Kleist, Heinrich von: Das Käthchen von Heilbronn oder die Feuerprobe. Berlin, 1810.
wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrsamer und vielbekannter Waffenschmidt aus Heilbronn auf, deine Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom Strahle; denn dort, auf den ersten Ruf der heiligen Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal mit dem Griff des Gerichtsschwerdts, an die Thore sei- ner Burg, deinem Gesuch gemäß, ist er erschienen, und fragt, was du willst? (er setzt sich). Theobald Friedeborn. Ihr hohen, heiligen und geheimnißvollen Herren! Hätte er, auf den ich klage, sich bei mir ausrüsten lassen - setzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder in schwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe von Gold; und hätte nachher, wenn ich gesprochen: Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was willst du? Ich bin dir nichts schuldig; oder wäre er vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und hätte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen -- oder wäre er aus dem Dunkel mitternächtlicher Wäl- der herausgebrochen und hätte mein Leben mit Schwerdt und Dolch, angegriffen: so wahr mir Gott helfe! ich glaube, ich hätte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt, in drei und funfzig Jahren, da ich lebe, so viel Un- recht, daß meiner Seele Gefühl nun gegen seinen Stachel wie gepanzert ist; und während ich Waffen
wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrſamer und vielbekannter Waffenſchmidt aus Heilbronn auf, deine Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom Strahle; denn dort, auf den erſten Ruf der heiligen Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal mit dem Griff des Gerichtsſchwerdts, an die Thore ſei- ner Burg, deinem Geſuch gemäß, iſt er erſchienen, und fragt, was du willſt? (er ſetzt ſich). Theobald Friedeborn. Ihr hohen, heiligen und geheimnißvollen Herren! Hätte er, auf den ich klage, ſich bei mir ausrüſten laſſen ‒ ſetzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder in ſchwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe von Gold; und hätte nachher, wenn ich geſprochen: Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was willſt du? Ich bin dir nichts ſchuldig; oder wäre er vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und hätte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen — oder wäre er aus dem Dunkel mitternächtlicher Wäl- der herausgebrochen und hätte mein Leben mit Schwerdt und Dolch, angegriffen: ſo wahr mir Gott helfe! ich glaube, ich hätte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt, in drei und funfzig Jahren, da ich lebe, ſo viel Un- recht, daß meiner Seele Gefühl nun gegen ſeinen Stachel wie gepanzert iſt; und während ich Waffen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#OTTO"> <p><pb facs="#f0012" n="6"/> wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrſamer und<lb/> vielbekannter Waffenſchmidt aus Heilbronn auf, deine<lb/> Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom<lb/> Strahle; denn dort, auf den erſten Ruf der heiligen<lb/> Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal mit<lb/> dem Griff des Gerichtsſchwerdts, an die Thore ſei-<lb/> ner Burg, deinem Geſuch gemäß, iſt er erſchienen,<lb/> und fragt, was du willſt?</p><lb/> <stage>(er ſetzt ſich).</stage> </sp><lb/> <sp who="#THE"> <speaker><hi rendition="#g">Theobald Friedeborn</hi>.</speaker><lb/> <p>Ihr hohen, heiligen und geheimnißvollen Herren!<lb/> Hätte <hi rendition="#g">er</hi>, auf den ich klage, ſich bei mir ausrüſten<lb/> laſſen ‒ ſetzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder<lb/> in ſchwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe<lb/> von Gold; und hätte nachher, wenn ich geſprochen:<lb/> Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was<lb/> willſt du? Ich bin dir nichts ſchuldig; oder wäre er<lb/> vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und<lb/> hätte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen —<lb/> oder wäre er aus dem Dunkel mitternächtlicher Wäl-<lb/> der herausgebrochen und hätte mein Leben mit Schwerdt<lb/> und Dolch, angegriffen: ſo wahr mir Gott helfe! ich<lb/> glaube, ich hätte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt,<lb/> in drei und funfzig Jahren, da ich lebe, ſo viel Un-<lb/> recht, daß meiner Seele Gefühl nun gegen ſeinen<lb/> Stachel wie gepanzert iſt; und während ich Waffen<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0012]
wir rufen dich, Theobald Friedeborn, ehrſamer und
vielbekannter Waffenſchmidt aus Heilbronn auf, deine
Klage anzubringen gegen Friedrich, Graf Wetter vom
Strahle; denn dort, auf den erſten Ruf der heiligen
Vehme, von des Vehmherolds Hand dreimal mit
dem Griff des Gerichtsſchwerdts, an die Thore ſei-
ner Burg, deinem Geſuch gemäß, iſt er erſchienen,
und fragt, was du willſt?
(er ſetzt ſich).
Theobald Friedeborn.
Ihr hohen, heiligen und geheimnißvollen Herren!
Hätte er, auf den ich klage, ſich bei mir ausrüſten
laſſen ‒ ſetzet in Silber, von Kopf bis zu Fuß, oder
in ſchwarzen Stahl, Schienen, Schnallen und Ringe
von Gold; und hätte nachher, wenn ich geſprochen:
Herr, bezahlt mich! geantwortet: Theobald! Was
willſt du? Ich bin dir nichts ſchuldig; oder wäre er
vor die Schranken meiner Obrigkeit getreten, und
hätte meine Ehre, mit der Zunge der Schlangen —
oder wäre er aus dem Dunkel mitternächtlicher Wäl-
der herausgebrochen und hätte mein Leben mit Schwerdt
und Dolch, angegriffen: ſo wahr mir Gott helfe! ich
glaube, ich hätte nicht vor euch geklagt. Ich erlitt,
in drei und funfzig Jahren, da ich lebe, ſo viel Un-
recht, daß meiner Seele Gefühl nun gegen ſeinen
Stachel wie gepanzert iſt; und während ich Waffen
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