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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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gewandt hatte, wurde dasselbe fallen gelassen und man
kam nicht mehr darauf zurück. Ich hatte zwei Kameraden
mitgebracht, lustige Donauleute, die sich das gute Leben
im Privatkreise wohl gefallen ließen nach langen Ent¬
behrungen, und es ging den Rest des Tages über sehr
munter zu. Als sie am Abend, da auch die andern Gäste
zurückkehrten, den leichten Wagen vorfahren ließen, in
welchem wir gemeinschaftlich angekommen, schwankte ich
einen Augenblick, ob ich nicht mit ihnen fahren sollte, da
es wegen des bevorstehenden Abmarsches allerlei zu thun
gab und ich mich doch in nichts verfehlen wollte. Ich
brauchte nur Helm und Säbel zu holen und rasch Adieu
zu sagen, d. h. bis zum folgenden Tage. Da stand aber
schon die Hildeburg bei uns auf der Freitreppe und sagte
gleichmüthig: "Ich dachte, Sie würden morgen noch mit
uns im Garten frühstücken; doch lassen Sie sich nicht
abhalten, wenn es nicht angeht. Jedenfalls steht Ihr
Zimmer bereit."

Natürlich blieb ich nun da; die zwei Oesterreicher
küßten der Dame die Hand, schwangen sich in den Wagen
und fuhren wie die Kugel aus dem Rohre davon, während
ich mit Hildeburg dem leuchtenden Diener in's Haus
zurückfolgte, mit einem geheimen Herzklopfen wegen der
süßen Entscheidung, die ich halbwegs erwartete. Hildeburg
zog sich jedoch bald in die Unsichtbarkeit zurück, und der
Tag endigte für mich damit, daß ich in der Gesellschaft
Mannelin's und von Hildeburg's Vater noch mehrere Gläser

gewandt hatte, wurde dasſelbe fallen gelaſſen und man
kam nicht mehr darauf zurück. Ich hatte zwei Kameraden
mitgebracht, luſtige Donauleute, die ſich das gute Leben
im Privatkreiſe wohl gefallen ließen nach langen Ent¬
behrungen, und es ging den Reſt des Tages über ſehr
munter zu. Als ſie am Abend, da auch die andern Gäſte
zurückkehrten, den leichten Wagen vorfahren ließen, in
welchem wir gemeinſchaftlich angekommen, ſchwankte ich
einen Augenblick, ob ich nicht mit ihnen fahren ſollte, da
es wegen des bevorſtehenden Abmarſches allerlei zu thun
gab und ich mich doch in nichts verfehlen wollte. Ich
brauchte nur Helm und Säbel zu holen und raſch Adieu
zu ſagen, d. h. bis zum folgenden Tage. Da ſtand aber
ſchon die Hildeburg bei uns auf der Freitreppe und ſagte
gleichmüthig: „Ich dachte, Sie würden morgen noch mit
uns im Garten frühſtücken; doch laſſen Sie ſich nicht
abhalten, wenn es nicht angeht. Jedenfalls ſteht Ihr
Zimmer bereit.“

Natürlich blieb ich nun da; die zwei Oeſterreicher
küßten der Dame die Hand, ſchwangen ſich in den Wagen
und fuhren wie die Kugel aus dem Rohre davon, während
ich mit Hildeburg dem leuchtenden Diener in's Haus
zurückfolgte, mit einem geheimen Herzklopfen wegen der
ſüßen Entſcheidung, die ich halbwegs erwartete. Hildeburg
zog ſich jedoch bald in die Unſichtbarkeit zurück, und der
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[240/0250] gewandt hatte, wurde dasſelbe fallen gelaſſen und man kam nicht mehr darauf zurück. Ich hatte zwei Kameraden mitgebracht, luſtige Donauleute, die ſich das gute Leben im Privatkreiſe wohl gefallen ließen nach langen Ent¬ behrungen, und es ging den Reſt des Tages über ſehr munter zu. Als ſie am Abend, da auch die andern Gäſte zurückkehrten, den leichten Wagen vorfahren ließen, in welchem wir gemeinſchaftlich angekommen, ſchwankte ich einen Augenblick, ob ich nicht mit ihnen fahren ſollte, da es wegen des bevorſtehenden Abmarſches allerlei zu thun gab und ich mich doch in nichts verfehlen wollte. Ich brauchte nur Helm und Säbel zu holen und raſch Adieu zu ſagen, d. h. bis zum folgenden Tage. Da ſtand aber ſchon die Hildeburg bei uns auf der Freitreppe und ſagte gleichmüthig: „Ich dachte, Sie würden morgen noch mit uns im Garten frühſtücken; doch laſſen Sie ſich nicht abhalten, wenn es nicht angeht. Jedenfalls ſteht Ihr Zimmer bereit.“ Natürlich blieb ich nun da; die zwei Oeſterreicher küßten der Dame die Hand, ſchwangen ſich in den Wagen und fuhren wie die Kugel aus dem Rohre davon, während ich mit Hildeburg dem leuchtenden Diener in's Haus zurückfolgte, mit einem geheimen Herzklopfen wegen der ſüßen Entſcheidung, die ich halbwegs erwartete. Hildeburg zog ſich jedoch bald in die Unſichtbarkeit zurück, und der Tag endigte für mich damit, daß ich in der Geſellſchaft Mannelin's und von Hildeburg's Vater noch mehrere Gläſer

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/250>, abgerufen am 21.11.2024.