Ihre Ausdrucksweise dagegen kann ich nicht mit den länd¬ lichen Kleidern zusammen reimen, die Ihnen übrigens vor¬ trefflich stehen!"
"Nun, ich habe vielleicht nicht immer in diesen Kleidern gesteckt -- vielleicht auch doch! Jeder hat seine Geschichte und die meinige werde ich Ihnen bei dieser Gelegenheit nicht auf die Nase binden! Vielmehr beliebt es mir, Ihnen zu sagen, daß Sie mir wohl gefallen, ohne daß Sie wissen, wer ich bin, wie ich dazu komme, dies zu sagen, und ohne daß Sie einen Nutzen davon haben. So setzen Sie Ihren Weg fort als ein Schein für mich, wie ich als ein Schein für Sie hier zurückbleibe!"
Diese Grobheiten und seltsamen Schmeicheleien sagte die Dame nicht auf eine unangenehme Weise, sondern mit großem Liebreiz und einem fortwährenden Lächeln des rothen Mundes, und Reinhart enthielt sich nicht, endlich zu sagen: "Ich wollte, Sie blieben nun ganz bei der Stange und es beliebte Ihnen, Ihr schmeichelhaftes Wohl¬ gefallen auch mit einem Kusse zu bestätigen!"
"Wer weiß!" sagte sie, "in Betracht, daß ich in voll¬ kommenem Belieben Sie küssen würde und nicht Sie mich, könnte es mir vielleicht einfallen, damit Sie zum Dank für die angenehme Unterhaltung mit dem Schimpf davon reiten, geküßt worden zu sein, wie ein kleines Mädchen!"
"Thun Sie mir diesen Schimpf an!"
"Wollen Sie still halten?"
"Das werden Sie sehen!"
Ihre Ausdrucksweiſe dagegen kann ich nicht mit den länd¬ lichen Kleidern zuſammen reimen, die Ihnen übrigens vor¬ trefflich ſtehen!“
„Nun, ich habe vielleicht nicht immer in dieſen Kleidern geſteckt — vielleicht auch doch! Jeder hat ſeine Geſchichte und die meinige werde ich Ihnen bei dieſer Gelegenheit nicht auf die Naſe binden! Vielmehr beliebt es mir, Ihnen zu ſagen, daß Sie mir wohl gefallen, ohne daß Sie wiſſen, wer ich bin, wie ich dazu komme, dies zu ſagen, und ohne daß Sie einen Nutzen davon haben. So ſetzen Sie Ihren Weg fort als ein Schein für mich, wie ich als ein Schein für Sie hier zurückbleibe!“
Dieſe Grobheiten und ſeltſamen Schmeicheleien ſagte die Dame nicht auf eine unangenehme Weiſe, ſondern mit großem Liebreiz und einem fortwährenden Lächeln des rothen Mundes, und Reinhart enthielt ſich nicht, endlich zu ſagen: „Ich wollte, Sie blieben nun ganz bei der Stange und es beliebte Ihnen, Ihr ſchmeichelhaftes Wohl¬ gefallen auch mit einem Kuſſe zu beſtätigen!“
„Wer weiß!“ ſagte ſie, „in Betracht, daß ich in voll¬ kommenem Belieben Sie küſſen würde und nicht Sie mich, könnte es mir vielleicht einfallen, damit Sie zum Dank für die angenehme Unterhaltung mit dem Schimpf davon reiten, geküßt worden zu ſein, wie ein kleines Mädchen!“
„Thun Sie mir dieſen Schimpf an!“
„Wollen Sie ſtill halten?“
„Das werden Sie ſehen!“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0035"n="25"/>
Ihre Ausdrucksweiſe dagegen kann ich nicht mit den länd¬<lb/>
lichen Kleidern zuſammen reimen, die Ihnen übrigens vor¬<lb/>
