Kerner, Justinus: Geschichten Besessener neuerer Zeit. Karlsruhe, 1834.In diesen wachen Zustand zurückgekehrt, bat die Frau Manchmal war es durch Besprechung und Gebet dahin Kerner, über Besessenseyn. 6
In dieſen wachen Zuſtand zurückgekehrt, bat die Frau Manchmal war es durch Beſprechung und Gebet dahin Kerner, über Beſeſſenſeyn. 6
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0095" n="81"/> <p>In dieſen wachen Zuſtand zurückgekehrt, bat die Frau<lb/> aber doch immer, mit dem Gebete nur fortzufahren trotz<lb/> des Wüthens des Dämons, Gott würde ihr gewiß bey-<lb/> ſtehen. Dann zwang ſie ſich, ſich zum Gebete auf die Kniee<lb/> niederzulaſſen, wo ſie aber, kaum ein Wort des Gebets ge-<lb/> ſprochen, in den kakodämoniſch-magnetiſchen Zuſtand fiel, der<lb/> Dämon ihr die Zunge aus dem Halſe reckte, ſie vom Boden<lb/> aufriß und Spott und Gelächter, oder ein teufliſches Pfei-<lb/> fen, ſtatt des Gebets, aus ihrem Munde gehen ließ.</p><lb/> <p>Manchmal war es durch Beſprechung und Gebet dahin<lb/> gekommen, daß es ſchien, als ſeye der Dämon matt gemacht<lb/> und wolle nun aus ihr weichen. Sie ließ ſich in ſolchen<lb/> Momenten an’s offene Fenſter bringen, wo ſie zum Himmel<lb/> hinauf das inbrünſtige Gebet an den Geiſt ihres verſtor-<lb/> benen Vaters und den ihres verſtorbenen Kindes richtete.<lb/> Dann erfolgte auch oft ein entſetzliches Würgen und drey-<lb/> maliges heftiges Blaſen, als ſtieße ſich etwas mit Gewalt<lb/> aus ihrem Munde, ſie ſtürzte rücklings auf den Boden und<lb/> blieb auf dieſem eine Viertelſtunde in völligem Schein-<lb/> todt liegen, worauf ſie erwachte, ſich aber nur auf wenige<lb/> Stunden ſcheinbar vom Dämon befreyt fühlte, welcher nach<lb/> einer ſolchen Scene nur deſto wilder und teufliſcher, ſpottend<lb/> über die Unmacht des Gebetes und des Namens, in dem<lb/> es geſchah, in ihr tobte. Solche Verſuche waren wie Ab-<lb/> treibungsverſuche eines <hi rendition="#g">geiſtigen</hi> Bandwurms. Durch die<lb/> magnetiſche Manipulation, die aber (ſiehe oben) verkehrt<lb/> geſchehen mußte, wurde ſie, wie ſchon erwähnt, in einen<lb/> halbwachen magnetiſchen Zuſtand gebracht, in welchem ſie<lb/> immer eine gute Stimme, wie die ihres Schutzgeiſtes, zur<lb/> Ausdauer und zum Glauben ermahnte und ihr die Verſiche-<lb/> rung gab, daß das Böſe endlich aus ihr weichen müſſe.<lb/> Dieſer gute magnetiſche Zuſtand trat auch öfters von ſelbſt,<lb/> ohne vorausgegangenes Magnetiſiren, bey ihr ein, beſon-<lb/> ders in der Nacht, wo ihr dann meiſtens tröſtende Er-<lb/> öffnungen von dieſer innern Stimme gemacht wurden. Dieß<lb/> war ihr guter magnetiſcher Zuſtand im Gegenſatz von dem<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Kerner</hi>, über Beſeſſenſeyn. 6</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [81/0095]
In dieſen wachen Zuſtand zurückgekehrt, bat die Frau
aber doch immer, mit dem Gebete nur fortzufahren trotz
des Wüthens des Dämons, Gott würde ihr gewiß bey-
ſtehen. Dann zwang ſie ſich, ſich zum Gebete auf die Kniee
niederzulaſſen, wo ſie aber, kaum ein Wort des Gebets ge-
ſprochen, in den kakodämoniſch-magnetiſchen Zuſtand fiel, der
Dämon ihr die Zunge aus dem Halſe reckte, ſie vom Boden
aufriß und Spott und Gelächter, oder ein teufliſches Pfei-
fen, ſtatt des Gebets, aus ihrem Munde gehen ließ.
Manchmal war es durch Beſprechung und Gebet dahin
gekommen, daß es ſchien, als ſeye der Dämon matt gemacht
und wolle nun aus ihr weichen. Sie ließ ſich in ſolchen
Momenten an’s offene Fenſter bringen, wo ſie zum Himmel
hinauf das inbrünſtige Gebet an den Geiſt ihres verſtor-
benen Vaters und den ihres verſtorbenen Kindes richtete.
Dann erfolgte auch oft ein entſetzliches Würgen und drey-
maliges heftiges Blaſen, als ſtieße ſich etwas mit Gewalt
aus ihrem Munde, ſie ſtürzte rücklings auf den Boden und
blieb auf dieſem eine Viertelſtunde in völligem Schein-
todt liegen, worauf ſie erwachte, ſich aber nur auf wenige
Stunden ſcheinbar vom Dämon befreyt fühlte, welcher nach
einer ſolchen Scene nur deſto wilder und teufliſcher, ſpottend
über die Unmacht des Gebetes und des Namens, in dem
es geſchah, in ihr tobte. Solche Verſuche waren wie Ab-
treibungsverſuche eines geiſtigen Bandwurms. Durch die
magnetiſche Manipulation, die aber (ſiehe oben) verkehrt
geſchehen mußte, wurde ſie, wie ſchon erwähnt, in einen
halbwachen magnetiſchen Zuſtand gebracht, in welchem ſie
immer eine gute Stimme, wie die ihres Schutzgeiſtes, zur
Ausdauer und zum Glauben ermahnte und ihr die Verſiche-
rung gab, daß das Böſe endlich aus ihr weichen müſſe.
Dieſer gute magnetiſche Zuſtand trat auch öfters von ſelbſt,
ohne vorausgegangenes Magnetiſiren, bey ihr ein, beſon-
ders in der Nacht, wo ihr dann meiſtens tröſtende Er-
öffnungen von dieſer innern Stimme gemacht wurden. Dieß
war ihr guter magnetiſcher Zuſtand im Gegenſatz von dem
Kerner, über Beſeſſenſeyn. 6
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |