Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.
pkl_108.001 §. 161. Was den Stoff an sich betrifft, so muß pkl_108.013
pkl_108.001 §. 161. Was den Stoff an sich betrifft, so muß pkl_108.013 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0134" n="108"/><lb n="pkl_108.001"/> der Zeit von ihrer verderblichen, oder</hi> die <lb n="pkl_108.002"/> <hi rendition="#g">weniger schädlichen Schwächen, Thorheiten <lb n="pkl_108.003"/> und kleinlichen Bestrebungen derselben von <lb n="pkl_108.004"/> ihrer lächerlichen Seite</hi> darstellt. Es giebt also <lb n="pkl_108.005"/> eine <hi rendition="#g">ernste</hi> und eine <hi rendition="#g">scherzhafte</hi> oder <hi rendition="#g">komische</hi> <lb n="pkl_108.006"/> Satyre. Die Satyre, sei sie nun ernst oder komisch <lb n="pkl_108.007"/> gehalten, hat immer <hi rendition="#g">didaktische</hi> Zwecke: sie will beschämen, <lb n="pkl_108.008"/> strafen, bessern oder warnen. Damit sie ihre <lb n="pkl_108.009"/> poetische Sendung erreiche, ist <hi rendition="#g">richtige Wahl</hi> und <lb n="pkl_108.010"/> dann <hi rendition="#g">richtige Auffassung</hi> und <hi rendition="#g">Darstellung</hi> des <lb n="pkl_108.011"/> <hi rendition="#g">Stoffes</hi> besonders nöthig.</p> <lb n="pkl_108.012"/> <p> §. 161. Was den <hi rendition="#g">Stoff an sich</hi> betrifft, so muß <lb n="pkl_108.013"/> sich der Dichter zunächst klar sein, daß er wirklich vor <lb n="pkl_108.014"/> das Forum der <hi rendition="#g">Satyre</hi> gehöre, daß er weder <hi rendition="#g">über,</hi> <lb n="pkl_108.015"/> noch <hi rendition="#g">unter</hi> dem Horizonte derselben liege. <hi rendition="#g">Ueber</hi> dem <lb n="pkl_108.016"/> Horizonte der Satyre liegen wirkliche Laster und Verbrechen: <lb n="pkl_108.017"/> sie verlangen <hi rendition="#g">höhere,</hi> schneidendere, wirksamere <lb n="pkl_108.018"/> Waffen, als die Poesie zu bieten vermag. Als <lb n="pkl_108.019"/> <hi rendition="#g">unter</hi> dem Horizonte des satyrischen Gedichts liegend, <lb n="pkl_108.020"/> sehen wir das an, was so unbedeutend und unbekannt <lb n="pkl_108.021"/> oder gar so gemein ist, daß sich die Dichtkunst durch <lb n="pkl_108.022"/> seine Bekämpfung nur entehren würde. Die meisten <lb n="pkl_108.023"/> deutschen Satyriker haben sich namentlich den letztern <lb n="pkl_108.024"/> Fehler zu Schulden kommen lassen — <hi rendition="#g">sie bewegen <lb n="pkl_108.025"/> sich großentheils</hi> in einer zu <hi rendition="#g">niedern, zu geringen <lb n="pkl_108.026"/> Spähre.</hi> Zum Beleg dieser Behauptung erinnern <lb n="pkl_108.027"/> wir nur an <hi rendition="#g">Rabener,</hi> den man gewohnt ist, <lb n="pkl_108.028"/> als einen unserer bedeutendsten Satyren-Dichter zu <lb n="pkl_108.029"/> betrachten. Was er bekämpft, „gehört der Oeffentlichkeit <lb n="pkl_108.030"/> gar nicht an, sondern den Kaffeegesellschaften, <lb n="pkl_108.031"/> Schenken, höchstens den Casinos seiner Zeit; es wird </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0134]
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der Zeit von ihrer verderblichen, oder die pkl_108.002
weniger schädlichen Schwächen, Thorheiten pkl_108.003
und kleinlichen Bestrebungen derselben von pkl_108.004
ihrer lächerlichen Seite darstellt. Es giebt also pkl_108.005
eine ernste und eine scherzhafte oder komische pkl_108.006
Satyre. Die Satyre, sei sie nun ernst oder komisch pkl_108.007
gehalten, hat immer didaktische Zwecke: sie will beschämen, pkl_108.008
strafen, bessern oder warnen. Damit sie ihre pkl_108.009
poetische Sendung erreiche, ist richtige Wahl und pkl_108.010
dann richtige Auffassung und Darstellung des pkl_108.011
Stoffes besonders nöthig.
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§. 161. Was den Stoff an sich betrifft, so muß pkl_108.013
sich der Dichter zunächst klar sein, daß er wirklich vor pkl_108.014
das Forum der Satyre gehöre, daß er weder über, pkl_108.015
noch unter dem Horizonte derselben liege. Ueber dem pkl_108.016
Horizonte der Satyre liegen wirkliche Laster und Verbrechen: pkl_108.017
sie verlangen höhere, schneidendere, wirksamere pkl_108.018
Waffen, als die Poesie zu bieten vermag. Als pkl_108.019
unter dem Horizonte des satyrischen Gedichts liegend, pkl_108.020
sehen wir das an, was so unbedeutend und unbekannt pkl_108.021
oder gar so gemein ist, daß sich die Dichtkunst durch pkl_108.022
seine Bekämpfung nur entehren würde. Die meisten pkl_108.023
deutschen Satyriker haben sich namentlich den letztern pkl_108.024
Fehler zu Schulden kommen lassen — sie bewegen pkl_108.025
sich großentheils in einer zu niedern, zu geringen pkl_108.026
Spähre. Zum Beleg dieser Behauptung erinnern pkl_108.027
wir nur an Rabener, den man gewohnt ist, pkl_108.028
als einen unserer bedeutendsten Satyren-Dichter zu pkl_108.029
betrachten. Was er bekämpft, „gehört der Oeffentlichkeit pkl_108.030
gar nicht an, sondern den Kaffeegesellschaften, pkl_108.031
Schenken, höchstens den Casinos seiner Zeit; es wird
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