die Analogieen noch bestimmter auf eine Unnatur und Ueber- natur hin.
Das freie Princip, welches den menschlichen Willen beseelt, ist als eine Gabe Gottes und als Funke aus sei- nem Wesen unendlicher Natur und erkennt keine Gränze im menschlichen Daseyn, d. h. es ist unsterblich. Wie nun der gute Wille sich durch Reinigung und Läuterung zur Liebe Gottes verklären kann, so kann der böse Wille durch Laster und Sünden sich zur satanischen Selbstsucht vertiefen. Jenes ist die Theilnahme an der Uebernatur, die- ses die Theilnahme an der Unnatur.
Die Freiheit und innere Causalität ist nichts ohne einen Willen, in dem sie ist und aus dem sie wirkt, und der Wille kann nicht bestehen ohne Persönlichkeit. Der freie Wille ist seiner Natur nach konkret und nicht abstract; denn dadurch, daß er den Begriff ins Leben führt und zur That macht, hebt er alle Abstraction auf. Ein unpersönlicher Wille ist ein Unding. Durch den Willen aber wird das Böse eine Macht, und es ist ganz falsch, wenn Hegel das Böse als eine Nichtigkeit (logische Negation) betrachtet, welche der Geist abstreifen könne. Vielmehr ist in der Bosheit eine um so größere Kraft, je mehr sie an der Unnatur Theil nimmt.
Die moralischen Extreme sind das Gute, gesteigert zum Leben der Liebe und der Tugend, und das Böse, gesteigert zum Leben des Hasses und der Selbst- sucht. Wenn es wahr ist, was uns hundert Protocolle aus den freien Geständnissen der dem Zauber ergebenen Personen erzählen, daß es einen förmlichen Bund mit dem Satan gebe, so würde das Extrem des Bösen diese förmliche Theilnahme an der Unnatur seyn, das andere Extrem hingegen wäre die Heiligung des Lebens in dem Bund mit Christo. An beyden Gränzen müßten sich Kräfte erzeugen, welche auf den Zusammenhang der Vernunft- und Natur- gesetze störend eingreifen, nur mit dem Unterschied, daß
die Analogieen noch beſtimmter auf eine Unnatur und Ueber- natur hin.
Das freie Princip, welches den menſchlichen Willen beſeelt, iſt als eine Gabe Gottes und als Funke aus ſei- nem Weſen unendlicher Natur und erkennt keine Gränze im menſchlichen Daſeyn, d. h. es iſt unſterblich. Wie nun der gute Wille ſich durch Reinigung und Läuterung zur Liebe Gottes verklären kann, ſo kann der böſe Wille durch Laſter und Sünden ſich zur ſataniſchen Selbſtſucht vertiefen. Jenes iſt die Theilnahme an der Uebernatur, die- ſes die Theilnahme an der Unnatur.
Die Freiheit und innere Cauſalität iſt nichts ohne einen Willen, in dem ſie iſt und aus dem ſie wirkt, und der Wille kann nicht beſtehen ohne Perſönlichkeit. Der freie Wille iſt ſeiner Natur nach konkret und nicht abſtract; denn dadurch, daß er den Begriff ins Leben führt und zur That macht, hebt er alle Abſtraction auf. Ein unperſönlicher Wille iſt ein Unding. Durch den Willen aber wird das Böſe eine Macht, und es iſt ganz falſch, wenn Hegel das Böſe als eine Nichtigkeit (logiſche Negation) betrachtet, welche der Geiſt abſtreifen könne. Vielmehr iſt in der Bosheit eine um ſo größere Kraft, je mehr ſie an der Unnatur Theil nimmt.
Die moraliſchen Extreme ſind das Gute, geſteigert zum Leben der Liebe und der Tugend, und das Böſe, geſteigert zum Leben des Haſſes und der Selbſt- ſucht. Wenn es wahr iſt, was uns hundert Protocolle aus den freien Geſtändniſſen der dem Zauber ergebenen Perſonen erzählen, daß es einen förmlichen Bund mit dem Satan gebe, ſo würde das Extrem des Böſen dieſe förmliche Theilnahme an der Unnatur ſeyn, das andere Extrem hingegen wäre die Heiligung des Lebens in dem Bund mit Chriſto. An beyden Gränzen müßten ſich Kräfte erzeugen, welche auf den Zuſammenhang der Vernunft- und Natur- geſetze ſtörend eingreifen, nur mit dem Unterſchied, daß
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die Analogieen noch beſtimmter auf eine Unnatur und Ueber-
natur hin.
Das freie Princip, welches den menſchlichen Willen
beſeelt, iſt als eine Gabe Gottes und als Funke aus ſei-
nem Weſen unendlicher Natur und erkennt keine Gränze
im menſchlichen Daſeyn, d. h. es iſt unſterblich. Wie nun
der gute Wille ſich durch Reinigung und Läuterung zur
Liebe Gottes verklären kann, ſo kann der böſe Wille durch
Laſter und Sünden ſich zur ſataniſchen Selbſtſucht vertiefen.
Jenes iſt die Theilnahme an der Uebernatur, die-
ſes die Theilnahme an der Unnatur.
Die Freiheit und innere Cauſalität iſt nichts ohne einen
Willen, in dem ſie iſt und aus dem ſie wirkt, und der
Wille kann nicht beſtehen ohne Perſönlichkeit. Der freie
Wille iſt ſeiner Natur nach konkret und nicht abſtract; denn
dadurch, daß er den Begriff ins Leben führt und zur That
macht, hebt er alle Abſtraction auf. Ein unperſönlicher
Wille iſt ein Unding. Durch den Willen aber wird das
Böſe eine Macht, und es iſt ganz falſch, wenn Hegel
das Böſe als eine Nichtigkeit (logiſche Negation) betrachtet,
welche der Geiſt abſtreifen könne. Vielmehr iſt in der
Bosheit eine um ſo größere Kraft, je mehr ſie an der
Unnatur Theil nimmt.
Die moraliſchen Extreme ſind das Gute, geſteigert zum
Leben der Liebe und der Tugend, und das Böſe,
geſteigert zum Leben des Haſſes und der Selbſt-
ſucht. Wenn es wahr iſt, was uns hundert Protocolle
aus den freien Geſtändniſſen der dem Zauber ergebenen
Perſonen erzählen, daß es einen förmlichen Bund
mit dem Satan gebe, ſo würde das Extrem des Böſen
dieſe förmliche Theilnahme an der Unnatur ſeyn, das andere
Extrem hingegen wäre die Heiligung des Lebens in dem Bund
mit Chriſto. An beyden Gränzen müßten ſich Kräfte erzeugen,
welche auf den Zuſammenhang der Vernunft- und Natur-
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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/140>, abgerufen am 16.02.2025.
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