Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.pkl_110.001 §. 163. Zur wirksamen Darstellung des Gegenstandes pkl_110.021 pkl_110.001 §. 163. Zur wirksamen Darstellung des Gegenstandes pkl_110.021 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0136" n="110"/><lb n="pkl_110.001"/> und aus seinen Einzelheiten hervorleuchten, daß es dem <lb n="pkl_110.002"/> Verfasser lediglich um die <hi rendition="#g">Sache,</hi> um die Bekämpfung <lb n="pkl_110.003"/> oder Strafung der von ihm gerügten Uebel oder Fehler zu <lb n="pkl_110.004"/> thun sei; diese jedoch muß er natürlich da angreifen, wo <lb n="pkl_110.005"/> sie sich finden, also auch in der betreffenden <hi rendition="#g">Person,</hi> wenn <lb n="pkl_110.006"/> er nicht durch Hiebe in's Blaue hinein sich selbst lächerlich <lb n="pkl_110.007"/> machen will. Wo das Gedicht sich aber nur gegen <lb n="pkl_110.008"/> die Person richtet, wo es nur auf deren Herabsetzung, <lb n="pkl_110.009"/> Entwürdigung ankommt, wo man zu diesem Zweck <lb n="pkl_110.010"/> wohl gar der Person <hi rendition="#g">unverschuldete</hi> Gebrechen vorwirft <lb n="pkl_110.011"/> oder ihr Fehler und Vergehungen <hi rendition="#g">andichtet</hi> — <lb n="pkl_110.012"/> da ist es nicht Satyre, sondern <hi rendition="#g">Pasquill</hi> und muß <lb n="pkl_110.013"/> den poetischen Genuß vergällen. Vermeidet der Dichter <lb n="pkl_110.014"/> diese Klippe, so ist jedenfalls der persönlich gemeinten <lb n="pkl_110.015"/> Satyre der Vorzug zu geben, da die allgemein gehaltene <lb n="pkl_110.016"/> nur zu leicht in eine Windmühlenschlacht <hi rendition="#aq">à la <lb n="pkl_110.017"/> Don Quixote</hi> ausläuft — „der Satyriker ficht mit <lb n="pkl_110.018"/> Luftgebilden, wenn er Thorheiten schlagen will und <lb n="pkl_110.019"/> seine Hiebe nicht auf die leibhaften Thoren fallen läßt.“</p> <lb n="pkl_110.020"/> <p> §. 163. Zur wirksamen Darstellung des Gegenstandes <lb n="pkl_110.021"/> ist ferner nöthig, daß der Dichter sich vor entstellenden <lb n="pkl_110.022"/> <hi rendition="#g">Uebertreibungen</hi> hüte, denn sonst wird <lb n="pkl_110.023"/> die Satyre zur <hi rendition="#g">Carricatur</hi> und erregt Ekel und <lb n="pkl_110.024"/> Widerwillen. Man muß dem Dichter aus jeder Zeile <lb n="pkl_110.025"/> Eifer für Wahrheit und Recht abfühlen: sein Spott <lb n="pkl_110.026"/> darf nie in Verleumdung, sein Hohn nie in Schadenfreude <lb n="pkl_110.027"/> übergehen. — Endlich muß der Satyriker vorsichtig <lb n="pkl_110.028"/> bei Verwendung des <hi rendition="#g">Witzes</hi> sein. Derselbe <lb n="pkl_110.029"/> muß als natürlich, ungesucht erscheinen; man darf nicht <lb n="pkl_110.030"/> jeder Zeile anmerken, daß sie witzig sein soll. Ueberhaupt <lb n="pkl_110.031"/> hat sich gerade der Satyriker auch sehr vor gewissen </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0136]
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und aus seinen Einzelheiten hervorleuchten, daß es dem pkl_110.002
Verfasser lediglich um die Sache, um die Bekämpfung pkl_110.003
oder Strafung der von ihm gerügten Uebel oder Fehler zu pkl_110.004
thun sei; diese jedoch muß er natürlich da angreifen, wo pkl_110.005
sie sich finden, also auch in der betreffenden Person, wenn pkl_110.006
er nicht durch Hiebe in's Blaue hinein sich selbst lächerlich pkl_110.007
machen will. Wo das Gedicht sich aber nur gegen pkl_110.008
die Person richtet, wo es nur auf deren Herabsetzung, pkl_110.009
Entwürdigung ankommt, wo man zu diesem Zweck pkl_110.010
wohl gar der Person unverschuldete Gebrechen vorwirft pkl_110.011
oder ihr Fehler und Vergehungen andichtet — pkl_110.012
da ist es nicht Satyre, sondern Pasquill und muß pkl_110.013
den poetischen Genuß vergällen. Vermeidet der Dichter pkl_110.014
diese Klippe, so ist jedenfalls der persönlich gemeinten pkl_110.015
Satyre der Vorzug zu geben, da die allgemein gehaltene pkl_110.016
nur zu leicht in eine Windmühlenschlacht à la pkl_110.017
Don Quixote ausläuft — „der Satyriker ficht mit pkl_110.018
Luftgebilden, wenn er Thorheiten schlagen will und pkl_110.019
seine Hiebe nicht auf die leibhaften Thoren fallen läßt.“
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§. 163. Zur wirksamen Darstellung des Gegenstandes pkl_110.021
ist ferner nöthig, daß der Dichter sich vor entstellenden pkl_110.022
Uebertreibungen hüte, denn sonst wird pkl_110.023
die Satyre zur Carricatur und erregt Ekel und pkl_110.024
Widerwillen. Man muß dem Dichter aus jeder Zeile pkl_110.025
Eifer für Wahrheit und Recht abfühlen: sein Spott pkl_110.026
darf nie in Verleumdung, sein Hohn nie in Schadenfreude pkl_110.027
übergehen. — Endlich muß der Satyriker vorsichtig pkl_110.028
bei Verwendung des Witzes sein. Derselbe pkl_110.029
muß als natürlich, ungesucht erscheinen; man darf nicht pkl_110.030
jeder Zeile anmerken, daß sie witzig sein soll. Ueberhaupt pkl_110.031
hat sich gerade der Satyriker auch sehr vor gewissen
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