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Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.

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Theobald.
Nun wohlan, so merk' auf, und prüfe dein Herz
wohl! -- Du willst in das Kloster der Ursulinerinnen
gehen, das tief im einsamen kieferreichen Gebirge sei-
nen Sitz hat. Die Welt, der liebliche Schauplatz
des Lebens, reizt dich nicht mehr; Gottes Antlitz, in
Abgezogenheit und Frömmigkeit angeschaut, soll dir
Vater, Hochzeit, Kind, und der Kuß kleiner blühen-
der Enkel seyn.
Käthchen.
Ja, mein lieber Vater.
Theobald (nach einer kurzen Pause).
Wie wär's, wenn du auf ein Paar Wochen, da
die Witterung noch schön ist, zu dem Gemäuer
zurückkehrtest, und dir die Sache ein wenig über-
legtest?
Käthchen.
Wie?
Theobald.
Wenn du wieder hingingst, mein' ich, nach der
Strahlburg, unter den Hollunderstrauch, wo sich der
Zeisig das Nest gebaut hat, am Hang des Felsens, du
weißt, von wo das Schloß, im Sonnenstrahl funkelnd,
über die Gauen des Landes herniederschaut?
Käthchen.
Nein, mein lieber Vater!
Theobald.
Nun wohlan, ſo merk' auf, und prüfe dein Herz
wohl! — Du willſt in das Kloſter der Urſulinerinnen
gehen, das tief im einſamen kieferreichen Gebirge ſei-
nen Sitz hat. Die Welt, der liebliche Schauplatz
des Lebens, reizt dich nicht mehr; Gottes Antlitz, in
Abgezogenheit und Frömmigkeit angeſchaut, ſoll dir
Vater, Hochzeit, Kind, und der Kuß kleiner blühen-
der Enkel ſeyn.
Käthchen.
Ja, mein lieber Vater.
Theobald (nach einer kurzen Pauſe).
Wie wär's, wenn du auf ein Paar Wochen, da
die Witterung noch ſchön iſt, zu dem Gemäuer
zurückkehrteſt, und dir die Sache ein wenig über-
legteſt?
Käthchen.
Wie?
Theobald.
Wenn du wieder hingingſt, mein' ich, nach der
Strahlburg, unter den Hollunderſtrauch, wo ſich der
Zeiſig das Neſt gebaut hat, am Hang des Felſens, du
weißt, von wo das Schloß, im Sonnenſtrahl funkelnd,
über die Gauen des Landes herniederſchaut?
Käthchen.
Nein, mein lieber Vater!
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[98/0104] Theobald. Nun wohlan, ſo merk' auf, und prüfe dein Herz wohl! — Du willſt in das Kloſter der Urſulinerinnen gehen, das tief im einſamen kieferreichen Gebirge ſei- nen Sitz hat. Die Welt, der liebliche Schauplatz des Lebens, reizt dich nicht mehr; Gottes Antlitz, in Abgezogenheit und Frömmigkeit angeſchaut, ſoll dir Vater, Hochzeit, Kind, und der Kuß kleiner blühen- der Enkel ſeyn. Käthchen. Ja, mein lieber Vater. Theobald (nach einer kurzen Pauſe). Wie wär's, wenn du auf ein Paar Wochen, da die Witterung noch ſchön iſt, zu dem Gemäuer zurückkehrteſt, und dir die Sache ein wenig über- legteſt? Käthchen. Wie? Theobald. Wenn du wieder hingingſt, mein' ich, nach der Strahlburg, unter den Hollunderſtrauch, wo ſich der Zeiſig das Neſt gebaut hat, am Hang des Felſens, du weißt, von wo das Schloß, im Sonnenſtrahl funkelnd, über die Gauen des Landes herniederſchaut? Käthchen. Nein, mein lieber Vater!

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_kaethchen_1810/104>, abgerufen am 28.11.2024.