Kettler, Hedwig Johanna: Gleiche Bildung für Mann und Frau! Weimar, 1891 (= Bibliothek der Frauenfrage, Bd. 6).
Gleiche Bildung für Mann und Frau!
Die angeborene geistige Jnferiorität der Frau aber
beweisen wollen
uns ihrer anerzogenen Jnferiorität,
die Natur des Weibes beurteilen
wollen nach den
Resultaten der Kultur, die man dieser Natur hat an
gedeihen lassen, das ist - verzeihen Sie mir das offene Wort -
das
ist Unsinn!
Nun ist es schon schlimm genug, wenn ein Unsinn nicht allgemein als
ein
solcher erkannt und gebührend gewürdigt wird, noch viel schlimmer indes
ist
es, wenn man einen solchen Unsinn zur Basis nimmt für die Behandlung
einer
ganzen Hälfte der Menschheit, der Frauen. Aber wissen Sie, was
das
Allerschlimmste ist? Das Allerschlimmste ist, daß es diese ganze Hälfte
der
Menschheit, die Frauen, gar nicht einmal empört, auf solche unsinnige
Weise
behandelt zu werden. Das Allerschlimmste ist, daß sie sich gar nicht
bewußt
sind, wie ihre unwürdige Lage die Folge ihrer Unmündigkeit, wie ihre
Unmündigkeit die Folge ihrer mangelhaft entwickelten Jntelligenz, und wie
ihre mangelhaft entwickelte Jntelligenz die Folge ihrer schlechten Schul
bildung ist. Das Allerschlimmste ist, daß die Frau darum auch gar nicht
weiß, daß sie dieselbe Schulbildung braucht wie der Mann, wenn sie die
selbe Jntelligenzentwicklung braucht wie er; daß sie dieselbe
Jntelligenzent-
wickelung braucht wie der Mann, wenn sie dieselbe
Mündigkeit braucht wie
er; und daß sie dieselbe Mündigkeit braucht wie der
Mann, wenn sie dieselben Menschenrechte braucht wie er. Die Frau, welche
gleiche Menschen
rechte fordert mit dem Manne, muß
zuvor das erste und wichtigste dieser
Rechte fordern: das Recht auf gleiche
Bildung mit dem Mann.
Dadurch, daß der Mann der Frau dies erste wichtigste Recht entzogen,
dadurch
hat er ihr auch alle aus diesem ersten Recht resultierenden anderen
Rechte
entzogen und sie für sich allein reserviert. Und kraft der Macht
stellung,
die er durch diese Folgerechte sich erobert hat, verschließt er ihr
immer
wieder von neuem dieses erste Recht, u. s. w. ad
infinitum.
Man kann sich einen Erzieher denken, der den Erzogenen hart straft
für einen
Fehler, den der Erzogene begangen hat: man wird einen solchen
Erzieher
"hart" nennen. Man kann sich einen Erzieher denken, der den
Erzogenen hart straft für einen Fehler, den er, der Erzieher, begangen hat:
man wird einen solchen Erzieher nicht allein "hart", man wird ihn
auch
"ungerecht" nennen. Aber kann man sich einen Erzieher
denken, der so
hart und ungerecht ist, daß er den Erzogenen nicht allein
wegen seines, des
Erziehers, Fehler bestraft, sondern daß er von dem
Bestraften auch noch
Gleiche Bildung für Mann und Frau!
Die angeborene geistige Jnferiorität der Frau aber
beweisen wollen
uns ihrer anerzogenen Jnferiorität,
die Natur des Weibes beurteilen
wollen nach den
Resultaten der Kultur, die man dieser Natur hat an
gedeihen lassen, das ist – verzeihen Sie mir das offene Wort –
das
ist Unsinn!
Nun ist es schon schlimm genug, wenn ein Unsinn nicht allgemein als
ein
solcher erkannt und gebührend gewürdigt wird, noch viel schlimmer indes
ist
es, wenn man einen solchen Unsinn zur Basis nimmt für die Behandlung
einer
ganzen Hälfte der Menschheit, der Frauen. Aber wissen Sie, was
das
Allerschlimmste ist? Das Allerschlimmste ist, daß es diese ganze Hälfte
der
Menschheit, die Frauen, gar nicht einmal empört, auf solche unsinnige
Weise
behandelt zu werden. Das Allerschlimmste ist, daß sie sich gar nicht
bewußt
sind, wie ihre unwürdige Lage die Folge ihrer Unmündigkeit, wie ihre
Unmündigkeit die Folge ihrer mangelhaft entwickelten Jntelligenz, und wie
ihre mangelhaft entwickelte Jntelligenz die Folge ihrer schlechten Schul
bildung ist. Das Allerschlimmste ist, daß die Frau darum auch gar nicht
weiß, daß sie dieselbe Schulbildung braucht wie der Mann, wenn sie die
selbe Jntelligenzentwicklung braucht wie er; daß sie dieselbe
Jntelligenzent-
wickelung braucht wie der Mann, wenn sie dieselbe
Mündigkeit braucht wie
er; und daß sie dieselbe Mündigkeit braucht wie der
Mann, wenn sie dieselben Menschenrechte braucht wie er. Die Frau, welche
gleiche Menschen
rechte fordert mit dem Manne, muß
zuvor das erste und wichtigste dieser
Rechte fordern: das Recht auf gleiche
Bildung mit dem Mann.
