Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.gründe, daß deswegen kein Bund existire, weil Von Bedeutung dagegen sind zu damaliger Zeit die Prä- Bedeutender noch in ihrer Nullität sind die durch Tortu- Am bedeutendsten aber ist der Einwurf, daß die freyen Soll das richterliche Verfahren in Dingen der Zauberey 1) Der Bestand der Thatsachen muß durch eine förm- gründe, daß deswegen kein Bund exiſtire, weil Von Bedeutung dagegen ſind zu damaliger Zeit die Prä- Bedeutender noch in ihrer Nullität ſind die durch Tortu- Am bedeutendſten aber iſt der Einwurf, daß die freyen Soll das richterliche Verfahren in Dingen der Zauberey 1) Der Beſtand der Thatſachen muß durch eine förm- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0185" n="171"/> gründe, <hi rendition="#g">daß deswegen kein Bund exiſtire, weil<lb/> der Satan keinen Leib annehmen könne, ein Be-<lb/> trüger ſey, und daß kein Nutzen dabey heraus-<lb/> komme</hi>, von wenig Bedeutung ſind.</p><lb/> <p>Von Bedeutung dagegen ſind zu damaliger Zeit die Prä-<lb/> ſumtionen der Richter, welche auf das richterliche Verfah-<lb/> ren in Dingen, wo ſo ſelten ein vollſtändiger juridiſcher<lb/> Beweis zu erzielen iſt, ſchädlich einwirken mußten. Die<lb/> Natur des Verbrechens iſt von der Art, daß der Thäter<lb/> nie auf der That ertappt, von Zeugen überführt und durch<lb/> die gewöhnlichen Criterien ausgemittelt werden kann. Ver-<lb/> dachtsgründe aber geben blos eine moraliſche Ueberzeugung,<lb/> aber keinen juridiſchen Beweis. Und ſo ſcheint in dem<lb/> frühern Verfahren an die Stelle des juridiſchen Beweiſes<lb/> immer die moraliſche Ueberzeugung getreten zu ſeyn, was<lb/> den factiſchen Beſtand des Verbrechens höchſt ungewiß macht.</p><lb/> <p>Bedeutender noch in ihrer Nullität ſind die durch Tortu-<lb/> ren erpreßten Geſtändniſſe. Denn da ſelbſt die <hi rendition="#g">freyen</hi><lb/> Geſtändniſſe eines Verbrechens nur dann den juridiſchen<lb/> Glauben verdienen, wenn die That durch andere Umſtände<lb/> ihre factiſche Richtigkeit gewinnt, ſo können <hi rendition="#g">erpreßte</hi><lb/> Geſtändniſſe um ſo weniger genügen.</p><lb/> <p>Am bedeutendſten aber iſt der Einwurf, daß die freyen<lb/> Geſtändniſſe von einem Wahn herrühren können, <hi rendition="#g">als hät-<lb/> ten dieſe Perſonen das wirklich an ihrem Kör-<lb/> per erlebt, durch ihren Willen beſchloſſen und<lb/> durch ihre Hände ausgeführt, was blos ein ihrer<lb/> Phantaſie vorgeſpiegeltes ſataniſches Blend-<lb/> werk ſey</hi>. (Dieſer Einwurf wird noch ſpäter berückſichtigt.)</p><lb/> <p>Soll das richterliche Verfahren in Dingen der Zauberey<lb/> ſich über alle Einwürfe erheben, ſo muß es folgende Ei-<lb/> genſchaften haben:</p><lb/> <p>1) Der Beſtand der Thatſachen muß durch eine förm-<lb/> liche Unterſuchung erhoben und in ein Protokoll verfaßt<lb/> werden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0185]
gründe, daß deswegen kein Bund exiſtire, weil
der Satan keinen Leib annehmen könne, ein Be-
trüger ſey, und daß kein Nutzen dabey heraus-
komme, von wenig Bedeutung ſind.
Von Bedeutung dagegen ſind zu damaliger Zeit die Prä-
ſumtionen der Richter, welche auf das richterliche Verfah-
ren in Dingen, wo ſo ſelten ein vollſtändiger juridiſcher
Beweis zu erzielen iſt, ſchädlich einwirken mußten. Die
Natur des Verbrechens iſt von der Art, daß der Thäter
nie auf der That ertappt, von Zeugen überführt und durch
die gewöhnlichen Criterien ausgemittelt werden kann. Ver-
dachtsgründe aber geben blos eine moraliſche Ueberzeugung,
aber keinen juridiſchen Beweis. Und ſo ſcheint in dem
frühern Verfahren an die Stelle des juridiſchen Beweiſes
immer die moraliſche Ueberzeugung getreten zu ſeyn, was
den factiſchen Beſtand des Verbrechens höchſt ungewiß macht.
Bedeutender noch in ihrer Nullität ſind die durch Tortu-
ren erpreßten Geſtändniſſe. Denn da ſelbſt die freyen
Geſtändniſſe eines Verbrechens nur dann den juridiſchen
Glauben verdienen, wenn die That durch andere Umſtände
ihre factiſche Richtigkeit gewinnt, ſo können erpreßte
Geſtändniſſe um ſo weniger genügen.
Am bedeutendſten aber iſt der Einwurf, daß die freyen
Geſtändniſſe von einem Wahn herrühren können, als hät-
ten dieſe Perſonen das wirklich an ihrem Kör-
per erlebt, durch ihren Willen beſchloſſen und
durch ihre Hände ausgeführt, was blos ein ihrer
Phantaſie vorgeſpiegeltes ſataniſches Blend-
werk ſey. (Dieſer Einwurf wird noch ſpäter berückſichtigt.)
Soll das richterliche Verfahren in Dingen der Zauberey
ſich über alle Einwürfe erheben, ſo muß es folgende Ei-
genſchaften haben:
1) Der Beſtand der Thatſachen muß durch eine förm-
liche Unterſuchung erhoben und in ein Protokoll verfaßt
werden.
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Zitationshilfe: | Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/185>, abgerufen am 19.07.2024. |