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Kirchhoff, Auguste: Zur Entwicklung der Frauenstimmrechts-Bewegung. Bremen, [1916].

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schuldig zu sein, diesen seinen Grundsatz durch Einfügung in die
Statuten vor aller Welt bekennen zu müssen. Gegen 2 Stim-
men wurde die Wahlrechtsforderung aufgenommen, die das
Ansehen der Organisation bei den politischen Parteien hob und
festigte. Aus meinen eigenen Erfahrungen als Vorstandsmit-
glied des Bremer Vereins kann ich bestätigen, daß niemand die
Festlegung unseres Grundprinzips als Neuerung empfand.
Keinerlei Opposition machte sich gegen die Aufnahme des Wahl-
rechtsparagraphen geltend, der auch von der Mitgliederver-
sammlung ohne jede Diskussion angenommen wurde.

Aber die allmählich in die Breite gehende Stimmrechts-
bewegung nahm im Laufe der Zeit manche konservativen und
nationalliberalen Elemente in sich auf, denen teils aus takti-
schen, teils aus prinzipiellen Gründen die demokratische Wahl-
rechtsforderung nicht paßte. So organisierte sich innerhalb des
Verbandes die Opposition, und es kam zur Gründung einer
zweiten Bewegung unter gemäßigtem Programm, in Schlesien
unter Frau Wegener, in Rheinland und Westfalen unter Frau
Fischer-Eckert.

Aus der Münchener Generalversammlung 1909 gab diese
Opposition Anlaß zu den ersten Kämpfen und Auseinander-
setzungen. Die ausgetretenen Gruppen schlossen sich zusammen
zum schlesischen und zum nordwestdeutschen Verband und for-
derten, indem sie unser Programm als "parteipolitisch" bezeich-
neten, das Wahlrecht "unter den gleichen Bedingungen wie die
Männer es haben und haben werden. "

1911 schlossen sich die beiden Gruppen mit dem inzwischen
in Hamburg unter Frau Dehmel gegründeten "Norddeutschen
Verband" zusammen zur "Deutschen Vereinigung für Frauen-
stimmrecht". An die Spitze trat Frau Fischer-Eckert.

Jnzwischen hatte die Hamburger Generalversammlung
Okt. 1911 dem Verband heiße Kämpfe wegen des Wahlrechts-
paragraphen gebracht. Zwar ging der hessische Antrag auf
Abänderung der klaren Wahlrechtsforderung in den Satz: "Der
Verband erstrebt volle Staatsbürgerrechte für alle Frauen",

schuldig zu sein, diesen seinen Grundsatz durch Einfügung in die
Statuten vor aller Welt bekennen zu müssen. Gegen 2 Stim-
men wurde die Wahlrechtsforderung aufgenommen, die das
Ansehen der Organisation bei den politischen Parteien hob und
festigte. Aus meinen eigenen Erfahrungen als Vorstandsmit-
glied des Bremer Vereins kann ich bestätigen, daß niemand die
Festlegung unseres Grundprinzips als Neuerung empfand.
Keinerlei Opposition machte sich gegen die Aufnahme des Wahl-
rechtsparagraphen geltend, der auch von der Mitgliederver-
sammlung ohne jede Diskussion angenommen wurde.

Aber die allmählich in die Breite gehende Stimmrechts-
bewegung nahm im Laufe der Zeit manche konservativen und
nationalliberalen Elemente in sich auf, denen teils aus takti-
schen, teils aus prinzipiellen Gründen die demokratische Wahl-
rechtsforderung nicht paßte. So organisierte sich innerhalb des
Verbandes die Opposition, und es kam zur Gründung einer
zweiten Bewegung unter gemäßigtem Programm, in Schlesien
unter Frau Wegener, in Rheinland und Westfalen unter Frau
Fischer-Eckert.

Aus der Münchener Generalversammlung 1909 gab diese
Opposition Anlaß zu den ersten Kämpfen und Auseinander-
setzungen. Die ausgetretenen Gruppen schlossen sich zusammen
zum schlesischen und zum nordwestdeutschen Verband und for-
derten, indem sie unser Programm als „parteipolitisch“ bezeich-
neten, das Wahlrecht „unter den gleichen Bedingungen wie die
Männer es haben und haben werden. “

1911 schlossen sich die beiden Gruppen mit dem inzwischen
in Hamburg unter Frau Dehmel gegründeten „Norddeutschen
Verband“ zusammen zur „Deutschen Vereinigung für Frauen-
stimmrecht“. An die Spitze trat Frau Fischer-Eckert.

Jnzwischen hatte die Hamburger Generalversammlung
Okt. 1911 dem Verband heiße Kämpfe wegen des Wahlrechts-
paragraphen gebracht. Zwar ging der hessische Antrag auf
Abänderung der klaren Wahlrechtsforderung in den Satz: „Der
Verband erstrebt volle Staatsbürgerrechte für alle Frauen“,

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[9/0009] schuldig zu sein, diesen seinen Grundsatz durch Einfügung in die Statuten vor aller Welt bekennen zu müssen. Gegen 2 Stim- men wurde die Wahlrechtsforderung aufgenommen, die das Ansehen der Organisation bei den politischen Parteien hob und festigte. Aus meinen eigenen Erfahrungen als Vorstandsmit- glied des Bremer Vereins kann ich bestätigen, daß niemand die Festlegung unseres Grundprinzips als Neuerung empfand. Keinerlei Opposition machte sich gegen die Aufnahme des Wahl- rechtsparagraphen geltend, der auch von der Mitgliederver- sammlung ohne jede Diskussion angenommen wurde. Aber die allmählich in die Breite gehende Stimmrechts- bewegung nahm im Laufe der Zeit manche konservativen und nationalliberalen Elemente in sich auf, denen teils aus takti- schen, teils aus prinzipiellen Gründen die demokratische Wahl- rechtsforderung nicht paßte. So organisierte sich innerhalb des Verbandes die Opposition, und es kam zur Gründung einer zweiten Bewegung unter gemäßigtem Programm, in Schlesien unter Frau Wegener, in Rheinland und Westfalen unter Frau Fischer-Eckert. Aus der Münchener Generalversammlung 1909 gab diese Opposition Anlaß zu den ersten Kämpfen und Auseinander- setzungen. Die ausgetretenen Gruppen schlossen sich zusammen zum schlesischen und zum nordwestdeutschen Verband und for- derten, indem sie unser Programm als „parteipolitisch“ bezeich- neten, das Wahlrecht „unter den gleichen Bedingungen wie die Männer es haben und haben werden. “ 1911 schlossen sich die beiden Gruppen mit dem inzwischen in Hamburg unter Frau Dehmel gegründeten „Norddeutschen Verband“ zusammen zur „Deutschen Vereinigung für Frauen- stimmrecht“. An die Spitze trat Frau Fischer-Eckert. Jnzwischen hatte die Hamburger Generalversammlung Okt. 1911 dem Verband heiße Kämpfe wegen des Wahlrechts- paragraphen gebracht. Zwar ging der hessische Antrag auf Abänderung der klaren Wahlrechtsforderung in den Satz: „Der Verband erstrebt volle Staatsbürgerrechte für alle Frauen“,

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Zitationshilfe: Kirchhoff, Auguste: Zur Entwicklung der Frauenstimmrechts-Bewegung. Bremen, [1916], S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kirchhoff_entwicklung_1916/9>, abgerufen am 28.04.2024.