Dadurch, daß der Mann der Frau dies erste wichtigste Recht entzogen,
dadurch
hat er ihr auch alle aus diesem ersten Recht resultierenden anderen
Rechte
entzogen und sie für sich allein reserviert. Und kraft der Macht
stellung,
die er durch diese Folgerechte sich erobert hat, verschließt er ihr
immer
wieder von neuem dieses erste Recht, u. s. w. ad
infinitum.
Man kann sich einen Erzieher denken, der den Erzogenen hart straft
für einen
Fehler, den der Erzogene begangen hat: man wird einen solchen
Erzieher
„hart“ nennen. Man kann sich einen Erzieher denken, der den
Erzogenen hart straft für einen Fehler, den er, der Erzieher, begangen hat:
man wird einen solchen Erzieher nicht allein „hart“, man wird ihn
auch
„ungerecht“ nennen. Aber kann man sich einen Erzieher
denken, der so
hart und ungerecht ist, daß er den Erzogenen nicht allein
wegen seines, des
Erziehers, Fehler bestraft, sondern daß er von dem
Bestraften auch noch
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Nun ist es schon schlimm genug, wenn ein Unsinn nicht allgemein als ein solcher erkannt und gebührend gewürdigt wird, noch viel schlimmer indes ist es, wenn man einen solchen Unsinn zur Basis nimmt für die Behandlung einer ganzen Hälfte der Menschheit, der Frauen. Aber wissen Sie, was das Allerschlimmste ist? Das Allerschlimmste ist, daß es diese ganze Hälfte der Menschheit, die Frauen, gar nicht einmal empört, auf solche unsinnige Weise behandelt zu werden. Das Allerschlimmste ist, daß sie sich gar nicht bewußt sind, wie ihre unwürdige Lage die Folge ihrer Unmündigkeit, wie ihre Unmündigkeit die Folge ihrer mangelhaft entwickelten Jntelligenz, und wie ihre mangelhaft entwickelte Jntelligenz die Folge ihrer schlechten Schul bildung ist. Das Allerschlimmste ist, daß die Frau darum auch gar nicht weiß, daß sie dieselbe Schulbildung braucht wie der Mann, wenn sie die selbe Jntelligenzentwicklung braucht wie er; daß sie dieselbe Jntelligenzent- wickelung braucht wie der Mann, wenn sie dieselbe Mündigkeit braucht wie er; und daß sie dieselbe Mündigkeit braucht wie der Mann, wenn sie dieselben Menschenrechte braucht wie er. Die Frau, welche gleiche Menschen rechte fordert mit dem Manne, muß zuvor das erste und wichtigste dieser Rechte fordern: das Recht auf gleiche Bildung mit dem Mann. Dadurch, daß der Mann der Frau dies erste wichtigste Recht entzogen, dadurch hat er ihr auch alle aus diesem ersten Recht resultierenden anderen Rechte entzogen und sie für sich allein reserviert. Und kraft der Macht stellung, die er durch diese Folgerechte sich erobert hat, verschließt er ihr immer wieder von neuem dieses erste Recht, u. s. w. ad infinitum. Man kann sich einen Erzieher denken, der den Erzogenen hart straft für einen Fehler, den der Erzogene begangen hat: man wird einen solchen Erzieher „hart“ nennen. Man kann sich einen Erzieher denken, der den Erzogenen hart straft für einen Fehler, den er, der Erzieher, begangen hat: man wird einen solchen Erzieher nicht allein „hart“, man wird ihn auch „ungerecht“ nennen. Aber kann man sich einen Erzieher denken, der so hart und ungerecht ist, daß er den Erzogenen nicht allein wegen seines, des Erziehers, Fehler bestraft, sondern daß er von dem Bestraften auch noch
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und JLU Gießen: Bereitstellung der
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