Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834."tes und des Heils des Nebenmenschen bereit, und es ist Auf gleiche Weise äußert sich Lavater an Semler in "Was ich mit Gaßner zu thun habe? fragen Sie. Un- „tes und des Heils des Nebenmenſchen bereit, und es iſt Auf gleiche Weiſe äußert ſich Lavater an Semler in „Was ich mit Gaßner zu thun habe? fragen Sie. Un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0168" n="154"/> „tes und des Heils des Nebenmenſchen bereit, und es iſt<lb/> „zu erwarten, daß keiner der Unterſuchenden mit ſehenden<lb/> „Augen Ehre und Gewiſſen werde verlieren wollen. Es<lb/> „iſt entſchuldbar, wenn Einer mit aller Treue nach einem<lb/> „irrigen Grundſatz handelt, aber es iſt auch Pflicht, ſeine<lb/> „Grundſätze immer genauer zu prüfen, und es iſt Groß-<lb/> „muth, deren ſich auch der Weiſe nicht ſchämen darf, wenn<lb/> „er ſeinen Grundſatz in dem Augenblick verwirft, ſobald<lb/> „er ihn als Vorurtheil erkannt hat. Es iſt hier um die<lb/> „Wahrheit zu thun, und dieſe ſollten alle chriſtliche Reli-<lb/> „gionen ohne Vorrecht, ohne Eiferſucht und ohne Vorur-<lb/> „theil zu entdecken trachten. Soll ich, als vielfältiger<lb/> „Zeuge, läugnen, was meine Ohren gehört, meine Au-<lb/> „gen geſehen, meine Finger befühlt und mein Verſtand<lb/> „geprüft haben? Ich würde Gott und die Wahrheit be-<lb/> „leidigen.“</p><lb/> <p>Auf gleiche Weiſe äußert ſich <hi rendition="#g">Lavater</hi> an <hi rendition="#g">Semler</hi> in<lb/> einem Briefe:</p><lb/> <p>„Was ich mit <hi rendition="#g">Gaßner</hi> zu thun habe? fragen Sie. Un-<lb/> „terſuchen will ich, komme heraus, was da wolle. Unter-<lb/> „ſuchungswerth iſt die Sache, ſie ſey wahr oder falſch,<lb/> „Kraft Gottes oder Betrug. Wer ſich zu unterſuchen ſchämt,<lb/> „was für Naturforſcher, Pſychologen und Theologen wich-<lb/> „tig iſt, blos um des Gutachtens wegen, iſt dieſer Kind<lb/> „oder Mann? Was iſt <hi rendition="#g">Gaßner</hi>? Einige ſagen, er iſt gut,<lb/> „andere, er verführe das Volk; beyde aber behaupten im-<lb/> „mer, Thatſachen ſind da, mehr oder weniger, warum<lb/> „hüpft man über dieſe hinweg? Alles raiſonnirt und er-<lb/> „klärt, — aber wo iſt der, der blos beobachtet? Es iſt<lb/> „wirklich unterhaltend, zuzuſehen, wie unlogiſch man bey<lb/> „dieſer Sache verfährt, ſey ſie noch ſo lächerlich. Jeder<lb/> „beurtheilt den Mann nicht nach Gaßners, ſondern nach<lb/> „ſeiner eigenen Theorie. Gaßner will kein Apoſtel ſeyn,<lb/> „iſt’s alſo billig, ſeine Operationen mit den apoſtoliſchen<lb/> „zu vergleichen? Gaßner will kein Wunderthäter ſeyn,<lb/> „iſt’s alſo billig, irgend eine Theorie von Wundern, die man<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [154/0168]
„tes und des Heils des Nebenmenſchen bereit, und es iſt
„zu erwarten, daß keiner der Unterſuchenden mit ſehenden
„Augen Ehre und Gewiſſen werde verlieren wollen. Es
„iſt entſchuldbar, wenn Einer mit aller Treue nach einem
„irrigen Grundſatz handelt, aber es iſt auch Pflicht, ſeine
„Grundſätze immer genauer zu prüfen, und es iſt Groß-
„muth, deren ſich auch der Weiſe nicht ſchämen darf, wenn
„er ſeinen Grundſatz in dem Augenblick verwirft, ſobald
„er ihn als Vorurtheil erkannt hat. Es iſt hier um die
„Wahrheit zu thun, und dieſe ſollten alle chriſtliche Reli-
„gionen ohne Vorrecht, ohne Eiferſucht und ohne Vorur-
„theil zu entdecken trachten. Soll ich, als vielfältiger
„Zeuge, läugnen, was meine Ohren gehört, meine Au-
„gen geſehen, meine Finger befühlt und mein Verſtand
„geprüft haben? Ich würde Gott und die Wahrheit be-
„leidigen.“
Auf gleiche Weiſe äußert ſich Lavater an Semler in
einem Briefe:
„Was ich mit Gaßner zu thun habe? fragen Sie. Un-
„terſuchen will ich, komme heraus, was da wolle. Unter-
„ſuchungswerth iſt die Sache, ſie ſey wahr oder falſch,
„Kraft Gottes oder Betrug. Wer ſich zu unterſuchen ſchämt,
„was für Naturforſcher, Pſychologen und Theologen wich-
„tig iſt, blos um des Gutachtens wegen, iſt dieſer Kind
„oder Mann? Was iſt Gaßner? Einige ſagen, er iſt gut,
„andere, er verführe das Volk; beyde aber behaupten im-
„mer, Thatſachen ſind da, mehr oder weniger, warum
„hüpft man über dieſe hinweg? Alles raiſonnirt und er-
„klärt, — aber wo iſt der, der blos beobachtet? Es iſt
„wirklich unterhaltend, zuzuſehen, wie unlogiſch man bey
„dieſer Sache verfährt, ſey ſie noch ſo lächerlich. Jeder
„beurtheilt den Mann nicht nach Gaßners, ſondern nach
„ſeiner eigenen Theorie. Gaßner will kein Apoſtel ſeyn,
„iſt’s alſo billig, ſeine Operationen mit den apoſtoliſchen
„zu vergleichen? Gaßner will kein Wunderthäter ſeyn,
„iſt’s alſo billig, irgend eine Theorie von Wundern, die man
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