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Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Luft - dann rollte über das Schneefeld, an der Waldgrenze prächtig wiederhallend, der helle Knall der Büchse. Die Wölfin heulte wild auf, das Junge winselte; beide wandten sich zur Flucht und verschwanden im Walde. Ueber den Schnee kam ein rascher, leichter Schritt. Der Jäger, der jenen Schuß gethan hatte, trat aus dem Versteck, zog, vom Monde beleuchtet, den Hahn des zweiten Laufes auf und schritt vorsichtig dem Baume zu, um zu sehen, was dort die Wölfe festgehalten und ihm so trefflich zum Schuß gebracht hatte. Da sah er, vom Monde halb erhellt, die herrliche Gestalt des bleichen Mädchens noch in der Haltung, die sie dem Unthier gegenüber behauptet hatte. Noch war der eine Fuß vorgeschoben und trug die Last des übergebeugten Körpers, die runden nervigen Arme huben sich, zum Schwunge ausholend, über das Haupt herauf. Ihr Busen wogte, ihr Mund war mit festem Trotz zusammengepreßt, und das Auge, noch zornfunkelnd und weitgeöffnet, sah den flüchtigen Raubthieren nach. So muß das Weib gewesen sein in jenen ersten Tagen der Welt, als es noch mit dem Manne Haß und Kampf theilte und auf Jagd und Walstatt ihm nachschritt.

Jetzt aber wandte auch sie ihr Auge auf ihren Retter, ein lauter Schrei entfuhr ihr - es war Nikola. Diesen Anblick ertrug sie nicht; vornüberstürzte sie mit der Axt zu Boden und fiel in Ohnmacht über das erschlagene Thier nieder. Nikola hatte anfangs beinahe gemeint eine Erscheinung zu sehen, jetzt sprang er

Luft – dann rollte über das Schneefeld, an der Waldgrenze prächtig wiederhallend, der helle Knall der Büchse. Die Wölfin heulte wild auf, das Junge winselte; beide wandten sich zur Flucht und verschwanden im Walde. Ueber den Schnee kam ein rascher, leichter Schritt. Der Jäger, der jenen Schuß gethan hatte, trat aus dem Versteck, zog, vom Monde beleuchtet, den Hahn des zweiten Laufes auf und schritt vorsichtig dem Baume zu, um zu sehen, was dort die Wölfe festgehalten und ihm so trefflich zum Schuß gebracht hatte. Da sah er, vom Monde halb erhellt, die herrliche Gestalt des bleichen Mädchens noch in der Haltung, die sie dem Unthier gegenüber behauptet hatte. Noch war der eine Fuß vorgeschoben und trug die Last des übergebeugten Körpers, die runden nervigen Arme huben sich, zum Schwunge ausholend, über das Haupt herauf. Ihr Busen wogte, ihr Mund war mit festem Trotz zusammengepreßt, und das Auge, noch zornfunkelnd und weitgeöffnet, sah den flüchtigen Raubthieren nach. So muß das Weib gewesen sein in jenen ersten Tagen der Welt, als es noch mit dem Manne Haß und Kampf theilte und auf Jagd und Walstatt ihm nachschritt.

Jetzt aber wandte auch sie ihr Auge auf ihren Retter, ein lauter Schrei entfuhr ihr – es war Nikola. Diesen Anblick ertrug sie nicht; vornüberstürzte sie mit der Axt zu Boden und fiel in Ohnmacht über das erschlagene Thier nieder. Nikola hatte anfangs beinahe gemeint eine Erscheinung zu sehen, jetzt sprang er

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[0062] Luft – dann rollte über das Schneefeld, an der Waldgrenze prächtig wiederhallend, der helle Knall der Büchse. Die Wölfin heulte wild auf, das Junge winselte; beide wandten sich zur Flucht und verschwanden im Walde. Ueber den Schnee kam ein rascher, leichter Schritt. Der Jäger, der jenen Schuß gethan hatte, trat aus dem Versteck, zog, vom Monde beleuchtet, den Hahn des zweiten Laufes auf und schritt vorsichtig dem Baume zu, um zu sehen, was dort die Wölfe festgehalten und ihm so trefflich zum Schuß gebracht hatte. Da sah er, vom Monde halb erhellt, die herrliche Gestalt des bleichen Mädchens noch in der Haltung, die sie dem Unthier gegenüber behauptet hatte. Noch war der eine Fuß vorgeschoben und trug die Last des übergebeugten Körpers, die runden nervigen Arme huben sich, zum Schwunge ausholend, über das Haupt herauf. Ihr Busen wogte, ihr Mund war mit festem Trotz zusammengepreßt, und das Auge, noch zornfunkelnd und weitgeöffnet, sah den flüchtigen Raubthieren nach. So muß das Weib gewesen sein in jenen ersten Tagen der Welt, als es noch mit dem Manne Haß und Kampf theilte und auf Jagd und Walstatt ihm nachschritt. Jetzt aber wandte auch sie ihr Auge auf ihren Retter, ein lauter Schrei entfuhr ihr – es war Nikola. Diesen Anblick ertrug sie nicht; vornüberstürzte sie mit der Axt zu Boden und fiel in Ohnmacht über das erschlagene Thier nieder. Nikola hatte anfangs beinahe gemeint eine Erscheinung zu sehen, jetzt sprang er

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:40:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:40:10Z)

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Zitationshilfe: Kinkel, Gottfried: Margret. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 199–262. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kinkel_margret_1910/62>, abgerufen am 23.11.2024.