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Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645.

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der Teutschen Poeterey.

Jns gemein soll ein jeder gedenken/ es sey die Poesis ein Bild/
heller als ein Hiacynth/ röhtlicher denn ein Rubin/ grüner als ein
Smaragd/ etc. Eine Nymfe/ die da besitze einen unzehlbaren Reich-
thum der Wolredenheit/ einen überschwenglichen Schatz von Ge-
dächtnissprüchen.

Die/ wenn sie mit ihren jungfräulichen Geber den ihre Gedanken an Tag
gibt/ einen jeden bezwinget zu gläuben/ was er vor verneinet/ zu lieben/
was er angefeindet/ zu loben/ was er verachtet/ die wann sie die Helden-
thaten entwirfft/ gebieret eine ziemende Hoffart/ ja sie ist eine Vberwin-
derin der Seelen/ und Meisterin der Sinnen.

Nun so besinnet euch doch einmals ihr Edlen Teutschen eines
bessern/ rettet und errettet eure Heldensprache von dem Außländischen
Joche/ wollet ihr euch dann nicht einmal über die Sprache erbarmen/
die sich so mildiglich euer erbarmet/ und uns mit beyden Händen
Zwangsweise/ die selbe eivrig zu lieben/ nach sich zeihet?

Was hat man doch vor Lust an dem Gelispel der Jtaliäner/ an
dem Flik- und Stikwerk der Frantzosen/ an dem Sprachenschaum der
Engelländer. Noch dennoch kan kein Gruß zum theursten abgeleget
werden/ es muß/ zu grossem Schimpf- und Nachtheil des gantzen
Teutschen Geschlechts/ etwas fremdes miteingemenget werden: Wel-
cher Meinung H. Opitz in seiner Hechelschrifft von einem solchen ge-
welschten Teutschen erzehlet/ daß er gesagt: Der Monsieur alsein bra-
ver Cavallier erzeige mir die Plaisirs, ich bin des H. Serviteure, recom-
mandire
mich in seine Favor; und von einem andern meldet/ er habe
die Jungfrau gebeten/ sie wolle das to prepon observiren.

Eben dergleichen Sinnes ist auch gewesen Abraham Kolbin-
ger/ ein Augspurger: Als mit dem Kriegswesen die fremden Wörter
eingeschlichen/ Marchiren vor Aufbrechen oder Fortziehen/ Bataille vor
Schlachtordnung/ Corporal vor Rotmeister/ Sergeant vor Feldwe-
bel/ Parapet vor Brustwehr/ sagte obengedachter: Ob das nicht eine
algemeine Schande were/ daß wir von den Fremden die Wörter

lernen
der Teutſchen Poeterey.

Jns gemein ſoll ein jeder gedenken/ es ſey die Poeſis ein Bild/
heller als ein Hiacynth/ roͤhtlicher denn ein Rubin/ gruͤner als ein
Smaragd/ etc. Eine Nymfe/ die da beſitze einen unzehlbaren Reich-
thum der Wolredenheit/ einen uͤberſchwenglichen Schatz von Ge-
daͤchtnisſpruͤchen.

Die/ weñ ſie mit ihꝛen jungfꝛaͤulichẽ Geber den ihre Gedankẽ an Tag
gibt/ einen jeden bezwinget zu glaͤuben/ was er vor verneinet/ zu lieben/
was er angefeindet/ zu loben/ was er verachtet/ die wann ſie die Helden-
thaten entwirfft/ gebieret eine ziemende Hoffart/ ja ſie iſt eine Vberwin-
derin der Seelen/ und Meiſterin der Sinnen.

Nun ſo beſinnet euch doch einmals ihr Edlen Teutſchen eines
beſſern/ rettet und errettet eure Heldenſprache von dem Außlaͤndiſchen
Joche/ wollet ihr euch dann nicht einmal uͤber die Sprache erbarmen/
die ſich ſo mildiglich euer erbarmet/ und uns mit beyden Haͤnden
Zwangsweiſe/ die ſelbe eivrig zu lieben/ nach ſich zeihet?

Was hat man doch vor Luſt an dem Geliſpel der Jtaliaͤner/ an
dem Flik- und Stikwerk der Frantzoſen/ an dem Sprachenſchaum der
Engellaͤnder. Noch dennoch kan kein Gruß zum theurſten abgeleget
werden/ es muß/ zu groſſem Schimpf- und Nachtheil des gantzen
Teutſchen Geſchlechts/ etwas fremdes miteingemenget werdẽ: Wel-
cher Meinung H. Opitz in ſeiner Hechelſchrifft von einem ſolchen ge-
welſchten Teutſchen erzehlet/ daß er geſagt: Der Monſieur alsein bra-
ver Cavallier erzeige mir die Plaiſirs, ich bin des H. Serviteure, recom-
mandire
mich in ſeine Favor; und von einem andern meldet/ er habe
die Jungfrau gebeten/ ſie wolle das τὸ πρέπον obſerviren.

Eben dergleichen Sinnes iſt auch geweſen Abraham Kolbin-
ger/ ein Augſpurger: Als mit dem Kriegsweſen die fremden Woͤrter
eingeſchlichen/ Marchiren vor Aufbrechen oder Fortziehen/ Bataille vor
Schlachtordnung/ Corporal vor Rotmeiſter/ Sergeant vor Feldwe-
bel/ Parapet vor Bruſtwehr/ ſagte obengedachter: Ob das nicht eine
algemeine Schande were/ daß wir von den Fremden die Woͤrter

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[23/0037] der Teutſchen Poeterey. Jns gemein ſoll ein jeder gedenken/ es ſey die Poeſis ein Bild/ heller als ein Hiacynth/ roͤhtlicher denn ein Rubin/ gruͤner als ein Smaragd/ etc. Eine Nymfe/ die da beſitze einen unzehlbaren Reich- thum der Wolredenheit/ einen uͤberſchwenglichen Schatz von Ge- daͤchtnisſpruͤchen. Die/ weñ ſie mit ihꝛen jungfꝛaͤulichẽ Geber den ihre Gedankẽ an Tag gibt/ einen jeden bezwinget zu glaͤuben/ was er vor verneinet/ zu lieben/ was er angefeindet/ zu loben/ was er verachtet/ die wann ſie die Helden- thaten entwirfft/ gebieret eine ziemende Hoffart/ ja ſie iſt eine Vberwin- derin der Seelen/ und Meiſterin der Sinnen. Nun ſo beſinnet euch doch einmals ihr Edlen Teutſchen eines beſſern/ rettet und errettet eure Heldenſprache von dem Außlaͤndiſchen Joche/ wollet ihr euch dann nicht einmal uͤber die Sprache erbarmen/ die ſich ſo mildiglich euer erbarmet/ und uns mit beyden Haͤnden Zwangsweiſe/ die ſelbe eivrig zu lieben/ nach ſich zeihet? Was hat man doch vor Luſt an dem Geliſpel der Jtaliaͤner/ an dem Flik- und Stikwerk der Frantzoſen/ an dem Sprachenſchaum der Engellaͤnder. Noch dennoch kan kein Gruß zum theurſten abgeleget werden/ es muß/ zu groſſem Schimpf- und Nachtheil des gantzen Teutſchen Geſchlechts/ etwas fremdes miteingemenget werdẽ: Wel- cher Meinung H. Opitz in ſeiner Hechelſchrifft von einem ſolchen ge- welſchten Teutſchen erzehlet/ daß er geſagt: Der Monſieur alsein bra- ver Cavallier erzeige mir die Plaiſirs, ich bin des H. Serviteure, recom- mandire mich in ſeine Favor; und von einem andern meldet/ er habe die Jungfrau gebeten/ ſie wolle das τὸ πρέπον obſerviren. Eben dergleichen Sinnes iſt auch geweſen Abraham Kolbin- ger/ ein Augſpurger: Als mit dem Kriegsweſen die fremden Woͤrter eingeſchlichen/ Marchiren vor Aufbrechen oder Fortziehen/ Bataille vor Schlachtordnung/ Corporal vor Rotmeiſter/ Sergeant vor Feldwe- bel/ Parapet vor Bruſtwehr/ ſagte obengedachter: Ob das nicht eine algemeine Schande were/ daß wir von den Fremden die Woͤrter lernen

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Zitationshilfe: Klaj, Johann: Lobrede der Teutschen Poeterey. Nürnberg, 1645, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klaj_lobrede_1645/37>, abgerufen am 21.11.2024.