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Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.

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seine Tochter gestern in der Hand hatte, als der weiße
Geist von ihr Abschied nahm. Es war ganz deutlich zu
sehen, daß die Löcher, welche darin waren, durch Feuer ent-
standen waren.

Ich ging auf den Bauplatz. Das alte Haus war bis
auf eine kleine Mauer, mit welcher man in wenigen Stunden
fertig werden konnte, schon abgebrochen." --

Bey Wegräumung des Schuttes in den späteren Tagen
fand man ein brunnenähnliches, ungefähr zehn Schuh im
Durchmesser haltendes Loch, das zwanzig Schuh tief aus-
gegraben wurde. In diesem und sonst im Schutte des
Hauses wurden Ueberreste von menschlichen Knochen, auch
die von Kindern gefunden. Das Mädchen blieb von jener
Stunde an durchaus gesund und nie mehr kehrten bey ihr
die früheren Erscheinungen zurück.

Selbst in der Krankheit, die sie in Folge einer Erkältung
ein Jahr später erlitt und die in Hemmung des Schlingens
und in Stimmlosigkeit bestand aber sich bald wieder hob, *)
zeigte sich keine Spur des früheren dämonisch-magnetischen
Zustandes mehr.



Es ist natürlich, daß auch diese Geschichte Jeder nach
seinem Glauben, seiner Denkungsweise, seiner Beschäfti-
gung, Bildung und Dressirung auslegen und immer den Nagel
auf den Kopf getroffen zu haben glauben wird. Besonders
werden das die rationellen Aerzte vermeinen, mit einer
Auslegungsweise, die jedem nur etwas rationell dressirten
Dorfbarbierer auch bekannt ist, daher der geneigte Leser
füglich annehmen darf, daß ich eine solche auch sehr aus-
führlich nnd gelehrt scheinend machen könnte, wäre mir eine
solche für den ganzen Inhalt dieser Geschichte genügend
und kämen in ihr nicht Thatsachen in das Spiel, die diese
Geschichte allerdings zu etwas weiterem, als zu einer me-

*) Es brachen Geschwürchen im Kehlkopfe auf.

ſeine Tochter geſtern in der Hand hatte, als der weiße
Geiſt von ihr Abſchied nahm. Es war ganz deutlich zu
ſehen, daß die Löcher, welche darin waren, durch Feuer ent-
ſtanden waren.

Ich ging auf den Bauplatz. Das alte Haus war bis
auf eine kleine Mauer, mit welcher man in wenigen Stunden
fertig werden konnte, ſchon abgebrochen.“ —

Bey Wegräumung des Schuttes in den ſpäteren Tagen
fand man ein brunnenähnliches, ungefähr zehn Schuh im
Durchmeſſer haltendes Loch, das zwanzig Schuh tief aus-
gegraben wurde. In dieſem und ſonſt im Schutte des
Hauſes wurden Ueberreſte von menſchlichen Knochen, auch
die von Kindern gefunden. Das Mädchen blieb von jener
Stunde an durchaus geſund und nie mehr kehrten bey ihr
die früheren Erſcheinungen zurück.

Selbſt in der Krankheit, die ſie in Folge einer Erkältung
ein Jahr ſpäter erlitt und die in Hemmung des Schlingens
und in Stimmloſigkeit beſtand aber ſich bald wieder hob, *)
zeigte ſich keine Spur des früheren dämoniſch-magnetiſchen
Zuſtandes mehr.



Es iſt natürlich, daß auch dieſe Geſchichte Jeder nach
ſeinem Glauben, ſeiner Denkungsweiſe, ſeiner Beſchäfti-
gung, Bildung und Dreſſirung auslegen und immer den Nagel
auf den Kopf getroffen zu haben glauben wird. Beſonders
werden das die rationellen Aerzte vermeinen, mit einer
Auslegungsweiſe, die jedem nur etwas rationell dreſſirten
Dorfbarbierer auch bekannt iſt, daher der geneigte Leſer
füglich annehmen darf, daß ich eine ſolche auch ſehr aus-
führlich nnd gelehrt ſcheinend machen könnte, wäre mir eine
ſolche für den ganzen Inhalt dieſer Geſchichte genügend
und kämen in ihr nicht Thatſachen in das Spiel, die dieſe
Geſchichte allerdings zu etwas weiterem, als zu einer me-

*) Es brachen Geſchwürchen im Kehlkopfe auf.
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[46/0060] ſeine Tochter geſtern in der Hand hatte, als der weiße Geiſt von ihr Abſchied nahm. Es war ganz deutlich zu ſehen, daß die Löcher, welche darin waren, durch Feuer ent- ſtanden waren. Ich ging auf den Bauplatz. Das alte Haus war bis auf eine kleine Mauer, mit welcher man in wenigen Stunden fertig werden konnte, ſchon abgebrochen.“ — Bey Wegräumung des Schuttes in den ſpäteren Tagen fand man ein brunnenähnliches, ungefähr zehn Schuh im Durchmeſſer haltendes Loch, das zwanzig Schuh tief aus- gegraben wurde. In dieſem und ſonſt im Schutte des Hauſes wurden Ueberreſte von menſchlichen Knochen, auch die von Kindern gefunden. Das Mädchen blieb von jener Stunde an durchaus geſund und nie mehr kehrten bey ihr die früheren Erſcheinungen zurück. Selbſt in der Krankheit, die ſie in Folge einer Erkältung ein Jahr ſpäter erlitt und die in Hemmung des Schlingens und in Stimmloſigkeit beſtand aber ſich bald wieder hob, *) zeigte ſich keine Spur des früheren dämoniſch-magnetiſchen Zuſtandes mehr. Es iſt natürlich, daß auch dieſe Geſchichte Jeder nach ſeinem Glauben, ſeiner Denkungsweiſe, ſeiner Beſchäfti- gung, Bildung und Dreſſirung auslegen und immer den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben glauben wird. Beſonders werden das die rationellen Aerzte vermeinen, mit einer Auslegungsweiſe, die jedem nur etwas rationell dreſſirten Dorfbarbierer auch bekannt iſt, daher der geneigte Leſer füglich annehmen darf, daß ich eine ſolche auch ſehr aus- führlich nnd gelehrt ſcheinend machen könnte, wäre mir eine ſolche für den ganzen Inhalt dieſer Geſchichte genügend und kämen in ihr nicht Thatſachen in das Spiel, die dieſe Geſchichte allerdings zu etwas weiterem, als zu einer me- *) Es brachen Geſchwürchen im Kehlkopfe auf.

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Zitationshilfe: Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kerner_besessene_1834/60>, abgerufen am 23.11.2024.