Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleist, Ewald Christian von: Der Frühling. Berlin, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Frühling.
Bläst auf der hellen Schalmey, hält ein, und höret die Lieder
Hier laut in Buchen erthönen, dort schwach, und endlich verlohren,
Bläst, und hält wiederum ein. Tief unter ihn klettern die Ziegen
Am jähen Absturz der Kluft, sie reissen an bittern Gestäude,
Theils irren sie oben im Klee des Thals; Ihr bärtiger Ehmann
Er steigt die über den Teich sich neigende Weide, beraubt sie
Der blänlichen Blätter und schaut von oben ernsthaft herunter.
Mit leichten Läuften streicht jetzt ein Heer gefleckter Hindinnen
Und Hirsche mit AEsten gekrönt durch grüne rauschende Büsche
Setzt über Klüfte, Gewässer und Rohr. Moräste vermissen
Die Spur der fliegenden Last. Gereitzt vom Frühling zur Liebe
Durchstreichen muthige Rösse den Wald mit flatternden Mähnen,
Der Boden zittert und thönt, es strotzen die Zweige der Adern,
Ihr Schweif empört sich verwildert, sie schnauben Wollust und
Hitze

Und brechen, vom Ufer sich stürzend, die Fluth der Ströme zur
Kühlung.

Dann

Der Frühling.
Bläſt auf der hellen Schalmey, hält ein, und höret die Lieder
Hier laut in Buchen erthönen, dort ſchwach, und endlich verlohren,
Bläſt, und hält wiederum ein. Tief unter ihn klettern die Ziegen
Am jähen Abſturz der Kluft, ſie reiſſen an bittern Geſtäude,
Theils irren ſie oben im Klee des Thals; Ihr bärtiger Ehmann
Er ſteigt die über den Teich ſich neigende Weide, beraubt ſie
Der blänlichen Blätter und ſchaut von oben ernſthaft herunter.
Mit leichten Läuften ſtreicht jetzt ein Heer gefleckter Hindinnen
Und Hirſche mit Æſten gekrönt durch grüne rauſchende Büſche
Setzt über Klüfte, Gewäſſer und Rohr. Moräſte vermiſſen
Die Spur der fliegenden Laſt. Gereitzt vom Frühling zur Liebe
Durchſtreichen muthige Röſſe den Wald mit flatternden Mähnen,
Der Boden zittert und thönt, es ſtrotzen die Zweige der Adern,
Ihr Schweif empört ſich verwildert, ſie ſchnauben Wolluſt und
Hitze

Und brechen, vom Ufer ſich ſtürzend, die Fluth der Ströme zur
Kühlung.

Dann
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="10">
            <pb facs="#f0028" n="26"/>
            <fw rendition="#i" type="header" place="top">Der Frühling.</fw><lb/>
            <l rendition="#i">Blä&#x017F;t auf der hellen Schalmey, hält ein, und höret die Lieder</l><lb/>
            <l rendition="#i">Hier laut in Buchen erthönen, dort &#x017F;chwach, und endlich verlohren,</l><lb/>
            <l rendition="#i">Blä&#x017F;t, und hält wiederum ein. Tief unter ihn klettern die Ziegen</l><lb/>
            <l rendition="#i">Am jähen Ab&#x017F;turz der Kluft, &#x017F;ie rei&#x017F;&#x017F;en an bittern Ge&#x017F;täude,</l><lb/>
            <l rendition="#i">Theils irren &#x017F;ie oben im Klee des Thals; Ihr bärtiger Ehmann</l><lb/>
            <l rendition="#i">Er &#x017F;teigt die über den Teich &#x017F;ich neigende Weide, beraubt &#x017F;ie</l><lb/>
            <l rendition="#i">Der blänlichen Blätter und &#x017F;chaut von oben ern&#x017F;thaft herunter.</l><lb/>
            <l rendition="#i">Mit leichten Läuften &#x017F;treicht jetzt ein Heer gefleckter Hindinnen</l><lb/>
            <l rendition="#i">Und Hir&#x017F;che mit Æ&#x017F;ten gekrönt durch grüne rau&#x017F;chende Bü&#x017F;che</l><lb/>
            <l rendition="#i">Setzt über Klüfte, Gewä&#x017F;&#x017F;er und Rohr. Morä&#x017F;te vermi&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l rendition="#i">Die Spur der fliegenden La&#x017F;t. Gereitzt vom Frühling zur Liebe</l><lb/>
            <l rendition="#i">Durch&#x017F;treichen muthige Rö&#x017F;&#x017F;e den Wald mit flatternden Mähnen,</l><lb/>
            <l rendition="#i">Der Boden zittert und thönt, es &#x017F;trotzen die Zweige der Adern,</l><lb/>
            <l rendition="#i">Ihr Schweif empört &#x017F;ich verwildert, &#x017F;ie &#x017F;chnauben Wollu&#x017F;t und<lb/><hi rendition="#et">Hitze</hi></l><lb/>
            <l rendition="#i">Und brechen, vom Ufer &#x017F;ich &#x017F;türzend, die Fluth der Ströme zur<lb/><hi rendition="#et">Kühlung.</hi></l><lb/>
            <fw rendition="#i" type="catch" place="bottom">Dann</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0028] Der Frühling. Bläſt auf der hellen Schalmey, hält ein, und höret die Lieder Hier laut in Buchen erthönen, dort ſchwach, und endlich verlohren, Bläſt, und hält wiederum ein. Tief unter ihn klettern die Ziegen Am jähen Abſturz der Kluft, ſie reiſſen an bittern Geſtäude, Theils irren ſie oben im Klee des Thals; Ihr bärtiger Ehmann Er ſteigt die über den Teich ſich neigende Weide, beraubt ſie Der blänlichen Blätter und ſchaut von oben ernſthaft herunter. Mit leichten Läuften ſtreicht jetzt ein Heer gefleckter Hindinnen Und Hirſche mit Æſten gekrönt durch grüne rauſchende Büſche Setzt über Klüfte, Gewäſſer und Rohr. Moräſte vermiſſen Die Spur der fliegenden Laſt. Gereitzt vom Frühling zur Liebe Durchſtreichen muthige Röſſe den Wald mit flatternden Mähnen, Der Boden zittert und thönt, es ſtrotzen die Zweige der Adern, Ihr Schweif empört ſich verwildert, ſie ſchnauben Wolluſt und Hitze Und brechen, vom Ufer ſich ſtürzend, die Fluth der Ströme zur Kühlung. Dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_fruehling_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_fruehling_1749/28
Zitationshilfe: Kleist, Ewald Christian von: Der Frühling. Berlin, 1749, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_fruehling_1749/28>, abgerufen am 21.11.2024.