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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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dem Mädchen, weil es ihm jede Antwort verweigere, bis
er endlich in dasselbe eindrang. Das Mädchen fühlte jedes-
mal bei seinem Erscheinen eine eiskalte Hand in dem Nacken,
worauf es auf der Stelle bewußtlos dahinsank, das fremde
Wesen aber sich seines Körpers so bemächtigte, daß er wäh-
rend der Zeit der Paroxismen dieser dämonischen Gewalt
gänzlich unterworfen schien. Die Seele selbst war von der
weißen Gestalt, die sich für eine Nonne ausgab, so lange
in Schutz genommen, bis der Dämon den Körper wieder
verließ.

In dieser Geschichte bleibt übrigens die Vermittlung durch
einen fremden Willen, die sonst ein Erforderniß der Be-
sitzung zu seyn scheint, unentschieden.

Bey der U. aus J ... m waren es fünf unreine Geister,
von welchen sie in einem Zeitraum von 4 Jahren besessen
war, so daß immer ein Anderer die Stelle wieder einnahm,
wenn der Vorhergehende ausgetrieben war. Alle gaben sich
für noch nicht lange verstorbene Menschen aus, welche ihrer
geheimen Sünden und Verbrechen wegen umherirren
müßten, und, um Ruhe zu finden, immer bereit wären, in
Menschenleiber zu fahren. Mehrere gaben bestimmt an,
daß sie nur durch Vermittlung solcher Personen, welche sich
dem Zauber ergeben, in das Weib hätten eindringen kön-
nen. Auch in dieser Frau stand immer ein Schutzgeist dem
Dämon gegenüber, der sie von der Qual befreite, indem
er, wie in einem selbst äußerlich sichtlichen Wettkampf, den-
selben niederdrückte, worauf jedesmal das völlige Bewußt-
seyn zurückkehrte. Der Magnetismus schien das Mittel zu
seyn, die Frau mit dem Schutzgeist in einen nähern Ver-
kehr zu bringen, was zu vielen Aufschlüssen Anlaß gab.

Bei dem 11jährigen Mädchen B .. von M .. e waren
es zuletzt 6 verschiedene Stimmen, die sich aus demselben
hören ließen. Aber auch hier war ein Schutzengel zur Seite,
der dem Mädchen den Tag seiner Befreiung ankündigte,
was auch eintraf, nachdem man aus dem Munde desselben
die Worte hörte: "Fahr aus, du unsauberer Geist! Das ist

dem Mädchen, weil es ihm jede Antwort verweigere, bis
er endlich in daſſelbe eindrang. Das Mädchen fühlte jedes-
mal bei ſeinem Erſcheinen eine eiskalte Hand in dem Nacken,
worauf es auf der Stelle bewußtlos dahinſank, das fremde
Weſen aber ſich ſeines Körpers ſo bemächtigte, daß er wäh-
rend der Zeit der Paroxismen dieſer dämoniſchen Gewalt
gänzlich unterworfen ſchien. Die Seele ſelbſt war von der
weißen Geſtalt, die ſich für eine Nonne ausgab, ſo lange
in Schutz genommen, bis der Dämon den Körper wieder
verließ.

In dieſer Geſchichte bleibt übrigens die Vermittlung durch
einen fremden Willen, die ſonſt ein Erforderniß der Be-
ſitzung zu ſeyn ſcheint, unentſchieden.

Bey der U. aus J … m waren es fünf unreine Geiſter,
von welchen ſie in einem Zeitraum von 4 Jahren beſeſſen
war, ſo daß immer ein Anderer die Stelle wieder einnahm,
wenn der Vorhergehende ausgetrieben war. Alle gaben ſich
für noch nicht lange verſtorbene Menſchen aus, welche ihrer
geheimen Sünden und Verbrechen wegen umherirren
müßten, und, um Ruhe zu finden, immer bereit wären, in
Menſchenleiber zu fahren. Mehrere gaben beſtimmt an,
daß ſie nur durch Vermittlung ſolcher Perſonen, welche ſich
dem Zauber ergeben, in das Weib hätten eindringen kön-
nen. Auch in dieſer Frau ſtand immer ein Schutzgeiſt dem
Dämon gegenüber, der ſie von der Qual befreite, indem
er, wie in einem ſelbſt äußerlich ſichtlichen Wettkampf, den-
ſelben niederdrückte, worauf jedesmal das völlige Bewußt-
ſeyn zurückkehrte. Der Magnetismus ſchien das Mittel zu
ſeyn, die Frau mit dem Schutzgeiſt in einen nähern Ver-
kehr zu bringen, was zu vielen Aufſchlüſſen Anlaß gab.

Bei dem 11jährigen Mädchen B .. von M .. e waren
es zuletzt 6 verſchiedene Stimmen, die ſich aus demſelben
hören ließen. Aber auch hier war ein Schutzengel zur Seite,
der dem Mädchen den Tag ſeiner Befreiung ankündigte,
was auch eintraf, nachdem man aus dem Munde deſſelben
die Worte hörte: „Fahr aus, du unſauberer Geiſt! Das iſt

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[137/0151] dem Mädchen, weil es ihm jede Antwort verweigere, bis er endlich in daſſelbe eindrang. Das Mädchen fühlte jedes- mal bei ſeinem Erſcheinen eine eiskalte Hand in dem Nacken, worauf es auf der Stelle bewußtlos dahinſank, das fremde Weſen aber ſich ſeines Körpers ſo bemächtigte, daß er wäh- rend der Zeit der Paroxismen dieſer dämoniſchen Gewalt gänzlich unterworfen ſchien. Die Seele ſelbſt war von der weißen Geſtalt, die ſich für eine Nonne ausgab, ſo lange in Schutz genommen, bis der Dämon den Körper wieder verließ. In dieſer Geſchichte bleibt übrigens die Vermittlung durch einen fremden Willen, die ſonſt ein Erforderniß der Be- ſitzung zu ſeyn ſcheint, unentſchieden. Bey der U. aus J … m waren es fünf unreine Geiſter, von welchen ſie in einem Zeitraum von 4 Jahren beſeſſen war, ſo daß immer ein Anderer die Stelle wieder einnahm, wenn der Vorhergehende ausgetrieben war. Alle gaben ſich für noch nicht lange verſtorbene Menſchen aus, welche ihrer geheimen Sünden und Verbrechen wegen umherirren müßten, und, um Ruhe zu finden, immer bereit wären, in Menſchenleiber zu fahren. Mehrere gaben beſtimmt an, daß ſie nur durch Vermittlung ſolcher Perſonen, welche ſich dem Zauber ergeben, in das Weib hätten eindringen kön- nen. Auch in dieſer Frau ſtand immer ein Schutzgeiſt dem Dämon gegenüber, der ſie von der Qual befreite, indem er, wie in einem ſelbſt äußerlich ſichtlichen Wettkampf, den- ſelben niederdrückte, worauf jedesmal das völlige Bewußt- ſeyn zurückkehrte. Der Magnetismus ſchien das Mittel zu ſeyn, die Frau mit dem Schutzgeiſt in einen nähern Ver- kehr zu bringen, was zu vielen Aufſchlüſſen Anlaß gab. Bei dem 11jährigen Mädchen B .. von M .. e waren es zuletzt 6 verſchiedene Stimmen, die ſich aus demſelben hören ließen. Aber auch hier war ein Schutzengel zur Seite, der dem Mädchen den Tag ſeiner Befreiung ankündigte, was auch eintraf, nachdem man aus dem Munde deſſelben die Worte hörte: „Fahr aus, du unſauberer Geiſt! Das iſt

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/151>, abgerufen am 21.11.2024.