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Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Kreuz, das er auf der Brust trug, betrachtete, wie alt sie wäre? -- Fünfzehn Jahre, erwiderte Toni. -- Nun also! sprach der Fremde. Fehlt es ihm denn an Vermögen, um sich häuslich, wie du es wünschest, mit dir niederzulassen? -- Toni, ohne die Augen zu ihm aufzuschlagen, erwiderte: O nein! Vielmehr, sprach sie, indem sie das Kreuz, das sie in der Hand hielt, fahren ließ, Konelly ist seit der letzten Wendung der Dinge ein reicher Mann geworden; seinem Vater ist die ganze Niederlassung, die sonst dem Pflanzer, seinem Herrn, gehörte, zugefallen. -- Warum lehntest du denn seinen Antrag ab? fragte der Fremde. Er streichelte ihr freundlich das Haar von der Stirn und sprach: Gefiel er dir etwa nicht? -- Das Mädchen, indem sie kurz mit dem Kopf schüttelte, lachte; und auf die Frage des Fremden, ihr scherzend ins Ohr geflüstert, ob es vielleicht ein Weißer sein müsse, der ihre Gunst davontragen solle, legte sie sich plötzlich nach einem flüchtigen, träumerischen Bedenken unter einem überaus reizenden Erröthen, das über ihr verbranntes Gesicht aufloderte, an seine Brust. Der Fremde, von ihrer Anmuth und Lieblichkeit gerührt, nannte sie sein liebes Mädchen und schloß sie, wie durch göttliche Hand von jeder Sorge erlöst, in seine Arme. Es war ihm unmöglich zu glauben, daß alle diese Bewegungen, die er an ihr wahrnahm, der bloße elende Ausdruck einer kalten und gräßlichen Verrätherei sein sollten. Die Gedanken, die ihn beunruhigt hatten, wichen wie ein Heer schauerlicher Vö-

Kreuz, das er auf der Brust trug, betrachtete, wie alt sie wäre? — Fünfzehn Jahre, erwiderte Toni. — Nun also! sprach der Fremde. Fehlt es ihm denn an Vermögen, um sich häuslich, wie du es wünschest, mit dir niederzulassen? — Toni, ohne die Augen zu ihm aufzuschlagen, erwiderte: O nein! Vielmehr, sprach sie, indem sie das Kreuz, das sie in der Hand hielt, fahren ließ, Konelly ist seit der letzten Wendung der Dinge ein reicher Mann geworden; seinem Vater ist die ganze Niederlassung, die sonst dem Pflanzer, seinem Herrn, gehörte, zugefallen. — Warum lehntest du denn seinen Antrag ab? fragte der Fremde. Er streichelte ihr freundlich das Haar von der Stirn und sprach: Gefiel er dir etwa nicht? — Das Mädchen, indem sie kurz mit dem Kopf schüttelte, lachte; und auf die Frage des Fremden, ihr scherzend ins Ohr geflüstert, ob es vielleicht ein Weißer sein müsse, der ihre Gunst davontragen solle, legte sie sich plötzlich nach einem flüchtigen, träumerischen Bedenken unter einem überaus reizenden Erröthen, das über ihr verbranntes Gesicht aufloderte, an seine Brust. Der Fremde, von ihrer Anmuth und Lieblichkeit gerührt, nannte sie sein liebes Mädchen und schloß sie, wie durch göttliche Hand von jeder Sorge erlöst, in seine Arme. Es war ihm unmöglich zu glauben, daß alle diese Bewegungen, die er an ihr wahrnahm, der bloße elende Ausdruck einer kalten und gräßlichen Verrätherei sein sollten. Die Gedanken, die ihn beunruhigt hatten, wichen wie ein Heer schauerlicher Vö-

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[0029] Kreuz, das er auf der Brust trug, betrachtete, wie alt sie wäre? — Fünfzehn Jahre, erwiderte Toni. — Nun also! sprach der Fremde. Fehlt es ihm denn an Vermögen, um sich häuslich, wie du es wünschest, mit dir niederzulassen? — Toni, ohne die Augen zu ihm aufzuschlagen, erwiderte: O nein! Vielmehr, sprach sie, indem sie das Kreuz, das sie in der Hand hielt, fahren ließ, Konelly ist seit der letzten Wendung der Dinge ein reicher Mann geworden; seinem Vater ist die ganze Niederlassung, die sonst dem Pflanzer, seinem Herrn, gehörte, zugefallen. — Warum lehntest du denn seinen Antrag ab? fragte der Fremde. Er streichelte ihr freundlich das Haar von der Stirn und sprach: Gefiel er dir etwa nicht? — Das Mädchen, indem sie kurz mit dem Kopf schüttelte, lachte; und auf die Frage des Fremden, ihr scherzend ins Ohr geflüstert, ob es vielleicht ein Weißer sein müsse, der ihre Gunst davontragen solle, legte sie sich plötzlich nach einem flüchtigen, träumerischen Bedenken unter einem überaus reizenden Erröthen, das über ihr verbranntes Gesicht aufloderte, an seine Brust. Der Fremde, von ihrer Anmuth und Lieblichkeit gerührt, nannte sie sein liebes Mädchen und schloß sie, wie durch göttliche Hand von jeder Sorge erlöst, in seine Arme. Es war ihm unmöglich zu glauben, daß alle diese Bewegungen, die er an ihr wahrnahm, der bloße elende Ausdruck einer kalten und gräßlichen Verrätherei sein sollten. Die Gedanken, die ihn beunruhigt hatten, wichen wie ein Heer schauerlicher Vö-

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/29>, abgerufen am 03.12.2024.