Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

kommen gleiche Angaben enthielten, sondern auch, daß diese
Angaben mit dem, was die ältesten Schriftsteller davon
aufgezeichnet hatten, völlig conform waren. Was die äl-
tern Schriftsteller betrifft, so sind diejenigen, welche den
Zauber verwerfen, auf eine kleine Zahl beschränkt, wäh-
rend die entgegengesetzte Meinung sehr viele Verfechter zählt.
Eines der Rechtsconsilien gibt die Zahl Jener mit Na-
men auf Zwölf an, während Goldast in seinem Traktat:
Rechtliches Bedenken von Confiskation etc. Hundert
und zwanzig aufzählt, welche für die Wirklichkeit des Zau-
bers sich erklären.

4) Es konnte nicht fehlen, daß in jenen Zeiten, wo die-
ser Gegenstand gleichsam an der Tagesordnung war, der
menschliche Geist nicht zögerte, auch eine wissenschaftliche
Berathung darüber anzustellen, und so bildeten sich drey
Hypothesen, welche mit mehr oder weniger Glück jene Phä-
nomene zu erklären suchten. Diese Hypothesen konnten übri-
gens nicht tief gehen, da ihnen die Aufschlüsse des mag-
netischen Lebens fehlten. Der Blick in die Unnatur fängt
jetzt erst an, sich nicht nur dogmatisch, sondern wissenschaft-
lich zu erweitern. Denn so lange die Philosophie nicht
glaubt, was das Evangelium vom Satan und seinem dä-
monischen Reiche sagt, -- wie soll es zu einer Untersu-
chung kommen? Die christliche Philosophie verlangt dieß,
und darum habe ich mich nicht gescheut, diesen Gegenstand
zu einem Problem zu machen.

5) Nach Allem, was der Verf. über diesen Gegenstand
gesammelt, gedacht und verglichen hat, ist ihm wenigstens
die frühere Wirklichkeit des Zaubers mehr als wahrschein-
lich. Ob er jetzt noch fortdauert ist eine andere Frage.
Denn da der Zauber, was sich von selbst versteht, nur
unter göttlicher Zulassung besteht, diese aber in der
Weisheit Gottes
wohl ihre Gränze haben kann, so ist,
da wenigstens neuere und zwar beglaubigte Thatsachen feh-
len, darüber nichts zu entscheiden.


kommen gleiche Angaben enthielten, ſondern auch, daß dieſe
Angaben mit dem, was die älteſten Schriftſteller davon
aufgezeichnet hatten, völlig conform waren. Was die äl-
tern Schriftſteller betrifft, ſo ſind diejenigen, welche den
Zauber verwerfen, auf eine kleine Zahl beſchränkt, wäh-
rend die entgegengeſetzte Meinung ſehr viele Verfechter zählt.
Eines der Rechtsconſilien gibt die Zahl Jener mit Na-
men auf Zwölf an, während Goldaſt in ſeinem Traktat:
Rechtliches Bedenken von Confiskation ꝛc. Hundert
und zwanzig aufzählt, welche für die Wirklichkeit des Zau-
bers ſich erklären.

4) Es konnte nicht fehlen, daß in jenen Zeiten, wo die-
ſer Gegenſtand gleichſam an der Tagesordnung war, der
menſchliche Geiſt nicht zögerte, auch eine wiſſenſchaftliche
Berathung darüber anzuſtellen, und ſo bildeten ſich drey
Hypotheſen, welche mit mehr oder weniger Glück jene Phä-
nomene zu erklären ſuchten. Dieſe Hypotheſen konnten übri-
gens nicht tief gehen, da ihnen die Aufſchlüſſe des mag-
netiſchen Lebens fehlten. Der Blick in die Unnatur fängt
jetzt erſt an, ſich nicht nur dogmatiſch, ſondern wiſſenſchaft-
lich zu erweitern. Denn ſo lange die Philoſophie nicht
glaubt, was das Evangelium vom Satan und ſeinem dä-
moniſchen Reiche ſagt, — wie ſoll es zu einer Unterſu-
chung kommen? Die chriſtliche Philoſophie verlangt dieß,
und darum habe ich mich nicht geſcheut, dieſen Gegenſtand
zu einem Problem zu machen.

