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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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"bis zum Schwur trieb. Als sie den Eid abgelegt hatte,
"sagte sie zu mir: "Dieser Schwur soll auf deine Seele
"fallen." Von nun an hatte ich keine Ruhe. Der Teufel
"blendete mich, und ich ging lange mit dem Gedanken
"um, das Weibsbild zu ermorden, doch kam es nicht
"dazu. Ich ließ mich mit andern Weibsbildern ein und
"dachte nachher nicht mehr viel an sie und an das Kind.
"Es wurde wieder ein Mädchen von mir schwanger, was
"ich abermals abläugnete, ich trieb auch sie zum Eid,
"den sie aber nicht abschwur, weil sie auch mit Andern
"eingehalten hatte; da sie auch sonst schlecht war, be-
"unruhigte mich das nicht sehr. Inzwischen kam ich
"immer tiefer in die Liederlichkeit hinein, ergab mich
"dem Trunk und betrog, wo ich nur immer Gelegenheit
"fand. Oft zwar regte sich das Gewissen, die Unruhe
"aber trieb mich in die Wirthshäuser und da versoff ich
"die Qual. War ich im Rausch, so fing ich Schlag-
"händel an. Einmal war dieß in Kirchberg beim Staffel-
"wirth, da schlug ich den Beßten von meinen Sauf-
"kameraden nieder. Er blieb zwar nicht todt auf dem
"Platze, starb jedoch bald darauf an den Schlägen,
"die er von mir erhalten hatte. Untersucht ist dieser
"Handel nicht worden; wie der Camerad hieß, weiß ich
"nicht gewiß, ich denke, er nannte sich Michel Diller. Hat
"mich auch das Gewissen nie in Ruhe gelassen, so habe
"ich doch niemals, was ich that, bereut. Ich ging zwar
"zuweilen zum Nachtmahl, bekannte und bereute aber meine
"Sünden weder vorher noch nachher. Ich soff nur um so
"stärker. Einst stahl ich auch einem Mühlknecht die Sack-
"uhr, Niemand aber dachte daran, daß ich es gethan
"haben könne, ich verkaufte sie um ein Spottgeld, das ich
"sogleich verputzte. In der Mühle betrog ich die Kunden
"beständig, doch habe ich auch etwas Gutes gethan, weil
"ich von dem gestohlenen Mehl zuweilen den Armen gab."

Auf die ihm gemachte Bemerkung, daß er damit nichts
Gutes gethan habe, da er den Armen nicht von dem Sei-

„bis zum Schwur trieb. Als ſie den Eid abgelegt hatte,
„ſagte ſie zu mir: „Dieſer Schwur ſoll auf deine Seele
„fallen.“ Von nun an hatte ich keine Ruhe. Der Teufel
„blendete mich, und ich ging lange mit dem Gedanken
„um, das Weibsbild zu ermorden, doch kam es nicht
„dazu. Ich ließ mich mit andern Weibsbildern ein und
„dachte nachher nicht mehr viel an ſie und an das Kind.
„Es wurde wieder ein Mädchen von mir ſchwanger, was
„ich abermals abläugnete, ich trieb auch ſie zum Eid,
„den ſie aber nicht abſchwur, weil ſie auch mit Andern
„eingehalten hatte; da ſie auch ſonſt ſchlecht war, be-
„unruhigte mich das nicht ſehr. Inzwiſchen kam ich
„immer tiefer in die Liederlichkeit hinein, ergab mich
„dem Trunk und betrog, wo ich nur immer Gelegenheit
„fand. Oft zwar regte ſich das Gewiſſen, die Unruhe
„aber trieb mich in die Wirthshäuſer und da verſoff ich
„die Qual. War ich im Rauſch, ſo fing ich Schlag-
„händel an. Einmal war dieß in Kirchberg beim Staffel-
„wirth, da ſchlug ich den Beßten von meinen Sauf-
„kameraden nieder. Er blieb zwar nicht todt auf dem
„Platze, ſtarb jedoch bald darauf an den Schlägen,
„die er von mir erhalten hatte. Unterſucht iſt dieſer
„Handel nicht worden; wie der Camerad hieß, weiß ich
„nicht gewiß, ich denke, er nannte ſich Michel Diller. Hat
„mich auch das Gewiſſen nie in Ruhe gelaſſen, ſo habe
„ich doch niemals, was ich that, bereut. Ich ging zwar
„zuweilen zum Nachtmahl, bekannte und bereute aber meine
„Sünden weder vorher noch nachher. Ich ſoff nur um ſo
„ſtärker. Einſt ſtahl ich auch einem Mühlknecht die Sack-
„uhr, Niemand aber dachte daran, daß ich es gethan
„haben könne, ich verkaufte ſie um ein Spottgeld, das ich
„ſogleich verputzte. In der Mühle betrog ich die Kunden
„beſtändig, doch habe ich auch etwas Gutes gethan, weil
„ich von dem geſtohlenen Mehl zuweilen den Armen gab.“

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Gutes gethan habe, da er den Armen nicht von dem Sei-

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[91/0105] „bis zum Schwur trieb. Als ſie den Eid abgelegt hatte, „ſagte ſie zu mir: „Dieſer Schwur ſoll auf deine Seele „fallen.“ Von nun an hatte ich keine Ruhe. Der Teufel „blendete mich, und ich ging lange mit dem Gedanken „um, das Weibsbild zu ermorden, doch kam es nicht „dazu. Ich ließ mich mit andern Weibsbildern ein und „dachte nachher nicht mehr viel an ſie und an das Kind. „Es wurde wieder ein Mädchen von mir ſchwanger, was „ich abermals abläugnete, ich trieb auch ſie zum Eid, „den ſie aber nicht abſchwur, weil ſie auch mit Andern „eingehalten hatte; da ſie auch ſonſt ſchlecht war, be- „unruhigte mich das nicht ſehr. Inzwiſchen kam ich „immer tiefer in die Liederlichkeit hinein, ergab mich „dem Trunk und betrog, wo ich nur immer Gelegenheit „fand. Oft zwar regte ſich das Gewiſſen, die Unruhe „aber trieb mich in die Wirthshäuſer und da verſoff ich „die Qual. War ich im Rauſch, ſo fing ich Schlag- „händel an. Einmal war dieß in Kirchberg beim Staffel- „wirth, da ſchlug ich den Beßten von meinen Sauf- „kameraden nieder. Er blieb zwar nicht todt auf dem „Platze, ſtarb jedoch bald darauf an den Schlägen, „die er von mir erhalten hatte. Unterſucht iſt dieſer „Handel nicht worden; wie der Camerad hieß, weiß ich „nicht gewiß, ich denke, er nannte ſich Michel Diller. Hat „mich auch das Gewiſſen nie in Ruhe gelaſſen, ſo habe „ich doch niemals, was ich that, bereut. Ich ging zwar „zuweilen zum Nachtmahl, bekannte und bereute aber meine „Sünden weder vorher noch nachher. Ich ſoff nur um ſo „ſtärker. Einſt ſtahl ich auch einem Mühlknecht die Sack- „uhr, Niemand aber dachte daran, daß ich es gethan „haben könne, ich verkaufte ſie um ein Spottgeld, das ich „ſogleich verputzte. In der Mühle betrog ich die Kunden „beſtändig, doch habe ich auch etwas Gutes gethan, weil „ich von dem geſtohlenen Mehl zuweilen den Armen gab.“ Auf die ihm gemachte Bemerkung, daß er damit nichts Gutes gethan habe, da er den Armen nicht von dem Sei-

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/105>, abgerufen am 21.11.2024.