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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882.

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Schifferjungen anziehen und versah ihn reichlich mit Geld,
worauf er ihn südlich von der Bucht bei der St. Peters¬
insel in der Dunkelheit der Nacht an den Strand bringen
ließ. Mit aller Verwegenheit und Begeisterung eines
romantischen Knaben und der Freiheit froh, verlor sich
der kluge Bursche landeinwärts, indessen Don Correa
bald nachher auf das Cap St. Vincent lossteuerte, um
den Weg nach Lissabon vollends zurückzulegen. Von dort
aus dachte er dann mit oder ohne Nachricht des Knaben
weiter vorzugehen.

Es dauerte keinen Tag, so trieb sich Luis mit einer
Schachtel voll indianischer Schnurrpfeifereien in der Stadt
herum und bot überall seinen Kram zum Verkaufe an, wurde
aber allenthalben weiter geschickt, hier mit dem Unwillen
Derer, welche Pestkranke oder schon Todte hatten, dort
mit dem Gelächter und den Flüchen des gesund gebliebenen
Pöbels, der sich zechend, tanzend und singend in Schenken
und auf öffentlichen Plätzen herum trieb. Luis ließ sich
aber Nichts anfechten, sondern durchwanderte die Stadt
die Kreuz und Quere, bis er auf ein Nonnenkloster stieß,
welches dem Dominikaner-Orden angehörte. Es bestand
aus einem Haufen alter Gebäude und hoher Mauern,
die da und dort mit sarazenischen Fensterlöchern durch¬
brochen waren. Natürlich war ihm der Eintritt so
verschlossen, wie jedem andern Mannsbilde; nur in
die Kirche konnte er eintreten und bemerkte dort, daß
der Gottesdienst ungeregelt abgehalten wurde und das

Schifferjungen anziehen und verſah ihn reichlich mit Geld,
worauf er ihn ſüdlich von der Bucht bei der St. Peters¬
inſel in der Dunkelheit der Nacht an den Strand bringen
ließ. Mit aller Verwegenheit und Begeiſterung eines
romantiſchen Knaben und der Freiheit froh, verlor ſich
der kluge Burſche landeinwärts, indeſſen Don Correa
bald nachher auf das Cap St. Vincent losſteuerte, um
den Weg nach Liſſabon vollends zurückzulegen. Von dort
aus dachte er dann mit oder ohne Nachricht des Knaben
weiter vorzugehen.

Es dauerte keinen Tag, ſo trieb ſich Luis mit einer
Schachtel voll indianiſcher Schnurrpfeifereien in der Stadt
herum und bot überall ſeinen Kram zum Verkaufe an, wurde
aber allenthalben weiter geſchickt, hier mit dem Unwillen
Derer, welche Peſtkranke oder ſchon Todte hatten, dort
mit dem Gelächter und den Flüchen des geſund gebliebenen
Pöbels, der ſich zechend, tanzend und ſingend in Schenken
und auf öffentlichen Plätzen herum trieb. Luis ließ ſich
aber Nichts anfechten, ſondern durchwanderte die Stadt
die Kreuz und Quere, bis er auf ein Nonnenkloſter ſtieß,
welches dem Dominikaner-Orden angehörte. Es beſtand
aus einem Haufen alter Gebäude und hoher Mauern,
die da und dort mit ſarazeniſchen Fenſterlöchern durch¬
brochen waren. Natürlich war ihm der Eintritt ſo
verſchloſſen, wie jedem andern Mannsbilde; nur in
die Kirche konnte er eintreten und bemerkte dort, daß
der Gottesdienſt ungeregelt abgehalten wurde und das

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[329/0339] Schifferjungen anziehen und verſah ihn reichlich mit Geld, worauf er ihn ſüdlich von der Bucht bei der St. Peters¬ inſel in der Dunkelheit der Nacht an den Strand bringen ließ. Mit aller Verwegenheit und Begeiſterung eines romantiſchen Knaben und der Freiheit froh, verlor ſich der kluge Burſche landeinwärts, indeſſen Don Correa bald nachher auf das Cap St. Vincent losſteuerte, um den Weg nach Liſſabon vollends zurückzulegen. Von dort aus dachte er dann mit oder ohne Nachricht des Knaben weiter vorzugehen. Es dauerte keinen Tag, ſo trieb ſich Luis mit einer Schachtel voll indianiſcher Schnurrpfeifereien in der Stadt herum und bot überall ſeinen Kram zum Verkaufe an, wurde aber allenthalben weiter geſchickt, hier mit dem Unwillen Derer, welche Peſtkranke oder ſchon Todte hatten, dort mit dem Gelächter und den Flüchen des geſund gebliebenen Pöbels, der ſich zechend, tanzend und ſingend in Schenken und auf öffentlichen Plätzen herum trieb. Luis ließ ſich aber Nichts anfechten, ſondern durchwanderte die Stadt die Kreuz und Quere, bis er auf ein Nonnenkloſter ſtieß, welches dem Dominikaner-Orden angehörte. Es beſtand aus einem Haufen alter Gebäude und hoher Mauern, die da und dort mit ſarazeniſchen Fenſterlöchern durch¬ brochen waren. Natürlich war ihm der Eintritt ſo verſchloſſen, wie jedem andern Mannsbilde; nur in die Kirche konnte er eintreten und bemerkte dort, daß der Gottesdienſt ungeregelt abgehalten wurde und das

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/339>, abgerufen am 22.11.2024.