Kerner, Justinus: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Rath im Mai. Wo Saaten sich erheben, Wo froh die Vögel schweben Mit Singen himmelwärts, In linden Maientagen, Kannst du nicht ruhig schlagen, Du krankes, krankes Herz? Geh' aus auf grüner Haide, Wo's Blümlein blüht voll Freude, In Duft, Gesang und Strahl; Leg' dich zu ihm darnieder, Duft, Himmelsglanz und Lieder, Die heilen deine Qual. Laß ganz der Menschen Streben, Sey wieder frei gegeben Der alten Einsamkeit! Wie Vogel singt in Lüften, Ausströmt die Blum' in Düften, Strömt aus, o Herz! dein Leid. Dann kehre sonder Trauern In armer Städte Mauern: Es kehret ohne Weh Die Blum' in's Erdreich wieder, Träumt Sonnenschein und Lieder Tief unter Eis und Schnee. Rath im Mai. Wo Saaten ſich erheben, Wo froh die Voͤgel ſchweben Mit Singen himmelwaͤrts, In linden Maientagen, Kannſt du nicht ruhig ſchlagen, Du krankes, krankes Herz? Geh' aus auf gruͤner Haide, Wo's Bluͤmlein bluͤht voll Freude, In Duft, Geſang und Strahl; Leg' dich zu ihm darnieder, Duft, Himmelsglanz und Lieder, Die heilen deine Qual. Laß ganz der Menſchen Streben, Sey wieder frei gegeben Der alten Einſamkeit! Wie Vogel ſingt in Luͤften, Ausſtroͤmt die Blum' in Duͤften, Stroͤmt aus, o Herz! dein Leid. Dann kehre ſonder Trauern In armer Staͤdte Mauern: Es kehret ohne Weh Die Blum' in's Erdreich wieder, Traͤumt Sonnenſchein und Lieder Tief unter Eis und Schnee. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0170" n="158"/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#g">Rath im Mai</hi>.</head><lb/> <l> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </l> <lg n="1"> <l>Wo Saaten ſich erheben,</l><lb/> <l>Wo froh die Voͤgel ſchweben</l><lb/> <l>Mit Singen himmelwaͤrts,</l><lb/> <l>In linden Maientagen,</l><lb/> <l>Kannſt du nicht ruhig ſchlagen,</l><lb/> <l>Du krankes, krankes Herz?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Geh' aus auf gruͤner Haide,</l><lb/> <l>Wo's Bluͤmlein bluͤht voll Freude,</l><lb/> <l>In Duft, Geſang und Strahl;</l><lb/> <l>Leg' dich zu ihm darnieder,</l><lb/> <l>Duft, Himmelsglanz und Lieder,</l><lb/> <l>Die heilen deine Qual.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Laß ganz der Menſchen Streben,</l><lb/> <l>Sey wieder frei gegeben</l><lb/> <l>Der alten Einſamkeit!</l><lb/> <l>Wie Vogel ſingt in Luͤften,</l><lb/> <l>Ausſtroͤmt die Blum' in Duͤften,</l><lb/> <l>Stroͤmt aus, o Herz! dein Leid.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dann kehre ſonder Trauern</l><lb/> <l>In armer Staͤdte Mauern:</l><lb/> <l>Es kehret ohne Weh</l><lb/> <l>Die Blum' in's Erdreich wieder,</l><lb/> <l>Traͤumt Sonnenſchein und Lieder</l><lb/> <l>Tief unter Eis und Schnee.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [158/0170]
Rath im Mai.
Wo Saaten ſich erheben,
Wo froh die Voͤgel ſchweben
Mit Singen himmelwaͤrts,
In linden Maientagen,
Kannſt du nicht ruhig ſchlagen,
Du krankes, krankes Herz?
Geh' aus auf gruͤner Haide,
Wo's Bluͤmlein bluͤht voll Freude,
In Duft, Geſang und Strahl;
Leg' dich zu ihm darnieder,
Duft, Himmelsglanz und Lieder,
Die heilen deine Qual.
Laß ganz der Menſchen Streben,
Sey wieder frei gegeben
Der alten Einſamkeit!
Wie Vogel ſingt in Luͤften,
Ausſtroͤmt die Blum' in Duͤften,
Stroͤmt aus, o Herz! dein Leid.
Dann kehre ſonder Trauern
In armer Staͤdte Mauern:
Es kehret ohne Weh
Die Blum' in's Erdreich wieder,
Traͤumt Sonnenſchein und Lieder
Tief unter Eis und Schnee.
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