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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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starken Punsches trank, den die Frauen uns hatten anrichten
lassen. Dann plauderte ich noch eine Viertelstunde mit
Mannelin auf seinem Zimmer und folgte endlich etwas
schlaftrunken dem Diener, der mich in die Stube brachte,
wo mein Nachtlager stand. Ich hatte fast Alles vergessen,
was mich vor Stunden noch erregte, und sah das Gemach
nur flüchtig an, in dem ich mich befand. Es schien ein sehr
großes aber niedriges Zimmer, dessen Wände und Decke
mit hölzernem Tafel- und Leistenwerke bekleidet waren.
An den Wänden stand hie und da ein alter Polstersessel
und in einer Ecke ein alterthümliches Himmelbett, das
von allen vier Seiten dunkle Umhänge umgaben. In
der Nähe des Bettes befand sich ein Tisch mit Wasser
u. dgl., auf welchen der Diener seine zwei Leuchter stellte,
eh' er sich zurückzog: weiter war nichts zu erblicken, als
in einer entfernten Ecke, dem Bette schräg gegenüber, eine
alte Schreibcommode mit einem Aufsatz. Dicht dabei befand
sich eines der Fenster, durch welche ein schwaches Mondlicht
in den Raum fiel, und ich sah noch, wie die verdunkelte
Politur des alten Hausrathes das Licht matt reflectirte.
Als ich die Uhr auf den Tisch legte, sah ich, daß es halb
zwölf Uhr war. Das erinnerte mich nochmals an die
Spukgeschichte; da es mir aber jetzt mehr um den Schlaf,
als um ein Abenteuer zu thun war, verließ ich mich
unbedenklich wieder auf Mannelin's guten Verstand, löschte
die Lichter und legte mich, immerhin die Unterkleider
anbehaltend, in das Bett, das übrigens vortrefflich war.

Keller, Sinngedicht. 16

ſtarken Punſches trank, den die Frauen uns hatten anrichten
laſſen. Dann plauderte ich noch eine Viertelſtunde mit
Mannelin auf ſeinem Zimmer und folgte endlich etwas
ſchlaftrunken dem Diener, der mich in die Stube brachte,
wo mein Nachtlager ſtand. Ich hatte faſt Alles vergeſſen,
was mich vor Stunden noch erregte, und ſah das Gemach
nur flüchtig an, in dem ich mich befand. Es ſchien ein ſehr
großes aber niedriges Zimmer, deſſen Wände und Decke
mit hölzernem Tafel- und Leiſtenwerke bekleidet waren.
An den Wänden ſtand hie und da ein alter Polſterſeſſel
und in einer Ecke ein alterthümliches Himmelbett, das
von allen vier Seiten dunkle Umhänge umgaben. In
der Nähe des Bettes befand ſich ein Tiſch mit Waſſer
u. dgl., auf welchen der Diener ſeine zwei Leuchter ſtellte,
eh' er ſich zurückzog: weiter war nichts zu erblicken, als
in einer entfernten Ecke, dem Bette ſchräg gegenüber, eine
alte Schreibcommode mit einem Aufſatz. Dicht dabei befand
ſich eines der Fenſter, durch welche ein ſchwaches Mondlicht
in den Raum fiel, und ich ſah noch, wie die verdunkelte
Politur des alten Hausrathes das Licht matt reflectirte.
Als ich die Uhr auf den Tiſch legte, ſah ich, daß es halb
zwölf Uhr war. Das erinnerte mich nochmals an die
Spukgeſchichte; da es mir aber jetzt mehr um den Schlaf,
als um ein Abenteuer zu thun war, verließ ich mich
unbedenklich wieder auf Mannelin's guten Verſtand, löſchte
die Lichter und legte mich, immerhin die Unterkleider
anbehaltend, in das Bett, das übrigens vortrefflich war.

Keller, Sinngedicht. 16
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[241/0251] ſtarken Punſches trank, den die Frauen uns hatten anrichten laſſen. Dann plauderte ich noch eine Viertelſtunde mit Mannelin auf ſeinem Zimmer und folgte endlich etwas ſchlaftrunken dem Diener, der mich in die Stube brachte, wo mein Nachtlager ſtand. Ich hatte faſt Alles vergeſſen, was mich vor Stunden noch erregte, und ſah das Gemach nur flüchtig an, in dem ich mich befand. Es ſchien ein ſehr großes aber niedriges Zimmer, deſſen Wände und Decke mit hölzernem Tafel- und Leiſtenwerke bekleidet waren. An den Wänden ſtand hie und da ein alter Polſterſeſſel und in einer Ecke ein alterthümliches Himmelbett, das von allen vier Seiten dunkle Umhänge umgaben. In der Nähe des Bettes befand ſich ein Tiſch mit Waſſer u. dgl., auf welchen der Diener ſeine zwei Leuchter ſtellte, eh' er ſich zurückzog: weiter war nichts zu erblicken, als in einer entfernten Ecke, dem Bette ſchräg gegenüber, eine alte Schreibcommode mit einem Aufſatz. Dicht dabei befand ſich eines der Fenſter, durch welche ein ſchwaches Mondlicht in den Raum fiel, und ich ſah noch, wie die verdunkelte Politur des alten Hausrathes das Licht matt reflectirte. Als ich die Uhr auf den Tiſch legte, ſah ich, daß es halb zwölf Uhr war. Das erinnerte mich nochmals an die Spukgeſchichte; da es mir aber jetzt mehr um den Schlaf, als um ein Abenteuer zu thun war, verließ ich mich unbedenklich wieder auf Mannelin's guten Verſtand, löſchte die Lichter und legte mich, immerhin die Unterkleider anbehaltend, in das Bett, das übrigens vortrefflich war. Keller, Sinngedicht. 16

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/251>, abgerufen am 22.11.2024.