Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

als Dir ein freundliches Verhältniß zu uns gewähren
kann. Schließest Du ein Freundschaftsbündniß mit uns,
das ich Dir anzutragen bevollmächtigt bin, so gewinnst
Du eine starke Vormauer und einen mächtigen Beistand
gegen alle übrigen Feinde, die Dir bereit stehen, und statt
unsere ungezählten Pfeile auf Dich gerichtet zu sehen,
werden sie gegen Deine Feinde schwirren und Dir den
Weg frei machen. Statt eines erzwungenen Tributes
endlich wird Deinem Lande ein gegenseitig geordneter frei¬
williger Verkehr größeren Gewinn bringen, als eine für
uns schmähliche Beraubung je abwerfen könnte. Dieses
bitte ich zu erwägen, ehe Du zu den Waffen greifst; denn
ohne Kampf wird es für Dich nicht ablaufen, was Du
anstrebst!"

Hatte Don Correa schon an der Art ihres Aufzuges
erkannt, daß er es mit einer gewissen Macht zu thun
hatte, die vielleicht nicht ungestraft zu unterschätzen war,
so mußte er sich jetzt sagen, daß dieselbe auch wußte, was
sie wollte, und mit Vernunftgründen zu unterhandeln
fähig schien. Er änderte also schnell entschlossen seinen
Plan und sagte:

"Da man uns bestimmte und deutliche Anträge macht,
welche von ehrlichem Entgegenkommen zeugen, so ist ge¬
nügender Grund vorhanden, hierüber Rath walten zu
zu lassen. Ich bin bereit, bis zum Austrag der Sache
freie Verhandlung auf gleichem Fuße zu gewähren, und
behalte mir den endgültigen Entschluß nach Umständen

als Dir ein freundliches Verhältniß zu uns gewähren
kann. Schließeſt Du ein Freundſchaftsbündniß mit uns,
das ich Dir anzutragen bevollmächtigt bin, ſo gewinnſt
Du eine ſtarke Vormauer und einen mächtigen Beiſtand
gegen alle übrigen Feinde, die Dir bereit ſtehen, und ſtatt
unſere ungezählten Pfeile auf Dich gerichtet zu ſehen,
werden ſie gegen Deine Feinde ſchwirren und Dir den
Weg frei machen. Statt eines erzwungenen Tributes
endlich wird Deinem Lande ein gegenſeitig geordneter frei¬
williger Verkehr größeren Gewinn bringen, als eine für
uns ſchmähliche Beraubung je abwerfen könnte. Dieſes
bitte ich zu erwägen, ehe Du zu den Waffen greifſt; denn
ohne Kampf wird es für Dich nicht ablaufen, was Du
anſtrebſt!“

Hatte Don Correa ſchon an der Art ihres Aufzuges
erkannt, daß er es mit einer gewiſſen Macht zu thun
hatte, die vielleicht nicht ungeſtraft zu unterſchätzen war,
ſo mußte er ſich jetzt ſagen, daß dieſelbe auch wußte, was
ſie wollte, und mit Vernunftgründen zu unterhandeln
fähig ſchien. Er änderte alſo ſchnell entſchloſſen ſeinen
Plan und ſagte:

„Da man uns beſtimmte und deutliche Anträge macht,
welche von ehrlichem Entgegenkommen zeugen, ſo iſt ge¬
nügender Grund vorhanden, hierüber Rath walten zu
zu laſſen. Ich bin bereit, bis zum Austrag der Sache
freie Verhandlung auf gleichem Fuße zu gewähren, und
behalte mir den endgültigen Entſchluß nach Umſtänden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0319" n="309"/>
als Dir ein freundliches Verhältniß zu uns gewähren<lb/>
kann. Schließe&#x017F;t Du ein Freund&#x017F;chaftsbündniß mit uns,<lb/>
das ich Dir anzutragen bevollmächtigt bin, &#x017F;o gewinn&#x017F;t<lb/>
Du eine &#x017F;tarke Vormauer und einen mächtigen Bei&#x017F;tand<lb/>
gegen alle übrigen Feinde, die Dir bereit &#x017F;tehen, und &#x017F;tatt<lb/>
un&#x017F;ere ungezählten Pfeile auf Dich gerichtet zu &#x017F;ehen,<lb/>
werden &#x017F;ie gegen Deine Feinde &#x017F;chwirren und Dir den<lb/>
Weg frei machen. Statt eines erzwungenen Tributes<lb/>
endlich wird Deinem Lande ein gegen&#x017F;eitig geordneter frei¬<lb/>
williger Verkehr größeren Gewinn bringen, als eine für<lb/>
uns &#x017F;chmähliche Beraubung je abwerfen könnte. Die&#x017F;es<lb/>
bitte ich zu erwägen, ehe Du zu den Waffen greif&#x017F;t; denn<lb/>
ohne Kampf wird es für Dich nicht ablaufen, was Du<lb/>
an&#x017F;treb&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
          <p>Hatte Don Correa &#x017F;chon an der Art ihres Aufzuges<lb/>
erkannt, daß er es mit einer gewi&#x017F;&#x017F;en Macht zu thun<lb/>
hatte, die vielleicht nicht unge&#x017F;traft zu unter&#x017F;chätzen war,<lb/>
&#x017F;o mußte er &#x017F;ich jetzt &#x017F;agen, daß die&#x017F;elbe auch wußte, was<lb/>
&#x017F;ie wollte, und mit Vernunftgründen zu unterhandeln<lb/>
fähig &#x017F;chien. Er änderte al&#x017F;o &#x017F;chnell ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;einen<lb/>
Plan und &#x017F;agte:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Da man uns be&#x017F;timmte und deutliche Anträge macht,<lb/>
welche von ehrlichem Entgegenkommen zeugen, &#x017F;o i&#x017F;t ge¬<lb/>
nügender Grund vorhanden, hierüber Rath walten zu<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en. Ich bin bereit, bis zum Austrag der Sache<lb/>
freie Verhandlung auf gleichem Fuße zu gewähren, und<lb/>
behalte mir den endgültigen Ent&#x017F;chluß nach Um&#x017F;tänden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0319] als Dir ein freundliches Verhältniß zu uns gewähren kann. Schließeſt Du ein Freundſchaftsbündniß mit uns, das ich Dir anzutragen bevollmächtigt bin, ſo gewinnſt Du eine ſtarke Vormauer und einen mächtigen Beiſtand gegen alle übrigen Feinde, die Dir bereit ſtehen, und ſtatt unſere ungezählten Pfeile auf Dich gerichtet zu ſehen, werden ſie gegen Deine Feinde ſchwirren und Dir den Weg frei machen. Statt eines erzwungenen Tributes endlich wird Deinem Lande ein gegenſeitig geordneter frei¬ williger Verkehr größeren Gewinn bringen, als eine für uns ſchmähliche Beraubung je abwerfen könnte. Dieſes bitte ich zu erwägen, ehe Du zu den Waffen greifſt; denn ohne Kampf wird es für Dich nicht ablaufen, was Du anſtrebſt!“ Hatte Don Correa ſchon an der Art ihres Aufzuges erkannt, daß er es mit einer gewiſſen Macht zu thun hatte, die vielleicht nicht ungeſtraft zu unterſchätzen war, ſo mußte er ſich jetzt ſagen, daß dieſelbe auch wußte, was ſie wollte, und mit Vernunftgründen zu unterhandeln fähig ſchien. Er änderte alſo ſchnell entſchloſſen ſeinen Plan und ſagte: „Da man uns beſtimmte und deutliche Anträge macht, welche von ehrlichem Entgegenkommen zeugen, ſo iſt ge¬ nügender Grund vorhanden, hierüber Rath walten zu zu laſſen. Ich bin bereit, bis zum Austrag der Sache freie Verhandlung auf gleichem Fuße zu gewähren, und behalte mir den endgültigen Entſchluß nach Umſtänden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/319
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/319>, abgerufen am 25.06.2024.