5) Nach Allem, was der Verf. über dieſen Gegenſtand
geſammelt, gedacht und verglichen hat, iſt ihm wenigſtens
die frühere Wirklichkeit des Zaubers mehr als wahrſchein-
lich. Ob er jetzt noch fortdauert iſt eine andere Frage.
Denn da der Zauber, was ſich von ſelbſt verſteht, nur
unter göttlicher Zulaſſung beſteht, dieſe aber in der
Weisheit Gottes
wohl ihre Gränze haben kann, ſo iſt,
da wenigſtens neuere und zwar beglaubigte Thatſachen feh-
len, darüber nichts zu entſcheiden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="188"/>
kommen gleiche Angaben enthielten, &#x017F;ondern auch, daß die&#x017F;e<lb/>
Angaben mit dem, was die älte&#x017F;ten Schrift&#x017F;teller davon<lb/>
aufgezeichnet hatten, völlig conform waren. Was die äl-<lb/>
tern Schrift&#x017F;teller betrifft, &#x017F;o &#x017F;ind diejenigen, welche den<lb/>
Zauber verwerfen, auf eine kleine Zahl be&#x017F;chränkt, wäh-<lb/>
rend die entgegenge&#x017F;etzte Meinung &#x017F;ehr viele Verfechter zählt.<lb/>
Eines der Rechtscon&#x017F;ilien gibt die Zahl Jener mit Na-<lb/>
men auf Zwölf an, während <hi rendition="#g">Golda&#x017F;t</hi> in &#x017F;einem Traktat:<lb/><hi rendition="#g">Rechtliches Bedenken von Confiskation</hi> &#xA75B;c. Hundert<lb/>
und zwanzig aufzählt, welche für die Wirklichkeit des Zau-<lb/>
bers &#x017F;ich erklären.</p><lb/>
          <p>4) Es konnte nicht fehlen, daß in jenen Zeiten, wo die-<lb/>
&#x017F;er Gegen&#x017F;tand gleich&#x017F;am an der Tagesordnung war, der<lb/>
men&#x017F;chliche Gei&#x017F;t nicht zögerte, auch eine wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftliche<lb/>
Berathung darüber anzu&#x017F;tellen, und &#x017F;o bildeten &#x017F;ich drey<lb/>
Hypothe&#x017F;en, welche mit mehr oder weniger Glück jene Phä-<lb/>
nomene zu erklären &#x017F;uchten. Die&#x017F;e Hypothe&#x017F;en konnten übri-<lb/>
gens nicht tief gehen, da ihnen die Auf&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e des mag-<lb/>
neti&#x017F;chen Lebens fehlten. Der Blick in die Unnatur fängt<lb/>
jetzt er&#x017F;t an, &#x017F;ich nicht nur dogmati&#x017F;ch, &#x017F;ondern wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft-<lb/>
lich zu erweitern. Denn &#x017F;o lange die Philo&#x017F;ophie nicht<lb/>
glaubt, was das Evangelium vom Satan und &#x017F;einem dä-<lb/>
moni&#x017F;chen Reiche &#x017F;agt, &#x2014; wie &#x017F;oll es zu einer Unter&#x017F;u-<lb/>
chung kommen? Die chri&#x017F;tliche Philo&#x017F;ophie verlangt dieß,<lb/>
und darum habe ich mich nicht ge&#x017F;cheut, die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand<lb/>
zu einem Problem zu machen.</p><lb/>
          <p>5) Nach Allem, was der Verf. über die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand<lb/>
ge&#x017F;ammelt, gedacht und verglichen hat, i&#x017F;t ihm wenig&#x017F;tens<lb/>
die frühere Wirklichkeit des Zaubers mehr als wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich. Ob er jetzt noch fortdauert i&#x017F;t eine andere Frage.<lb/><hi rendition="#g">Denn</hi> da der Zauber, was &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;teht, nur<lb/><hi rendition="#g">unter göttlicher Zula&#x017F;&#x017F;ung</hi> be&#x017F;teht, die&#x017F;e aber <hi rendition="#g">in der<lb/>
Weisheit Gottes</hi> wohl ihre Gränze haben kann, &#x017F;o i&#x017F;t,<lb/>
da wenig&#x017F;tens neuere und zwar beglaubigte That&#x017F;achen feh-<lb/>
len, darüber nichts zu ent&#x017F;cheiden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0202] kommen gleiche Angaben enthielten, ſondern auch, daß dieſe Angaben mit dem, was die älteſten Schriftſteller davon aufgezeichnet hatten, völlig conform waren. Was die äl- tern Schriftſteller betrifft, ſo ſind diejenigen, welche den Zauber verwerfen, auf eine kleine Zahl beſchränkt, wäh- rend die entgegengeſetzte Meinung ſehr viele Verfechter zählt. Eines der Rechtsconſilien gibt die Zahl Jener mit Na- men auf Zwölf an, während Goldaſt in ſeinem Traktat: Rechtliches Bedenken von Confiskation ꝛc. Hundert und zwanzig aufzählt, welche für die Wirklichkeit des Zau- bers ſich erklären. 4) Es konnte nicht fehlen, daß in jenen Zeiten, wo die- ſer Gegenſtand gleichſam an der Tagesordnung war, der menſchliche Geiſt nicht zögerte, auch eine wiſſenſchaftliche Berathung darüber anzuſtellen, und ſo bildeten ſich drey Hypotheſen, welche mit mehr oder weniger Glück jene Phä- nomene zu erklären ſuchten. Dieſe Hypotheſen konnten übri- gens nicht tief gehen, da ihnen die Aufſchlüſſe des mag- netiſchen Lebens fehlten. Der Blick in die Unnatur fängt jetzt erſt an, ſich nicht nur dogmatiſch, ſondern wiſſenſchaft- lich zu erweitern. Denn ſo lange die Philoſophie nicht glaubt, was das Evangelium vom Satan und ſeinem dä- moniſchen Reiche ſagt, — wie ſoll es zu einer Unterſu- chung kommen? Die chriſtliche Philoſophie verlangt dieß, und darum habe ich mich nicht geſcheut, dieſen Gegenſtand zu einem Problem zu machen. 5) Nach Allem, was der Verf. über dieſen Gegenſtand geſammelt, gedacht und verglichen hat, iſt ihm wenigſtens die frühere Wirklichkeit des Zaubers mehr als wahrſchein- lich. Ob er jetzt noch fortdauert iſt eine andere Frage. Denn da der Zauber, was ſich von ſelbſt verſteht, nur unter göttlicher Zulaſſung beſteht, dieſe aber in der Weisheit Gottes wohl ihre Gränze haben kann, ſo iſt, da wenigſtens neuere und zwar beglaubigte Thatſachen feh- len, darüber nichts zu entſcheiden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/202
Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/202>, abgerufen am 21.11.2024.