Kleist, Heinrich von: Amphitryon. Dresden, 1807.
Soll ich inzwischen Hungerpfoten saugen? Es ist für Einen nur gedeckt. Sosias. Gleichviel! Ein mütterlicher Schooß hat uns Gebohren, Eine Hütte uns beschirmt, In Einem Bette haben wir geschlafen, Ein Kleid ward brüderlich, Ein Loos uns beiden, So laß uns auch aus Einer Schüssel essen. Merkur. Von der Gemeinschaft weiß ich nichts. Ich bin Von Jugend mutterseel' allein gewesen, Und weder Bette hab' ich je, noch Kleid, Noch einen Bissen Brod getheilt. Sosias. Besinne dich. Wir sind zwei Zwillingsbrüder. Du bist der ältre, ich bescheide mich. Du wirst in jedem Stück voran mir gehen. Den ersten nimmst du, und die ungeraden, Den zweiten Löffel, und die graden, ich. Merkur. Nichts. Meine volle Portion gebrauch' ich,
Soll ich inzwiſchen Hungerpfoten ſaugen? Es iſt fuͤr Einen nur gedeckt. Soſias. Gleichviel! Ein muͤtterlicher Schooß hat uns Gebohren, Eine Huͤtte uns beſchirmt, In Einem Bette haben wir geſchlafen, Ein Kleid ward bruͤderlich, Ein Loos uns beiden, So laß uns auch aus Einer Schuͤſſel eſſen. Merkur. Von der Gemeinſchaft weiß ich nichts. Ich bin Von Jugend mutterſeel’ allein geweſen, Und weder Bette hab’ ich je, noch Kleid, Noch einen Biſſen Brod getheilt. Soſias. Beſinne dich. Wir ſind zwei Zwillingsbruͤder. Du biſt der aͤltre, ich beſcheide mich. Du wirſt in jedem Stuͤck voran mir gehen. Den erſten nimmſt du, und die ungeraden, Den zweiten Loͤffel, und die graden, ich. Merkur. Nichts. Meine volle Portion gebrauch’ ich, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MER"> <p><pb facs="#f0171" n="155"/> Soll ich inzwiſchen Hungerpfoten ſaugen?<lb/> Es iſt fuͤr Einen nur gedeckt.</p> </sp><lb/> <sp who="#SOF"> <speaker><hi rendition="#g">Soſias</hi>.</speaker><lb/> <p>Gleichviel! Ein muͤtterlicher Schooß hat uns<lb/> Gebohren, Eine Huͤtte uns beſchirmt,<lb/> In Einem Bette haben wir geſchlafen,<lb/> Ein Kleid ward bruͤderlich, Ein Loos uns beiden,<lb/> So laß uns auch aus Einer Schuͤſſel eſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#MER"> <speaker><hi rendition="#g">Merkur</hi>.</speaker><lb/> <p>Von der Gemeinſchaft weiß ich nichts. Ich bin<lb/> Von Jugend mutterſeel’ allein geweſen,<lb/> Und weder Bette hab’ ich je, noch Kleid,<lb/> Noch einen Biſſen Brod getheilt.</p> </sp><lb/> <sp who="#SOF"> <speaker><hi rendition="#g">Soſias</hi>.</speaker><lb/> <p>Beſinne dich. Wir ſind zwei Zwillingsbruͤder.<lb/> Du biſt der aͤltre, ich beſcheide mich.<lb/> Du wirſt in jedem Stuͤck voran mir gehen.<lb/> Den erſten nimmſt du, und die ungeraden,<lb/> Den zweiten Loͤffel, und die graden, ich.</p> </sp><lb/> <sp who="#MER"> <speaker><hi rendition="#g">Merkur</hi>.</speaker><lb/> <p>Nichts. Meine volle Portion gebrauch’ ich,<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [155/0171]
Soll ich inzwiſchen Hungerpfoten ſaugen?
Es iſt fuͤr Einen nur gedeckt.
Soſias.
Gleichviel! Ein muͤtterlicher Schooß hat uns
Gebohren, Eine Huͤtte uns beſchirmt,
In Einem Bette haben wir geſchlafen,
Ein Kleid ward bruͤderlich, Ein Loos uns beiden,
So laß uns auch aus Einer Schuͤſſel eſſen.
Merkur.
Von der Gemeinſchaft weiß ich nichts. Ich bin
Von Jugend mutterſeel’ allein geweſen,
Und weder Bette hab’ ich je, noch Kleid,
Noch einen Biſſen Brod getheilt.
Soſias.
Beſinne dich. Wir ſind zwei Zwillingsbruͤder.
Du biſt der aͤltre, ich beſcheide mich.
Du wirſt in jedem Stuͤck voran mir gehen.
Den erſten nimmſt du, und die ungeraden,
Den zweiten Loͤffel, und die graden, ich.
Merkur.
Nichts. Meine volle Portion gebrauch’ ich,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |