Kinkel, Johanna: Musikalische Orthodoxie. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 99–171. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Selvar'schen Hause trieb man leidenschaftlich die Musik, und hatte sich diese Familie einmal für Ida interessirt, so konnte es ihr nicht fehlen, daß sie in den ersten Häusern Zutritt fand. Frau Werl theilte Ida ihren Plan mit und ermahnte sie, nur ja keine Fugen von Johann Sebastian Bach im Salon des Grafen vorzutragen, weil sie damit Alles verderben würde. Warum soll ich denn nicht mein Bestes leisten? sagte Ida. Ich weiß Nichts, was mehr die Aufmerksamkeit wach erhält, als eine Fuge. Ich möchte deren Stimmengang dem ewigen Wandel der Gestirne vergleichen. Die wunderlich in einander verschlungenen Melismen in den Präludien erinnern mich dagegen an die seltsamen Moose und Steinbildungen, die ich zuweilen gesehen. Frau Werl theilte der jungen Bach-Enthusiastin ihre eigenen Erfahrungen über das Musik-Naschen der Vornehmen mit und brachte sie glücklich Carl Maria von Weber dahin, einige vermittelnde Kompositionen von Hummel und frisch einzuüben, die so ziemlich die Grenze zwischen der gelehrten und ganz trivialen Musik hielten. Um die Theestunde ging sie mit Ida hinüber. Die Gesellschaft sei heute im entferntesten Theile des Gartens unter dem neuen Zelte versammelt, sagte der Diener. Das ist auch eine Liebhaberei des Grafen, er- Selvar'schen Hause trieb man leidenschaftlich die Musik, und hatte sich diese Familie einmal für Ida interessirt, so konnte es ihr nicht fehlen, daß sie in den ersten Häusern Zutritt fand. Frau Werl theilte Ida ihren Plan mit und ermahnte sie, nur ja keine Fugen von Johann Sebastian Bach im Salon des Grafen vorzutragen, weil sie damit Alles verderben würde. Warum soll ich denn nicht mein Bestes leisten? sagte Ida. Ich weiß Nichts, was mehr die Aufmerksamkeit wach erhält, als eine Fuge. Ich möchte deren Stimmengang dem ewigen Wandel der Gestirne vergleichen. Die wunderlich in einander verschlungenen Melismen in den Präludien erinnern mich dagegen an die seltsamen Moose und Steinbildungen, die ich zuweilen gesehen. Frau Werl theilte der jungen Bach-Enthusiastin ihre eigenen Erfahrungen über das Musik-Naschen der Vornehmen mit und brachte sie glücklich Carl Maria von Weber dahin, einige vermittelnde Kompositionen von Hummel und frisch einzuüben, die so ziemlich die Grenze zwischen der gelehrten und ganz trivialen Musik hielten. Um die Theestunde ging sie mit Ida hinüber. Die Gesellschaft sei heute im entferntesten Theile des Gartens unter dem neuen Zelte versammelt, sagte der Diener. Das ist auch eine Liebhaberei des Grafen, er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010"/> Selvar'schen Hause trieb man leidenschaftlich die Musik, und hatte sich diese Familie einmal für Ida interessirt, so konnte es ihr nicht fehlen, daß sie in den ersten Häusern Zutritt fand.</p><lb/> <p>Frau Werl theilte Ida ihren Plan mit und ermahnte sie, nur ja keine Fugen von Johann Sebastian Bach im Salon des Grafen vorzutragen, weil sie damit Alles verderben würde.</p><lb/> <p>Warum soll ich denn nicht mein Bestes leisten? sagte Ida. Ich weiß Nichts, was mehr die Aufmerksamkeit wach erhält, als eine Fuge. Ich möchte deren Stimmengang dem ewigen Wandel der Gestirne vergleichen. Die wunderlich in einander verschlungenen Melismen in den Präludien erinnern mich dagegen an die seltsamen Moose und Steinbildungen, die ich zuweilen gesehen.</p><lb/> <p>Frau Werl theilte der jungen Bach-Enthusiastin ihre eigenen Erfahrungen über das Musik-Naschen der Vornehmen mit und brachte sie glücklich Carl Maria von Weber dahin, einige vermittelnde Kompositionen von Hummel und frisch einzuüben, die so ziemlich die Grenze zwischen der gelehrten und ganz trivialen Musik hielten.</p><lb/> <p>Um die Theestunde ging sie mit Ida hinüber. Die Gesellschaft sei heute im entferntesten Theile des Gartens unter dem neuen Zelte versammelt, sagte der Diener.</p><lb/> <p>Das ist auch eine Liebhaberei des Grafen, er-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Selvar'schen Hause trieb man leidenschaftlich die Musik, und hatte sich diese Familie einmal für Ida interessirt, so konnte es ihr nicht fehlen, daß sie in den ersten Häusern Zutritt fand.
Frau Werl theilte Ida ihren Plan mit und ermahnte sie, nur ja keine Fugen von Johann Sebastian Bach im Salon des Grafen vorzutragen, weil sie damit Alles verderben würde.
Warum soll ich denn nicht mein Bestes leisten? sagte Ida. Ich weiß Nichts, was mehr die Aufmerksamkeit wach erhält, als eine Fuge. Ich möchte deren Stimmengang dem ewigen Wandel der Gestirne vergleichen. Die wunderlich in einander verschlungenen Melismen in den Präludien erinnern mich dagegen an die seltsamen Moose und Steinbildungen, die ich zuweilen gesehen.
Frau Werl theilte der jungen Bach-Enthusiastin ihre eigenen Erfahrungen über das Musik-Naschen der Vornehmen mit und brachte sie glücklich Carl Maria von Weber dahin, einige vermittelnde Kompositionen von Hummel und frisch einzuüben, die so ziemlich die Grenze zwischen der gelehrten und ganz trivialen Musik hielten.
Um die Theestunde ging sie mit Ida hinüber. Die Gesellschaft sei heute im entferntesten Theile des Gartens unter dem neuen Zelte versammelt, sagte der Diener.
Das ist auch eine Liebhaberei des Grafen, er-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T13:10:50Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T13:10:50Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |