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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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wenn der Ausdruck bei einem solchen Herren und Kriegs¬
manne überhaupt angebracht ist, schmerzlich des pomp¬
haften Empfanges, den er dem bösen Weibe von Cercal
einst bereitet, und welch' trauriges Ende jene glänzenden
Vorbereitungen genommen.

Von dem Verlangen getrieben, über das Wesen und
Leben der Zambo im Kloster Näheres zu erfahren, eilte
er wieder hin und befragte die Stiftsvorsteherin eifrig
und sogar mit einer gewissen Heftigkeit, die über den
Rang und Stand des Mannes, wie über die Tragweite
der Sache fast hinauszugehen schien. Die alte Dame
mit ihrem goldenen Kreuz auf der Brust sah ihn
aus wohlgenährten Augenlidern blinzelnd aufmerksam an
und erzählte dann sehr gelassen nur Gutes von der
Negerin, wie sie die Maria nannte, trotzdem sie offenbar
keine war. Sie habe die portugiesische Sprache schon
ziemlich brauchen gelernt, sich still und gehorsam verhalten
und gern mit den weiblichen Arbeiten beschäftigt.

"Welche Arbeiten?" fragte Ton Correa, der wußte,
daß die Damen in diesem Stifte so wenig etwas thaten,
was man arbeiten nennen konnte, als diejenigen außer¬
halb desselben. Er fürchtete daher, das Mädchen möchte
zu niedrigen Arbeiten, wo nicht zum Sklavendienste ge¬
braucht worden und vielleicht deshalb entflohen sein. Allein
die Aebtissin fuhr ausweichend fort, allerlei Vortheilhaftes
von dem verschwundenen Kinde zu bekunden, und dem
Herrn wurde es nur immer bitterer und fast traurig zu

wenn der Ausdruck bei einem ſolchen Herren und Kriegs¬
manne überhaupt angebracht iſt, ſchmerzlich des pomp¬
haften Empfanges, den er dem böſen Weibe von Cercal
einſt bereitet, und welch' trauriges Ende jene glänzenden
Vorbereitungen genommen.

Von dem Verlangen getrieben, über das Weſen und
Leben der Zambo im Kloſter Näheres zu erfahren, eilte
er wieder hin und befragte die Stiftsvorſteherin eifrig
und ſogar mit einer gewiſſen Heftigkeit, die über den
Rang und Stand des Mannes, wie über die Tragweite
der Sache faſt hinauszugehen ſchien. Die alte Dame
mit ihrem goldenen Kreuz auf der Bruſt ſah ihn
aus wohlgenährten Augenlidern blinzelnd aufmerkſam an
und erzählte dann ſehr gelaſſen nur Gutes von der
Negerin, wie ſie die Maria nannte, trotzdem ſie offenbar
keine war. Sie habe die portugieſiſche Sprache ſchon
ziemlich brauchen gelernt, ſich ſtill und gehorſam verhalten
und gern mit den weiblichen Arbeiten beſchäftigt.

„Welche Arbeiten?“ fragte Ton Correa, der wußte,
daß die Damen in dieſem Stifte ſo wenig etwas thaten,
was man arbeiten nennen konnte, als diejenigen außer¬
halb desſelben. Er fürchtete daher, das Mädchen möchte
zu niedrigen Arbeiten, wo nicht zum Sklavendienſte ge¬
braucht worden und vielleicht deshalb entflohen ſein. Allein
die Aebtiſſin fuhr ausweichend fort, allerlei Vortheilhaftes
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[325/0335] wenn der Ausdruck bei einem ſolchen Herren und Kriegs¬ manne überhaupt angebracht iſt, ſchmerzlich des pomp¬ haften Empfanges, den er dem böſen Weibe von Cercal einſt bereitet, und welch' trauriges Ende jene glänzenden Vorbereitungen genommen. Von dem Verlangen getrieben, über das Weſen und Leben der Zambo im Kloſter Näheres zu erfahren, eilte er wieder hin und befragte die Stiftsvorſteherin eifrig und ſogar mit einer gewiſſen Heftigkeit, die über den Rang und Stand des Mannes, wie über die Tragweite der Sache faſt hinauszugehen ſchien. Die alte Dame mit ihrem goldenen Kreuz auf der Bruſt ſah ihn aus wohlgenährten Augenlidern blinzelnd aufmerkſam an und erzählte dann ſehr gelaſſen nur Gutes von der Negerin, wie ſie die Maria nannte, trotzdem ſie offenbar keine war. Sie habe die portugieſiſche Sprache ſchon ziemlich brauchen gelernt, ſich ſtill und gehorſam verhalten und gern mit den weiblichen Arbeiten beſchäftigt. „Welche Arbeiten?“ fragte Ton Correa, der wußte, daß die Damen in dieſem Stifte ſo wenig etwas thaten, was man arbeiten nennen konnte, als diejenigen außer¬ halb desſelben. Er fürchtete daher, das Mädchen möchte zu niedrigen Arbeiten, wo nicht zum Sklavendienſte ge¬ braucht worden und vielleicht deshalb entflohen ſein. Allein die Aebtiſſin fuhr ausweichend fort, allerlei Vortheilhaftes von dem verſchwundenen Kinde zu bekunden, und dem Herrn wurde es nur immer bitterer und faſt traurig zu

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/335>, abgerufen am 22.11.2024.