Herren darin, in Verbindung mit den Bewohnern und Gästen umliegender Häuser, das Waldhorn zum Sammel¬ platz auf Jagd- und Streifzügen zu wählen, dort Tage und Nächte lang zu liegen und der schönen Wirthstochter den Hof zu machen. Die wußte sich denn auch unter ihnen zu bewegen, daß es eine Art hatte und die Eltern vor Bewunderung außer sich geriethen.
Da war nun auch ein junger Städter oft bei uns, ein hübsches aber durchaus unnützes Bürschchen, das von ein wenig Schule und Schliff abgesehen beinah so thöricht war, wie die Dame im Waldhorn. Reich, übermüthig und ein ganz verzogenes Muttersöhnchen, gab er, so leer sein Kopf an guten Dingen war, um so vorlauter in allen Narrheiten den Ton an und war hauptsächlich im Waldhorn der erste und der letzte. Dies zu sein, war ihm auch Ehrensache, und wenn er einen Streich nicht angegeben hatte oder in den Zusammenkünften nicht die Hauptrolle spielte, so fragte er nichts darnach und that, als sähe er nichts, statt mit zu lachen. Am meisten machte er sich mit der Salome zu schaffen, belagerte sie unauf¬ hörlich, behauptete, sie sei in ihn verliebt und er wolle sich besinnen, ob er um sie anhalten wolle, was selbst¬ verständlich alles nur Scherz sein sollte. Sie widersprach ihm eben so unaufhörlich mit spitzigen Spottreden, die mehr grob als launig ausfielen, versicherte, sie könne ihn nicht ausstehen, und war inzwischen begierig, wie sie ihn an sich festbinden werde, woran sie nicht zweifelte; denn
4*
Herren darin, in Verbindung mit den Bewohnern und Gäſten umliegender Häuſer, das Waldhorn zum Sammel¬ platz auf Jagd- und Streifzügen zu wählen, dort Tage und Nächte lang zu liegen und der ſchönen Wirthstochter den Hof zu machen. Die wußte ſich denn auch unter ihnen zu bewegen, daß es eine Art hatte und die Eltern vor Bewunderung außer ſich geriethen.
Da war nun auch ein junger Städter oft bei uns, ein hübſches aber durchaus unnützes Bürſchchen, das von ein wenig Schule und Schliff abgeſehen beinah ſo thöricht war, wie die Dame im Waldhorn. Reich, übermüthig und ein ganz verzogenes Mutterſöhnchen, gab er, ſo leer ſein Kopf an guten Dingen war, um ſo vorlauter in allen Narrheiten den Ton an und war hauptſächlich im Waldhorn der erſte und der letzte. Dies zu ſein, war ihm auch Ehrenſache, und wenn er einen Streich nicht angegeben hatte oder in den Zuſammenkünften nicht die Hauptrolle ſpielte, ſo fragte er nichts darnach und that, als ſähe er nichts, ſtatt mit zu lachen. Am meiſten machte er ſich mit der Salome zu ſchaffen, belagerte ſie unauf¬ hörlich, behauptete, ſie ſei in ihn verliebt und er wolle ſich beſinnen, ob er um ſie anhalten wolle, was ſelbſt¬ verſtändlich alles nur Scherz ſein ſollte. Sie widerſprach ihm eben ſo unaufhörlich mit ſpitzigen Spottreden, die mehr grob als launig ausfielen, verſicherte, ſie könne ihn nicht ausſtehen, und war inzwiſchen begierig, wie ſie ihn an ſich feſtbinden werde, woran ſie nicht zweifelte; denn
4*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0061"n="51"/>
Herren darin, in Verbindung mit den Bewohnern und<lb/>
Gäſten umliegender Häuſer, das Waldhorn zum Sammel¬<lb/>
platz auf Jagd- und Streifzügen zu wählen, dort Tage<lb/>
