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Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807.

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tung des Stoffs und des Werks hingerissen wird,
aus beiden etwas eigenthümliches und höheres zu
bilden. So ward Kleist angetrieben, als er aus
der Betrachtung des Moliere und seines Stoffs
-- der alten Mythe vom Amphituyon -- sein Lust-
spiel bildete. Möge der Leser, wenn er in Be-
trachtung dieses Jupiters und dieser Alkmene sich
der Seitenblicke auf den Moliere, oder den Plau-
tus, oder die alte Fabel selbst, durchaus nicht er-
wehren kann -- den Wörterbüchern, den Kunstleh-
ren, und den Alterthumsforschern, die ihm da-
bei an die Hand gehen möchten, nicht zu viel
trauen: das alterthümliche Costüm giebt die An-
tike noch nicht; ein tüchtiger, strenger metrischer
Leisten giebt noch nicht den poetischen Rythmus;
und das Geheimniß der Classicität liegt nicht in

tung des Stoffs und des Werks hingeriſſen wird,
aus beiden etwas eigenthuͤmliches und hoͤheres zu
bilden. So ward Kleiſt angetrieben, als er aus
der Betrachtung des Moliere und ſeines Stoffs
— der alten Mythe vom Amphituyon — ſein Luſt-
ſpiel bildete. Moͤge der Leſer, wenn er in Be-
trachtung dieſes Jupiters und dieſer Alkmene ſich
der Seitenblicke auf den Moliere, oder den Plau-
tus, oder die alte Fabel ſelbſt, durchaus nicht er-
wehren kann — den Woͤrterbuͤchern, den Kunſtleh-
ren, und den Alterthumsforſchern, die ihm da-
bei an die Hand gehen moͤchten, nicht zu viel
trauen: das alterthuͤmliche Coſtuͤm giebt die An-
tike noch nicht; ein tuͤchtiger, ſtrenger metriſcher
Leiſten giebt noch nicht den poetiſchen Rythmus;
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[IV/0012] tung des Stoffs und des Werks hingeriſſen wird, aus beiden etwas eigenthuͤmliches und hoͤheres zu bilden. So ward Kleiſt angetrieben, als er aus der Betrachtung des Moliere und ſeines Stoffs — der alten Mythe vom Amphituyon — ſein Luſt- ſpiel bildete. Moͤge der Leſer, wenn er in Be- trachtung dieſes Jupiters und dieſer Alkmene ſich der Seitenblicke auf den Moliere, oder den Plau- tus, oder die alte Fabel ſelbſt, durchaus nicht er- wehren kann — den Woͤrterbuͤchern, den Kunſtleh- ren, und den Alterthumsforſchern, die ihm da- bei an die Hand gehen moͤchten, nicht zu viel trauen: das alterthuͤmliche Coſtuͤm giebt die An- tike noch nicht; ein tuͤchtiger, ſtrenger metriſcher Leiſten giebt noch nicht den poetiſchen Rythmus; und das Geheimniß der Claſſicitaͤt liegt nicht in

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_amphytrion_1807/12>, abgerufen am 21.11.2024.