Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.aus einer höhern Entwicklung der Sensibilität hervor, als Auf gleiche Weise kann aber auch die Reproductions- Der Unterschied beyder von unserer Natur muß sich gleich- In der Uebermacht der Sensibilität löst sich die In der Uebermacht der Reproduction löst sich In Hinsicht der moralischen Ordnung weisen uns aus einer höhern Entwicklung der Senſibilität hervor, als Auf gleiche Weiſe kann aber auch die Reproductions- Der Unterſchied beyder von unſerer Natur muß ſich gleich- In der Uebermacht der Senſibilität löst ſich die In der Uebermacht der Reproduction löst ſich In Hinſicht der moraliſchen Ordnung weiſen uns <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0139" n="125"/> aus einer höhern Entwicklung der Senſibilität hervor, als<lb/> es die gewöhnliche Proportion mit ſich bringt.</p><lb/> <p>Auf gleiche Weiſe kann aber auch <hi rendition="#g">die Reproductions-<lb/> kraft</hi> die Gränze der Proportion überſchreiten, ſo daß in<lb/> ihrer Uebermacht die höhern Kräfte ihrer Wirkſamkeit ver-<lb/> ſchwinden. In dieſem Zuſtand hört alle Plaſtik auf, ſich<lb/> in organiſch-leiblicher Form zu geſtalten. Es ſind bloſe<lb/> Scheinkörper, die durch die atomiſtiſche Kraft ſich eben ſo<lb/> leicht bilden als wieder zerfallen. Hieher gehört das Reich der<lb/> Verwandlungen, wo kein feſtes Gebilde ſich mehr findet. Es<lb/> iſt ein ewiges Reproduziren und Wiedervergehen der Ge-<lb/> ſtalten, etwa wie wir in der mikroſkopiſchen Welt der In-<lb/> fuſionsthierchen wahrnehmen.</p><lb/> <p>Der Unterſchied beyder von unſerer Natur muß ſich gleich-<lb/> falls in weſentlichen Charakteren darſtellen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">In der Uebermacht der Senſibilität</hi> löst ſich die<lb/> leiblich-organiſirte Maſſe auf. <hi rendition="#g">Der Leib wird ganz<lb/> Sinn</hi>. Der Nervengeiſt verklärt ſich zum Aug, das aber<lb/> nicht nur Irdiſches, ſondern Himmliſches ſchaut. Zeugung,<lb/> Empfängniß und Geburt verlieren ihren organiſchen Beſtand,<lb/> oder vielmehr, die leibliche Zeugung wird geiſtige Zeugung,<lb/> alle Geſtalten werden Ideale in der helleſten Klarheit und<lb/> das Wirkliche erhebt ſich zum Schönen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">In der Uebermacht der Reproduction</hi> löst ſich<lb/> gleichfalls die leibliche organiſirte Maſſe auf, denn Fleiſch<lb/> und Blut erzeugen ſich nur da, wo die organiſchen Kräfte<lb/> eine Proportion eingehen. <hi rendition="#g">Die Leiblichkeit erſcheint<lb/> als bloſer Trieb</hi>. Der Nervengeiſt behält blos noch<lb/> das Vermögen, ſich einen atomiſtiſchen Leib oder vielmehr<lb/> einen Scheinkörper anzubilden. Zeugung, Empfängniß und<lb/> Geburt verlieren ſich gleichfalls: denn Samen entſteht nur,<lb/> wo Fleiſch und Blut iſt. Es bleibt nichts übrig, als der<lb/> faule Verweſungsgeruch und Dunſt. Alle Geſtalten werden<lb/> Scheuſale, die ſich im Nebel figuriren, und das Wirkliche<lb/> ſinkt ins Häßliche zurück.</p><lb/> <p>In Hinſicht <hi rendition="#g">der moraliſchen Ordnung</hi> weiſen uns<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [125/0139]
aus einer höhern Entwicklung der Senſibilität hervor, als
es die gewöhnliche Proportion mit ſich bringt.
Auf gleiche Weiſe kann aber auch die Reproductions-
kraft die Gränze der Proportion überſchreiten, ſo daß in
ihrer Uebermacht die höhern Kräfte ihrer Wirkſamkeit ver-
ſchwinden. In dieſem Zuſtand hört alle Plaſtik auf, ſich
in organiſch-leiblicher Form zu geſtalten. Es ſind bloſe
Scheinkörper, die durch die atomiſtiſche Kraft ſich eben ſo
leicht bilden als wieder zerfallen. Hieher gehört das Reich der
Verwandlungen, wo kein feſtes Gebilde ſich mehr findet. Es
iſt ein ewiges Reproduziren und Wiedervergehen der Ge-
ſtalten, etwa wie wir in der mikroſkopiſchen Welt der In-
fuſionsthierchen wahrnehmen.
Der Unterſchied beyder von unſerer Natur muß ſich gleich-
falls in weſentlichen Charakteren darſtellen.
In der Uebermacht der Senſibilität löst ſich die
leiblich-organiſirte Maſſe auf. Der Leib wird ganz
Sinn. Der Nervengeiſt verklärt ſich zum Aug, das aber
nicht nur Irdiſches, ſondern Himmliſches ſchaut. Zeugung,
Empfängniß und Geburt verlieren ihren organiſchen Beſtand,
oder vielmehr, die leibliche Zeugung wird geiſtige Zeugung,
alle Geſtalten werden Ideale in der helleſten Klarheit und
das Wirkliche erhebt ſich zum Schönen.
In der Uebermacht der Reproduction löst ſich
gleichfalls die leibliche organiſirte Maſſe auf, denn Fleiſch
und Blut erzeugen ſich nur da, wo die organiſchen Kräfte
eine Proportion eingehen. Die Leiblichkeit erſcheint
als bloſer Trieb. Der Nervengeiſt behält blos noch
das Vermögen, ſich einen atomiſtiſchen Leib oder vielmehr
einen Scheinkörper anzubilden. Zeugung, Empfängniß und
Geburt verlieren ſich gleichfalls: denn Samen entſteht nur,
wo Fleiſch und Blut iſt. Es bleibt nichts übrig, als der
faule Verweſungsgeruch und Dunſt. Alle Geſtalten werden
Scheuſale, die ſich im Nebel figuriren, und das Wirkliche
ſinkt ins Häßliche zurück.
In Hinſicht der moraliſchen Ordnung weiſen uns
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