Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834."Theil an dem Erlöser und Heiland mehr. Darum müß- Hier haben wir das leibhafte Bild eines Rationalisten, Gegen die obigen Einwürfe trat Dr. Schleiß, der Leib- „Theil an dem Erlöſer und Heiland mehr. Darum müß- Hier haben wir das leibhafte Bild eines Rationaliſten, Gegen die obigen Einwürfe trat Dr. Schleiß, der Leib- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0167" n="153"/> „Theil an dem Erlöſer und Heiland mehr. Darum müß-<lb/> „ten alle Nachrichten ven der Gaßner’ſchen Kurart, wo-<lb/> „her ſie auch kommen, gänzlich als alberne, phantaſtiſche<lb/> „Einfälle und Aberglauben verworfen werden, und alle die<lb/> „Handlungen, die darauf hinzielen, dürfen in chriſtlichen<lb/> „Staaten nicht geduldet werden. Gaßners Glaube ſey<lb/> „kein chriſtlicher Glaube, daher könne es keine geiſtliche<lb/> „und noch weniger leibliche Wirkungen deſſelben geben.<lb/> „Man könne Einen dazu bereden, daß er ſage, es ſey ihm<lb/> „geholfen. Gaßner müſſe ein Phantaſt oder Betrüger ſeyn,<lb/> „ein <hi rendition="#aq">Tertium</hi> gebe es nicht. Wenn der Patient ſage, er<lb/> „werde beſſer, ſo könne man noch nicht ſchließen, <hi rendition="#aq">ergo</hi><lb/> „Gaßner helfe, <hi rendition="#aq">ergo</hi> helfe er durch Exorcismus, <hi rendition="#aq">ergo</hi> ſey<lb/> „die Krankheit eine Wirkung des Teufels. <hi rendition="#g">Lavater</hi>, wel-<lb/> „cher nur die Thatſachen, nicht Meinung und Dogma un-<lb/> „terſ<supplied>u</supplied>cht haben wolle, verfalle beynahe in die Strafe der<lb/> „Gottesläſterung.“</p><lb/> <p>Hier haben wir das leibhafte Bild eines Rationaliſten,<lb/> der ſein ſelbſt gemachtes oder wenigſtens accommodirtes<lb/> Dogma über die Thatſachen erhebt und ohne Prüfung die<lb/> Sache, der Meinung zu lieb, verdammt. So ungefähr<lb/> mögen die Sadduzäer die Zeichen und Wunder Chriſti weg-<lb/> raiſonnirt haben.</p><lb/> <p>Gegen die obigen Einwürfe trat <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schleiß</hi>, der Leib-<lb/> arzt der Pfalzgräfin von Sulzbach, als vielfältiger Augen-<lb/> zeuge der Gaßner’ſchen Kuren auf. Ich ſetze hier blos<lb/> bey, was <hi rendition="#g">Schleiß</hi> an <hi rendition="#g">Semler</hi> am Schluſſe ſeiner Ab-<lb/> handlung ſpricht: „Ich erſuche Sie noch einmal, ohne Be-<lb/> „fangenheit und Uebereilung, ohne Rückſicht auf Perſon,<lb/> „Stand und Lehre <hi rendition="#g">Gaßner</hi>’s, meine Zweifelsfragen zu<lb/> „beantworten. Zeigen Sie Ihr erhabenes Herz auf der<lb/> „edeln Seite, überlegen Sie wohl, ob es nicht der Mühe<lb/> „werth ſey, die Gaßner’ſchen Thatſachen durch eine ordent-<lb/> „liche, aus allen drey chriſtlichen Religionen und aus allen<lb/> „Facultäten zuſammengeſetzte Commiſſion zu unterſuchen.<lb/> „Der glaubige <hi rendition="#g">Gaßner</hi> iſt zu Allem wegen der Ehre Got-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [153/0167]
„Theil an dem Erlöſer und Heiland mehr. Darum müß-
„ten alle Nachrichten ven der Gaßner’ſchen Kurart, wo-
„her ſie auch kommen, gänzlich als alberne, phantaſtiſche
„Einfälle und Aberglauben verworfen werden, und alle die
„Handlungen, die darauf hinzielen, dürfen in chriſtlichen
„Staaten nicht geduldet werden. Gaßners Glaube ſey
„kein chriſtlicher Glaube, daher könne es keine geiſtliche
„und noch weniger leibliche Wirkungen deſſelben geben.
„Man könne Einen dazu bereden, daß er ſage, es ſey ihm
„geholfen. Gaßner müſſe ein Phantaſt oder Betrüger ſeyn,
„ein Tertium gebe es nicht. Wenn der Patient ſage, er
„werde beſſer, ſo könne man noch nicht ſchließen, ergo
„Gaßner helfe, ergo helfe er durch Exorcismus, ergo ſey
„die Krankheit eine Wirkung des Teufels. Lavater, wel-
„cher nur die Thatſachen, nicht Meinung und Dogma un-
„terſucht haben wolle, verfalle beynahe in die Strafe der
„Gottesläſterung.“
Hier haben wir das leibhafte Bild eines Rationaliſten,
der ſein ſelbſt gemachtes oder wenigſtens accommodirtes
Dogma über die Thatſachen erhebt und ohne Prüfung die
Sache, der Meinung zu lieb, verdammt. So ungefähr
mögen die Sadduzäer die Zeichen und Wunder Chriſti weg-
raiſonnirt haben.
Gegen die obigen Einwürfe trat Dr. Schleiß, der Leib-
arzt der Pfalzgräfin von Sulzbach, als vielfältiger Augen-
zeuge der Gaßner’ſchen Kuren auf. Ich ſetze hier blos
bey, was Schleiß an Semler am Schluſſe ſeiner Ab-
handlung ſpricht: „Ich erſuche Sie noch einmal, ohne Be-
„fangenheit und Uebereilung, ohne Rückſicht auf Perſon,
„Stand und Lehre Gaßner’s, meine Zweifelsfragen zu
„beantworten. Zeigen Sie Ihr erhabenes Herz auf der
„edeln Seite, überlegen Sie wohl, ob es nicht der Mühe
„werth ſey, die Gaßner’ſchen Thatſachen durch eine ordent-
„liche, aus allen drey chriſtlichen Religionen und aus allen
„Facultäten zuſammengeſetzte Commiſſion zu unterſuchen.
„Der glaubige Gaßner iſt zu Allem wegen der Ehre Got-
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