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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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Strande entfernt war, sah er das Schloß in rothen
Flammen stehen, indessen von den Schiffen her die Ge¬
schütze dröhnten und der Glanz der Lichter strahlte. Eine
sonderbarere Lage hatte er noch nie zwischen zwei Feuern
erlebt, und mit bitterm Lächeln genoß er die Ironie und
die Lehre dieser Lage, die Lehre, daß man in Heiraths¬
sachen auch im guten Sinne keine künstlichen Anstalten
treffen und Fabeleien aufführen soll, sondern alles seinem
natürlichen Verlaufe zu überlassen besser thut.

Das Gefühl der Befreiung von einer unbekannten
schmachbringenden Zukunft und der unmittelbaren Lebens¬
gefahr erhellte dennoch etwas die dunkle Laune, sodaß er
auf seinem Admiralschiffe die glänzende Gesellschaft zu
Tisch sitzen ließ und mit gefaßtem Sinne einige Worte
an sie richtete. "Er habe geglaubt," sagte er, "den Herr¬
schaften eine ehrliche Gemahlin und Reisegefährtin vor¬
stellen zu können; allein der unerforschliche Wille der
Vorsehung hätte es dahin gelenkt, daß eine Flamme des
Unheiles und des Unterganges angezündet und ein Gericht
nothwendig geworden sei, welches das traurige Räthsel
den Freunden lösen werde."

In der That setzte er nach beendigter Mahlzeit noch
vor Tagesanbruch ein Standgericht nieder, welches die
Verfolgung und Aburtheilung der Urheber des Schlo߬
brandes aussprach. Der Umstand, daß das Verbrechen
im Angesichte eines Kriegsgeschwaders verübt und dessen
Führer beinahe das Opfer wurde, schien die Gerichts¬

Strande entfernt war, ſah er das Schloß in rothen
Flammen ſtehen, indeſſen von den Schiffen her die Ge¬
ſchütze dröhnten und der Glanz der Lichter ſtrahlte. Eine
ſonderbarere Lage hatte er noch nie zwiſchen zwei Feuern
erlebt, und mit bitterm Lächeln genoß er die Ironie und
die Lehre dieſer Lage, die Lehre, daß man in Heiraths¬
ſachen auch im guten Sinne keine künſtlichen Anſtalten
treffen und Fabeleien aufführen ſoll, ſondern alles ſeinem
natürlichen Verlaufe zu überlaſſen beſſer thut.

Das Gefühl der Befreiung von einer unbekannten
ſchmachbringenden Zukunft und der unmittelbaren Lebens¬
gefahr erhellte dennoch etwas die dunkle Laune, ſodaß er
auf ſeinem Admiralſchiffe die glänzende Geſellſchaft zu
Tiſch ſitzen ließ und mit gefaßtem Sinne einige Worte
an ſie richtete. „Er habe geglaubt,“ ſagte er, „den Herr¬
ſchaften eine ehrliche Gemahlin und Reiſegefährtin vor¬
ſtellen zu können; allein der unerforſchliche Wille der
Vorſehung hätte es dahin gelenkt, daß eine Flamme des
Unheiles und des Unterganges angezündet und ein Gericht
nothwendig geworden ſei, welches das traurige Räthſel
den Freunden löſen werde.“

In der That ſetzte er nach beendigter Mahlzeit noch
vor Tagesanbruch ein Standgericht nieder, welches die
Verfolgung und Aburtheilung der Urheber des Schlo߬
brandes ausſprach. Der Umſtand, daß das Verbrechen
im Angeſichte eines Kriegsgeſchwaders verübt und deſſen
Führer beinahe das Opfer wurde, ſchien die Gerichts¬

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[297/0307] Strande entfernt war, ſah er das Schloß in rothen Flammen ſtehen, indeſſen von den Schiffen her die Ge¬ ſchütze dröhnten und der Glanz der Lichter ſtrahlte. Eine ſonderbarere Lage hatte er noch nie zwiſchen zwei Feuern erlebt, und mit bitterm Lächeln genoß er die Ironie und die Lehre dieſer Lage, die Lehre, daß man in Heiraths¬ ſachen auch im guten Sinne keine künſtlichen Anſtalten treffen und Fabeleien aufführen ſoll, ſondern alles ſeinem natürlichen Verlaufe zu überlaſſen beſſer thut. Das Gefühl der Befreiung von einer unbekannten ſchmachbringenden Zukunft und der unmittelbaren Lebens¬ gefahr erhellte dennoch etwas die dunkle Laune, ſodaß er auf ſeinem Admiralſchiffe die glänzende Geſellſchaft zu Tiſch ſitzen ließ und mit gefaßtem Sinne einige Worte an ſie richtete. „Er habe geglaubt,“ ſagte er, „den Herr¬ ſchaften eine ehrliche Gemahlin und Reiſegefährtin vor¬ ſtellen zu können; allein der unerforſchliche Wille der Vorſehung hätte es dahin gelenkt, daß eine Flamme des Unheiles und des Unterganges angezündet und ein Gericht nothwendig geworden ſei, welches das traurige Räthſel den Freunden löſen werde.“ In der That ſetzte er nach beendigter Mahlzeit noch vor Tagesanbruch ein Standgericht nieder, welches die Verfolgung und Aburtheilung der Urheber des Schlo߬ brandes ausſprach. Der Umſtand, daß das Verbrechen im Angeſichte eines Kriegsgeſchwaders verübt und deſſen Führer beinahe das Opfer wurde, ſchien die Gerichts¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/307>, abgerufen am 22.11.2024.