und Nächte lang zu liegen und der ſchönen Wirthstochter<lb/>
den Hof zu machen. Die wußte ſich denn auch unter<lb/>
ihnen zu bewegen, daß es eine Art hatte und die Eltern<lb/>
vor Bewunderung außer ſich geriethen.</p><lb/><p>Da war nun auch ein junger Städter oft bei uns, ein<lb/>
hübſches aber durchaus unnützes Bürſchchen, das von ein<lb/>
wenig Schule und Schliff abgeſehen beinah ſo thöricht<lb/>
war, wie die Dame im Waldhorn. Reich, übermüthig<lb/>
und ein ganz verzogenes Mutterſöhnchen, gab er, ſo leer<lb/>ſein Kopf an guten Dingen war, um ſo vorlauter in<lb/>
allen Narrheiten den Ton an und war hauptſächlich im<lb/>
Waldhorn der erſte und der letzte. Dies zu ſein, war<lb/>
ihm auch Ehrenſache, und wenn er einen Streich nicht<lb/>
angegeben hatte oder in den Zuſammenkünften nicht die<lb/>
Hauptrolle ſpielte, ſo fragte er nichts darnach und that,<lb/>
als ſähe er nichts, ſtatt mit zu lachen. Am meiſten machte<lb/>
er ſich mit der Salome zu ſchaffen, belagerte ſie unauf¬<lb/>
hörlich, behauptete, ſie ſei in ihn verliebt und er wolle<lb/>ſich beſinnen, ob er um ſie anhalten wolle, was ſelbſt¬<lb/>
verſtändlich alles nur Scherz ſein ſollte. Sie widerſprach<lb/>
ihm eben ſo unaufhörlich mit ſpitzigen Spottreden, die<lb/>
mehr grob als launig ausfielen, verſicherte, ſie könne ihn<lb/>
nicht ausſtehen, und war inzwiſchen begierig, wie ſie ihn<lb/>
an ſich feſtbinden werde, woran ſie nicht zweifelte; denn<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4*<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[51/0061]
Herren darin, in Verbindung mit den Bewohnern und
Gäſten umliegender Häuſer, das Waldhorn zum Sammel¬
platz auf Jagd- und Streifzügen zu wählen, dort Tage
und Nächte lang zu liegen und der ſchönen Wirthstochter
den Hof zu machen. Die wußte ſich denn auch unter
ihnen zu bewegen, daß es eine Art hatte und die Eltern
vor Bewunderung außer ſich geriethen.
Da war nun auch ein junger Städter oft bei uns, ein
hübſches aber durchaus unnützes Bürſchchen, das von ein
wenig Schule und Schliff abgeſehen beinah ſo thöricht
war, wie die Dame im Waldhorn. Reich, übermüthig
und ein ganz verzogenes Mutterſöhnchen, gab er, ſo leer
ſein Kopf an guten Dingen war, um ſo vorlauter in
allen Narrheiten den Ton an und war hauptſächlich im
Waldhorn der erſte und der letzte. Dies zu ſein, war
ihm auch Ehrenſache, und wenn er einen Streich nicht
angegeben hatte oder in den Zuſammenkünften nicht die
Hauptrolle ſpielte, ſo fragte er nichts darnach und that,
als ſähe er nichts, ſtatt mit zu lachen. Am meiſten machte
er ſich mit der Salome zu ſchaffen, belagerte ſie unauf¬
hörlich, behauptete, ſie ſei in ihn verliebt und er wolle
ſich beſinnen, ob er um ſie anhalten wolle, was ſelbſt¬
verſtändlich alles nur Scherz ſein ſollte. Sie widerſprach
ihm eben ſo unaufhörlich mit ſpitzigen Spottreden, die
mehr grob als launig ausfielen, verſicherte, ſie könne ihn
nicht ausſtehen, und war inzwiſchen begierig, wie ſie ihn
an ſich feſtbinden werde, woran ſie nicht zweifelte; denn
4*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Das Sinngedicht. Berlin, 1882, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_sinngedicht_1882/61>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.