Kirchhoff, Auguste: Zur Entwicklung der Frauenstimmrechts-Bewegung. Bremen, [1916].und aus andern Gebieten innerer und äußerer Politik arbeitete Der bayrische Verein unterschied sich von allen andern Während der Verband so nach außen hin wuchs und all- Als im Jahre 1907 auf der dritten Verbandstagung in Das bedeutete keineswegs eine Neuerung oder Änderung und aus andern Gebieten innerer und äußerer Politik arbeitete Der bayrische Verein unterschied sich von allen andern Während der Verband so nach außen hin wuchs und all- Als im Jahre 1907 auf der dritten Verbandstagung in Das bedeutete keineswegs eine Neuerung oder Änderung <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0008" n="8"/> und aus andern Gebieten innerer und äußerer Politik arbeitete<lb/> er an der politischen Schulung der Frauen und nahm Stellung<lb/> zu allen schwebenden Zeitfragen. Petitionen und Eingaben an<lb/> Reichs- und Landtage, Mitarbeit anläßlich der Wahlen zu den<lb/> gesetzgebenden Körperschaften, zu Krankenkassen und Han-<lb/> delskammern ist überall zu finden.</p><lb/> <p>Der bayrische Verein unterschied sich von allen andern<lb/> durch die besondere Taktik seiner Kampfesweise. Er veran-<lb/> staltete die erste Demonstrationsfahrt für Frauenstimmrecht in<lb/> Deutschland und zwar in München in blumengeschmückten Wa-<lb/> gen mit Propagandaplakaten. Er ließ bei allgemeinen Wah-<lb/> len Plakatträgerinnen mit Aufschriften für Frauenstimmrecht<lb/> durch die Straßen ziehen. An Wahltagen veranlaßte er die<lb/> Frauen in den Wahllokalen zu erscheinen und ihre Zulassung<lb/> zur Urne zu verlangen, beziehungsweise auf die Aufnahme<lb/> eines Protestes gegen ihren Ausschluß im Wahlprotokoll zu<lb/> bestehen, ein Vorgehen, das auch in außerbayrischen Ortsgrup-<lb/> - pen Nachahmung fand. Besondere Erwähnung verdient auch<lb/> sein nachdrückliches Eintreten für die Suffragettes, für deren<lb/> Kampfesweise er ein gerechteres Verständnis zu wecken suchte.</p><lb/> <p>Während der Verband so nach außen hin wuchs und all-<lb/> mählich zu einem Faktor wurde, dem man, anstatt ihn zu be-<lb/> lächeln und zu verspotten, Beachtung schenkte, bereiteten sich<lb/> im Jnnern langsam Kämpfe vor, die schließlich zur Spaltung<lb/> der Organisation führen mußten.</p><lb/> <p>Als im Jahre 1907 auf der dritten Verbandstagung in<lb/> Frankfurt a./M. die Satzungen einer Revision unterzogen wur-<lb/> den, wurde im § 3 die Forderung des allgemeinen, gleichen, ge-<lb/> heimen und direkten Wahlrechts als eines verpflichtenden Prin-<lb/> zips in die Satzungen aufgenommen.</p><lb/> <p>Das bedeutete keineswegs eine Neuerung oder Änderung<lb/> in den Grundsätzen des Verbandes, sondern diese Forderung<lb/><choice><sic>in den Grundsätzen des Verbandes, sondern diese Forderung</sic><corr>war den Gründerinnen Selbstverständlichkeit und stillschwei-</corr></choice><lb/> gende Voraussetzung gewesen. Erst als von rechts und links<lb/> Zweifel daran laut wurden, glaubte der Verband es sich selbst<lb/></p> </body> </text> </TEI> [8/0008]
und aus andern Gebieten innerer und äußerer Politik arbeitete
er an der politischen Schulung der Frauen und nahm Stellung
zu allen schwebenden Zeitfragen. Petitionen und Eingaben an
Reichs- und Landtage, Mitarbeit anläßlich der Wahlen zu den
gesetzgebenden Körperschaften, zu Krankenkassen und Han-
delskammern ist überall zu finden.
Der bayrische Verein unterschied sich von allen andern
durch die besondere Taktik seiner Kampfesweise. Er veran-
staltete die erste Demonstrationsfahrt für Frauenstimmrecht in
Deutschland und zwar in München in blumengeschmückten Wa-
gen mit Propagandaplakaten. Er ließ bei allgemeinen Wah-
len Plakatträgerinnen mit Aufschriften für Frauenstimmrecht
durch die Straßen ziehen. An Wahltagen veranlaßte er die
Frauen in den Wahllokalen zu erscheinen und ihre Zulassung
zur Urne zu verlangen, beziehungsweise auf die Aufnahme
eines Protestes gegen ihren Ausschluß im Wahlprotokoll zu
bestehen, ein Vorgehen, das auch in außerbayrischen Ortsgrup-
- pen Nachahmung fand. Besondere Erwähnung verdient auch
sein nachdrückliches Eintreten für die Suffragettes, für deren
Kampfesweise er ein gerechteres Verständnis zu wecken suchte.
Während der Verband so nach außen hin wuchs und all-
mählich zu einem Faktor wurde, dem man, anstatt ihn zu be-
lächeln und zu verspotten, Beachtung schenkte, bereiteten sich
im Jnnern langsam Kämpfe vor, die schließlich zur Spaltung
der Organisation führen mußten.
Als im Jahre 1907 auf der dritten Verbandstagung in
Frankfurt a./M. die Satzungen einer Revision unterzogen wur-
den, wurde im § 3 die Forderung des allgemeinen, gleichen, ge-
heimen und direkten Wahlrechts als eines verpflichtenden Prin-
zips in die Satzungen aufgenommen.
Das bedeutete keineswegs eine Neuerung oder Änderung
in den Grundsätzen des Verbandes, sondern diese Forderung
war den Gründerinnen Selbstverständlichkeit und stillschwei-
gende Voraussetzung gewesen. Erst als von rechts und links
Zweifel daran laut wurden, glaubte der Verband es sich selbst
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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen
: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-25T17:57:43Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-25T17:57:43Z)
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