sie wünschte keinen herrlicheren Mann zu bekommen. Allein es wollte sich lange nicht fügen, daß die geringste ernst¬ hafte Beziehung sich bildete; der Meister Drogo (wie ihn seine Eltern närrischer Weise hatten taufen lassen) trieb immer nur Komödie, und sie desgleichen, da sie nichts anderes anzufangen wußte, bis seine eigene Narrheit ihr plötzlich zu einem verzweifelten Einfall verhalf.
Im Garten hinter dem Hause gab es eine dichte Laube, die außerdem noch von Gebüschen umgeben war. Dorthin verlockte Drogo eines Abends, als schon die Sterne am Himmel glänzten, die muthwillige Gesellschaft, indem er sich stellte, als ob er vorsichtig der Salome nachschliche und eine geheime Zusammenkunft mit ihr in's Werk setzte. Er glaubte, sie sei schmollend schlafen gegangen, da sie sich den ganzen Abend derb geneckt hatten, und wußte es nun so gut zu machen, daß die Leute wirklich getäuscht wurden und meinten, er wolle sich unbemerkt nach der Laube hinstehlen. Sie winkten einander listig und schlichen ihm eben so pfiffig nach, als er voranhuschte, und als er in die dunkle Laube schlüpfte, umringten sie sachte das grüne Gezelt, um das Liebespaar zu belauschen und zu überfallen; denn es Pflegte eben nicht sehr zartsinnig zu¬ zugehen.
Als Junker Drogo nun drinn saß und merkte, daß die Lauscher sich nach Wunsch aufgestellt hatten, begann er, dieselben zu äffen und neidisch zu machen, indem er ein trauliches Geflüster nachahmte, wie wenn zwei Liebende
ſie wünſchte keinen herrlicheren Mann zu bekommen. Allein es wollte ſich lange nicht fügen, daß die geringſte ernſt¬ hafte Beziehung ſich bildete; der Meiſter Drogo (wie ihn ſeine Eltern närriſcher Weiſe hatten taufen laſſen) trieb immer nur Komödie, und ſie desgleichen, da ſie nichts anderes anzufangen wußte, bis ſeine eigene Narrheit ihr plötzlich zu einem verzweifelten Einfall verhalf.
Im Garten hinter dem Hauſe gab es eine dichte Laube, die außerdem noch von Gebüſchen umgeben war. Dorthin verlockte Drogo eines Abends, als ſchon die Sterne am Himmel glänzten, die muthwillige Geſellſchaft, indem er ſich ſtellte, als ob er vorſichtig der Salome nachſchliche und eine geheime Zuſammenkunft mit ihr in's Werk ſetzte. Er glaubte, ſie ſei ſchmollend ſchlafen gegangen, da ſie ſich den ganzen Abend derb geneckt hatten, und wußte es nun ſo gut zu machen, daß die Leute wirklich getäuſcht wurden und meinten, er wolle ſich unbemerkt nach der Laube hinſtehlen. Sie winkten einander liſtig und ſchlichen ihm eben ſo pfiffig nach, als er voranhuſchte, und als er in die dunkle Laube ſchlüpfte, umringten ſie ſachte das grüne Gezelt, um das Liebespaar zu belauſchen und zu überfallen; denn es Pflegte eben nicht ſehr zartſinnig zu¬ zugehen.
Als Junker Drogo nun drinn ſaß und merkte, daß die Lauſcher ſich nach Wunſch aufgeſtellt hatten, begann er, dieſelben zu äffen und neidiſch zu machen, indem er ein trauliches Geflüſter nachahmte, wie wenn zwei Liebende
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ſie wünſchte keinen herrlicheren Mann zu bekommen. Allein
es wollte ſich lange nicht fügen, daß die geringſte ernſt¬
hafte Beziehung ſich bildete; der Meiſter Drogo (wie ihn
ſeine Eltern närriſcher Weiſe hatten taufen laſſen) trieb
immer nur Komödie, und ſie desgleichen, da ſie nichts
anderes anzufangen wußte, bis ſeine eigene Narrheit ihr
plötzlich zu einem verzweifelten Einfall verhalf.
Im Garten hinter dem Hauſe gab es eine dichte Laube,
die außerdem noch von Gebüſchen umgeben war. Dorthin
verlockte Drogo eines Abends, als ſchon die Sterne am
Himmel glänzten, die muthwillige Geſellſchaft, indem er
ſich ſtellte, als ob er vorſichtig der Salome nachſchliche
und eine geheime Zuſammenkunft mit ihr in's Werk ſetzte.
Er glaubte, ſie ſei ſchmollend ſchlafen gegangen, da ſie
ſich den ganzen Abend derb geneckt hatten, und wußte es
nun ſo gut zu machen, daß die Leute wirklich getäuſcht
wurden und meinten, er wolle ſich unbemerkt nach der
Laube hinſtehlen. Sie winkten einander liſtig und ſchlichen
ihm eben ſo pfiffig nach, als er voranhuſchte, und als er
in die dunkle Laube ſchlüpfte, umringten ſie ſachte das
grüne Gezelt, um das Liebespaar zu belauſchen und zu
überfallen; denn es Pflegte eben nicht ſehr zartſinnig zu¬
zugehen.
Als Junker Drogo nun drinn ſaß und merkte, daß
die Lauſcher ſich nach Wunſch aufgeſtellt hatten, begann
er, dieſelben zu äffen und neidiſch zu machen, indem er
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Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/62>, abgerufen am 25.11.2024.
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