchlimmen Einflüſſe dazu kamen. Brandolf war ſehr begierig, das gerettete Weſen anzuſehen, und ließ durch die Wärterin ordentlich anfragen, ob die Frau Baronin ſeinen Beſuch empfangen würde. Denn er wollte auch im Punkte der Höflichkeit zur Befeſtigung ihrer Geſundheit beitragen und gut machen, was ſie als dienende Wirthin in ihrer Vermummung erlitten haben mochte. Kurzum, es ſollte alles wohlſinnig und freundlich hergehen, ſo lange er die Hand im Spiele hatte.
Als er den Bericht erhielt, daß ſie ſeinen Beſuch erwarten wolle, zog er einen Ausgeherock und Handſchuh' an und begab ſich in das Krankenzimmer hinüber.
Er erſtaunte nicht wenig, ſie in ihrem hübſch zugerüſteten Bette liegen zu ſehen, und hätte ſie beinahe nicht wieder erkannt, angethan wie ſie war mit reinlich weißem Gewande und mit dem vergeiſtert weißen Geſichte, das von dem leicht aber ſchicklich geordneten Haar umrahmt wurde. Sie richtete mit großem Ernſte die Augen auf ihn, als er auf einem Stuhle Platz nahm, den die Wärterin neben das Bett geſtellt hatte. Ihr Blick haftete zerſtreut und aufmerk¬ ſam zugleich an ſeinem Geſichte und ſchien daſſelbe neugierig
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ſonderbare Eiferſucht gegen den Unbekannten und eine
zornige Strafluſt, nicht bedenkend, daß er den Mann am
Ende auch noch Pflegen müßte, wenn er denſelben in die
Hände bekäme.
Nach ungefähr weiteren acht Tagen befand ſich die
Baronin entſchieden auf dem Wege der Geneſung, wenn
keine ſchlimmen Einflüſſe dazu kamen. Brandolf war ſehr
begierig, das gerettete Weſen anzuſehen, und ließ durch
die Wärterin ordentlich anfragen, ob die Frau Baronin
ſeinen Beſuch empfangen würde. Denn er wollte auch im
Punkte der Höflichkeit zur Befeſtigung ihrer Geſundheit
beitragen und gut machen, was ſie als dienende Wirthin
in ihrer Vermummung erlitten haben mochte. Kurzum,
es ſollte alles wohlſinnig und freundlich hergehen, ſo lange
er die Hand im Spiele hatte.
Als er den Bericht erhielt, daß ſie ſeinen Beſuch erwarten
wolle, zog er einen Ausgeherock und Handſchuh' an und
begab ſich in das Krankenzimmer hinüber.
Er erſtaunte nicht wenig, ſie in ihrem hübſch zugerüſteten
Bette liegen zu ſehen, und hätte ſie beinahe nicht wieder
erkannt, angethan wie ſie war mit reinlich weißem Gewande
und mit dem vergeiſtert weißen Geſichte, das von dem
leicht aber ſchicklich geordneten Haar umrahmt wurde. Sie
richtete mit großem Ernſte die Augen auf ihn, als er auf
einem Stuhle Platz nahm, den die Wärterin neben das
Bett geſtellt hatte. Ihr Blick haftete zerſtreut und aufmerk¬
ſam zugleich an ſeinem Geſichte und ſchien daſſelbe neugierig
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/195>, abgerufen am 23.11.2024.
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