trefflich ſtehen!“</p><lb/><p>„Nun, ich habe vielleicht nicht immer in dieſen Kleidern<lb/>
geſteckt — vielleicht auch doch! Jeder hat ſeine Geſchichte<lb/>
und die meinige werde ich Ihnen bei dieſer Gelegenheit<lb/>
nicht auf die Naſe binden! Vielmehr beliebt es mir,<lb/>
Ihnen zu ſagen, daß Sie mir wohl gefallen, ohne daß<lb/>
Sie wiſſen, wer ich bin, wie ich dazu komme, dies zu<lb/>ſagen, und ohne daß Sie einen Nutzen davon haben. So<lb/>ſetzen Sie Ihren Weg fort als ein Schein für mich, wie<lb/>
ich als ein Schein für Sie hier zurückbleibe!“</p><lb/><p>Dieſe Grobheiten und ſeltſamen Schmeicheleien ſagte<lb/>
die Dame nicht auf eine unangenehme Weiſe, ſondern mit<lb/>
großem Liebreiz und einem fortwährenden Lächeln des<lb/>
rothen Mundes, und Reinhart enthielt ſich nicht, endlich<lb/>
zu ſagen: „Ich wollte, Sie blieben nun ganz bei der<lb/>
Stange und es beliebte Ihnen, Ihr ſchmeichelhaftes Wohl¬<lb/>
gefallen auch mit einem Kuſſe zu beſtätigen!“</p><lb/><p>„Wer weiß!“ſagte ſie, „in Betracht, daß ich in voll¬<lb/>
kommenem Belieben Sie küſſen würde und nicht Sie mich,<lb/>
könnte es mir vielleicht einfallen, damit Sie zum Dank<lb/>
für die angenehme Unterhaltung mit dem Schimpf davon<lb/>
reiten, geküßt worden zu ſein, wie ein kleines Mädchen!“<lb/></p><p>„Thun Sie mir dieſen Schimpf an!“<lb/></p><p>„Wollen Sie ſtill halten?“<lb/></p><p>„Das werden Sie ſehen!“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[25/0035]
Ihre Ausdrucksweiſe dagegen kann ich nicht mit den länd¬
lichen Kleidern zuſammen reimen, die Ihnen übrigens vor¬
trefflich ſtehen!“
„Nun, ich habe vielleicht nicht immer in dieſen Kleidern
geſteckt — vielleicht auch doch! Jeder hat ſeine Geſchichte
und die meinige werde ich Ihnen bei dieſer Gelegenheit
nicht auf die Naſe binden! Vielmehr beliebt es mir,
Ihnen zu ſagen, daß Sie mir wohl gefallen, ohne daß
Sie wiſſen, wer ich bin, wie ich dazu komme, dies zu
ſagen, und ohne daß Sie einen Nutzen davon haben. So
ſetzen Sie Ihren Weg fort als ein Schein für mich, wie
ich als ein Schein für Sie hier zurückbleibe!“
Dieſe Grobheiten und ſeltſamen Schmeicheleien ſagte
die Dame nicht auf eine unangenehme Weiſe, ſondern mit
großem Liebreiz und einem fortwährenden Lächeln des
rothen Mundes, und Reinhart enthielt ſich nicht, endlich
zu ſagen: „Ich wollte, Sie blieben nun ganz bei der
Stange und es beliebte Ihnen, Ihr ſchmeichelhaftes Wohl¬
gefallen auch mit einem Kuſſe zu beſtätigen!“
„Wer weiß!“ ſagte ſie, „in Betracht, daß ich in voll¬
kommenem Belieben Sie küſſen würde und nicht Sie mich,
könnte es mir vielleicht einfallen, damit Sie zum Dank
für die angenehme Unterhaltung mit dem Schimpf davon
reiten, geküßt worden zu ſein, wie ein kleines Mädchen!“
„Thun Sie mir dieſen Schimpf an!“
„Wollen Sie ſtill halten?“
„Das werden Sie ſehen!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/35>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.