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Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843.

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Die auf das Ende der Verszeilen gelegten Assonanzen pkl_037.002
können im Deutschen, wo die Consonanten sehr leicht pkl_037.003
das Uebergewicht erhalten, erst dadurch recht wirksam pkl_037.004
gemacht werden, daß man in einer Reihe von Versen pkl_037.005
am Schlusse eines jeden oder wenigstens jedes zweiten pkl_037.006
Verses denselben Vokal wiederkehren läßt. -- Man pkl_037.007
hat auch wohl assonirende Verse dieser Art mit (im pkl_037.008
engern Sinne) reimenden Versen abwechseln lassen, pkl_037.009
wie z. B. Freiligrath in "der Blumen Rache" pkl_037.010
(siehe §. 74, Beispiel 1). Ebenso findet man Assonanzen pkl_037.011
der ersten Art (innerhalb der Verse) in Verbindung pkl_037.012
mit dem Reim angewendet (siehe unten Beispiel 1).

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"Das Wichtigste bei der Assonanz ist und bleibt pkl_037.014
immer die Uebereinstimmung der Laute mit dem jedesmal pkl_037.015
herrschenden Gefühl, und es ist nur etwas sehr pkl_037.016
Allgemeines und zugleich Beschränktes, wenn wir bemerken, pkl_037.017
daß z. B. der Freude und Lust, wie auch dem pkl_037.018
Leid und Weh das i, dem Unbestimmten und dem pkl_037.019
Grellen, der Wehklage das e oder ä; der Bewunderung, pkl_037.020
dem Erhabenen, dem Entschlossenen das a, dem pkl_037.021
Staunen, der Trauer das o, der Furcht, dem Schrecken, pkl_037.022
dem Gräßlichen das u, dem Unklaren, dem sich Erhebenden pkl_037.023
das ö und ü, der Erschütterung, der Angst, pkl_037.024
dem Schmerz das ei, au und eu entspricht." (Dilschneider.) pkl_037.025
-- Die Assonanzen sind jedoch im Deutschen pkl_037.026
noch nicht besonders viel benutzt worden. Sie pkl_037.027
sagen unsrer Sprache auch nicht so zu, als den an pkl_037.028
Vokalen reicheren, sogenannten romanischen Sprachen.

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Beispiele:

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1)

Dringe tief zu Berges Klüften, pkl_037.031
Wolken folge hoch zu Lüften,

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Die auf das Ende der Verszeilen gelegten Assonanzen pkl_037.002
können im Deutschen, wo die Consonanten sehr leicht pkl_037.003
das Uebergewicht erhalten, erst dadurch recht wirksam pkl_037.004
gemacht werden, daß man in einer Reihe von Versen pkl_037.005
am Schlusse eines jeden oder wenigstens jedes zweiten pkl_037.006
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hat auch wohl assonirende Verse dieser Art mit (im pkl_037.008
engern Sinne) reimenden Versen abwechseln lassen, pkl_037.009
wie z. B. Freiligrath in „der Blumen Rache“ pkl_037.010
(siehe §. 74, Beispiel 1). Ebenso findet man Assonanzen pkl_037.011
der ersten Art (innerhalb der Verse) in Verbindung pkl_037.012
mit dem Reim angewendet (siehe unten Beispiel 1).

pkl_037.013

„Das Wichtigste bei der Assonanz ist und bleibt pkl_037.014
immer die Uebereinstimmung der Laute mit dem jedesmal pkl_037.015
herrschenden Gefühl, und es ist nur etwas sehr pkl_037.016
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daß z. B. der Freude und Lust, wie auch dem pkl_037.018
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dem Schmerz das ei, au und eu entspricht.“ (Dilschneider.) pkl_037.025
— Die Assonanzen sind jedoch im Deutschen pkl_037.026
noch nicht besonders viel benutzt worden. Sie pkl_037.027
sagen unsrer Sprache auch nicht so zu, als den an pkl_037.028
Vokalen reicheren, sogenannten romanischen Sprachen.

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Beispiele:

pkl_037.030

1)

Dringe tief zu Berges Klüften, pkl_037.031
Wolken folge hoch zu Lüften,

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Zitationshilfe: Kleinpaul, Ernst: Die Lehre von den Formen und Gattungen der deutschen Dichtkunst. Für höhere Lehranstalten, so wie zum Selbstunterricht. Barmen, 1843, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleinpaul_poetik_1843/63>, abgerufen am 05.05.2024.