Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6).
Gleiche Bildung für Mann und Frau!
als
möglich erzogen werden; damit sie diese Unmündigen möglichst gut führen
und leiten können, darum müssen sie
selbst möglichst unmündig sein?!
Gott sei Dank, daß wir diese
Logik nicht auf unserm Gewissen haben!
Also: für die Frau, welche der gelehrten Bildung bedarf, fordern wir
dieselben Bildungsanstalten, die dem Manne, welche der gelehrten Bildung
bedarf, gewährt sind: Gymnasium und Universität. Für die Frau, welche
nicht der gelehrten Bildung bedarf, sondern nur einer
möglichst guten
Vorbereitung zur Erfüllung ihres nicht gelehrten, ihres natürlichen Berufs,
fordern
wiewir dieselben
Bildungsanstalten, die dem Manne, welcher ebenfalls
nicht der gelehrten
Bildung bedarf, sondern ebenfalls nur einer möglichst
guten Vorbereitung
zur Erfüllung seines nicht gelehrten Berufs, zur
Ver
fügung stehen. Diese Gleichheit in der Erziehung der beiden
Geschlechter ist es,
die wir erstreben, zum Wohle der Frau und damit zum
Wohle der Gesamtheit,
zum Wohle der Gesamtheit und damit zum Wohle des
Mannes. Wir halten
diese Reform für notwendig, weil wir ihre Resultate für
notwendig halten.
Auf diese notwendige Reform möchte ich Jhre Aufmerksamkeit aber
noch aus
einem anderen Grunde richten, aus einem Grunde, der in meinen
Augen der
umfassendste, tendenziös wichtigste ist. Sie wissen, meine Damen,
was
Frauenemanzipation ist; ich meine, was Frauenemanzipation ist, ver
glichen
mit dem, was man vielfach irrtümlich darunter versteht. Nun
denn! nichts
kann für die Vertreter dieser Frauenemanzipation von größerer
Bedeutung
sein, als eine Untersuchung über die Ursache, welche, wie man
behauptet,
die Unterordnung der Frau, also jenen Zustand herbeigeführt hat,
der von
der Emanzipation bekämpft wird. Für die Ursache dieses Zustandes
erklärt
man die angeborene geistige Jnferiorität der Frau. Diese hält man
für
erwiesen. Die Resultate einer der Frau gewährten schlechteren
Schulbildung vergleicht man mit den Resultaten einer
dem Manne ge
währten besseren Schulbildung; und da
diese Resultate genau diesen
beiden Arten von Schulbildung entsprechen
- d. h. da die Leistungen der
schlecht unterrichteten Frauen im
Vergleich zu denen der gut unterrichteten
Männer im allgemeinen inferiore
sind - so folgert man daraus die
angeborene
geistige Jnferiorität der Frau. Da, wie gesagt, diese Folgerung
die Basis
bildet für die heutige Behandlung der Frau, so müssen die Ver
treter der
Frauenemanzipation, welche diese Behandlung als eine unhaltbare
erweisen
wollen, zunächst den Beweis erbringen können, daß die Basis
dieser Behandlung eine unhaltbare ist: die Annahme von der
angeborenen
geistigen Jnferiorität der Frau.
Gleiche Bildung für Mann und Frau!
als
möglich erzogen werden; damit sie diese Unmündigen möglichst gut führen
und leiten können, darum müssen sie
selbst möglichst unmündig sein?!
Gott sei Dank, daß wir diese
Logik nicht auf unserm Gewissen haben!
Also: für die Frau, welche der gelehrten Bildung bedarf, fordern wir
dieselben Bildungsanstalten, die dem Manne, welche der gelehrten Bildung
bedarf, gewährt sind: Gymnasium und Universität. Für die Frau, welche
nicht der gelehrten Bildung bedarf, sondern nur einer
möglichst guten
Vorbereitung zur Erfüllung ihres nicht gelehrten, ihres natürlichen Berufs,
fordern
wiewir dieselben
Bildungsanstalten, die dem Manne, welcher ebenfalls
nicht der gelehrten
Bildung bedarf, sondern ebenfalls nur einer möglichst
guten Vorbereitung
zur Erfüllung seines nicht gelehrten Berufs, zur
Ver
fügung stehen. Diese Gleichheit in der Erziehung der beiden
Geschlechter ist es,
die wir erstreben, zum Wohle der Frau und damit zum
Wohle der Gesamtheit,
zum Wohle der Gesamtheit und damit zum Wohle des
Mannes. Wir halten
diese Reform für notwendig, weil wir ihre Resultate für
notwendig halten.
Auf diese notwendige Reform möchte ich Jhre Aufmerksamkeit aber
noch aus
einem anderen Grunde richten, aus einem Grunde, der in meinen
Augen der
umfassendste, tendenziös wichtigste ist. Sie wissen, meine Damen,
was
Frauenemanzipation ist; ich meine, was Frauenemanzipation ist, ver
glichen
mit dem, was man vielfach irrtümlich darunter versteht. Nun
denn! nichts
kann für die Vertreter dieser Frauenemanzipation von größerer
Bedeutung
sein, als eine Untersuchung über die Ursache, welche, wie man
behauptet,
die Unterordnung der Frau, also jenen Zustand herbeigeführt hat,
der von
der Emanzipation bekämpft wird. Für die Ursache dieses Zustandes
erklärt
man die angeborene geistige Jnferiorität der Frau. Diese hält man
für
erwiesen. Die Resultate einer der Frau gewährten schlechteren
Schulbildung vergleicht man mit den Resultaten einer
dem Manne ge
währten besseren Schulbildung; und da
diese Resultate genau diesen
beiden Arten von Schulbildung entsprechen
– d. h. da die Leistungen der
schlecht unterrichteten Frauen im
Vergleich zu denen der gut unterrichteten
Männer im allgemeinen inferiore
sind – so folgert man daraus die
angeborene
geistige Jnferiorität der Frau. Da, wie gesagt, diese Folgerung
die Basis
bildet für die heutige Behandlung der Frau, so müssen die Ver
treter der
Frauenemanzipation, welche diese Behandlung als eine unhaltbare
erweisen
wollen, zunächst den Beweis erbringen können, daß die Basis
dieser Behandlung eine unhaltbare ist: die Annahme von der
angeborenen
geistigen Jnferiorität der Frau.
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Für die Frau, welchenicht der gelehrten Bildung bedarf, sondern nur einer möglichst guten Vorbereitung zur Erfüllung ihres nicht gelehrten, ihres natürlichen Berufs, fordern wiewir dieselben Bildungsanstalten, die dem Manne, welcher ebenfalls nicht der gelehrten Bildung bedarf, sondern ebenfalls nur einer möglichst guten Vorbereitung zur Erfüllung seines nicht gelehrten Berufs, zur Ver fügung stehen. Diese Gleichheit in der Erziehung der beiden Geschlechter ist es, die wir erstreben, zum Wohle der Frau und damit zum Wohle der Gesamtheit, zum Wohle der Gesamtheit und damit zum Wohle des Mannes. Wir halten diese Reform für notwendig, weil wir ihre Resultate für notwendig halten. Auf diese notwendige Reform möchte ich Jhre Aufmerksamkeit aber noch aus einem anderen Grunde richten, aus einem Grunde, der in meinen Augen der umfassendste, tendenziös wichtigste ist. Sie wissen, meine Damen, was Frauenemanzipation ist; ich meine, was Frauenemanzipation ist, ver glichen mit dem, was man vielfach irrtümlich darunter versteht. Nun denn! nichts kann für die Vertreter dieser Frauenemanzipation von größerer Bedeutung sein, als eine Untersuchung über die Ursache, welche, wie man behauptet, die Unterordnung der Frau, also jenen Zustand herbeigeführt hat, der von der Emanzipation bekämpft wird. Für die Ursache dieses Zustandes erklärt man die angeborene geistige Jnferiorität der Frau. Diese hält man für erwiesen. Die Resultate einer der Frau gewährten schlechteren Schulbildung vergleicht man mit den Resultaten einer dem Manne ge währten besseren Schulbildung; und da diese Resultate genau diesen beiden Arten von Schulbildung entsprechen – d. h. da die Leistungen der schlecht unterrichteten Frauen im Vergleich zu denen der gut unterrichteten Männer im allgemeinen inferiore sind – so folgert man daraus die angeborene geistige Jnferiorität der Frau. Da, wie gesagt, diese Folgerung die Basis bildet für die heutige Behandlung der Frau, so müssen die Ver treter der Frauenemanzipation, welche diese Behandlung als eine unhaltbare erweisen wollen, zunächst den Beweis erbringen können, daß die Basis dieser Behandlung eine unhaltbare ist: die Annahme von der angeborenen geistigen Jnferiorität der Frau.
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und JLU Gießen: Bereitstellung der
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(2022-02-08T18:24:57Z)
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