Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Maulesel ritt; in Allem aus zwölf Personen. Er bewegte sich langsam über die den Weg durchflechtenden Kienwurzeln, dem Stamm der Pinie zu, wo Toni, so geräuschlos, als Niemand zu erschrecken nöthig war, aus dem Schatten des Baumes hervortrat und dem Zuge zurief: Halt! Der Knabe kannte sie sogleich; und auf ihre Frage, wo Herr Strömli sei, während Männer, Weiber und Kinder sie umringten, stellte dieser sie freudig dem alten Oberhaupte der Familie, Herrn Strömli, vor. Edler Herr! sagte Toni, indem sie die Begrüßungen desselben mit fester Stimme unterbrach: der Neger Hoango ist, auf überraschende Weise, mit seinem ganzen Troß in die Niederlassung zurückgekommen. Ihr könnt jetzt ohne die größte Lebensgefahr nicht darin einkehren, ja Euer Vetter, der zu seinem Unglück eine Aufnahme darin fand, ist verloren wenn Ihr nicht zu den Waffen greift und mir zu seiner Befreiung aus der Haft, in welcher ihn der Neger Hoango gefangen hält, in die Pflanzung folgt! -- Gott im Himmel! riefen, von Schrecken erfaßt, alle Mitglieder der Familie; und die Mutter, die krank und von der Reise erschöpft war, fiel von dem Maulthier ohnmächtig auf den Boden nieder. Toni, während auf den Ruf Herrn Strömli's die Mägde herbeieilten, um ihrer Frau zu helfen, führte, von den Jünglingen mit Fragen bestürmt, Herrn Strömli und die übrigen Männer aus Furcht vor dem Knaben Nanky auf die Seite. Sie erzählte den Männern, ihre Thränen vor Scham und Reue nicht zurückhaltend, Alles, was vorgefallen; wie die Verhält-

Maulesel ritt; in Allem aus zwölf Personen. Er bewegte sich langsam über die den Weg durchflechtenden Kienwurzeln, dem Stamm der Pinie zu, wo Toni, so geräuschlos, als Niemand zu erschrecken nöthig war, aus dem Schatten des Baumes hervortrat und dem Zuge zurief: Halt! Der Knabe kannte sie sogleich; und auf ihre Frage, wo Herr Strömli sei, während Männer, Weiber und Kinder sie umringten, stellte dieser sie freudig dem alten Oberhaupte der Familie, Herrn Strömli, vor. Edler Herr! sagte Toni, indem sie die Begrüßungen desselben mit fester Stimme unterbrach: der Neger Hoango ist, auf überraschende Weise, mit seinem ganzen Troß in die Niederlassung zurückgekommen. Ihr könnt jetzt ohne die größte Lebensgefahr nicht darin einkehren, ja Euer Vetter, der zu seinem Unglück eine Aufnahme darin fand, ist verloren wenn Ihr nicht zu den Waffen greift und mir zu seiner Befreiung aus der Haft, in welcher ihn der Neger Hoango gefangen hält, in die Pflanzung folgt! — Gott im Himmel! riefen, von Schrecken erfaßt, alle Mitglieder der Familie; und die Mutter, die krank und von der Reise erschöpft war, fiel von dem Maulthier ohnmächtig auf den Boden nieder. Toni, während auf den Ruf Herrn Strömli's die Mägde herbeieilten, um ihrer Frau zu helfen, führte, von den Jünglingen mit Fragen bestürmt, Herrn Strömli und die übrigen Männer aus Furcht vor dem Knaben Nanky auf die Seite. Sie erzählte den Männern, ihre Thränen vor Scham und Reue nicht zurückhaltend, Alles, was vorgefallen; wie die Verhält-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0053"/>
Maulesel ritt; in                Allem aus zwölf Personen. Er bewegte sich langsam über die den Weg durchflechtenden                Kienwurzeln, dem Stamm der Pinie zu, wo Toni, so geräuschlos, als Niemand zu                erschrecken nöthig war, aus dem Schatten des Baumes hervortrat und dem Zuge zurief:                Halt! Der Knabe kannte sie sogleich; und auf ihre Frage, wo Herr Strömli sei, während                Männer, Weiber und Kinder sie umringten, stellte dieser sie freudig dem alten                Oberhaupte der Familie, Herrn Strömli, vor. Edler Herr! sagte Toni, indem sie die                Begrüßungen desselben mit fester Stimme unterbrach: der Neger Hoango ist, auf                überraschende Weise, mit seinem ganzen Troß in die Niederlassung zurückgekommen. Ihr                könnt jetzt ohne die größte Lebensgefahr nicht darin einkehren, ja Euer Vetter, der                zu seinem Unglück eine Aufnahme darin fand, ist verloren wenn Ihr nicht zu den Waffen                greift und mir zu seiner Befreiung aus der Haft, in welcher ihn der Neger Hoango                gefangen hält, in die Pflanzung folgt! &#x2014; Gott im Himmel! riefen, von Schrecken                erfaßt, alle Mitglieder der Familie; und die Mutter, die krank und von der Reise                erschöpft war, fiel von dem Maulthier ohnmächtig auf den Boden nieder. Toni, während                auf den Ruf Herrn Strömli's die Mägde herbeieilten, um ihrer Frau zu helfen, führte,                von den Jünglingen mit Fragen bestürmt, Herrn Strömli und die übrigen Männer aus                Furcht vor dem Knaben Nanky auf die Seite. Sie erzählte den Männern, ihre Thränen vor                Scham und Reue nicht zurückhaltend, Alles, was vorgefallen; wie die Verhält-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0053] Maulesel ritt; in Allem aus zwölf Personen. Er bewegte sich langsam über die den Weg durchflechtenden Kienwurzeln, dem Stamm der Pinie zu, wo Toni, so geräuschlos, als Niemand zu erschrecken nöthig war, aus dem Schatten des Baumes hervortrat und dem Zuge zurief: Halt! Der Knabe kannte sie sogleich; und auf ihre Frage, wo Herr Strömli sei, während Männer, Weiber und Kinder sie umringten, stellte dieser sie freudig dem alten Oberhaupte der Familie, Herrn Strömli, vor. Edler Herr! sagte Toni, indem sie die Begrüßungen desselben mit fester Stimme unterbrach: der Neger Hoango ist, auf überraschende Weise, mit seinem ganzen Troß in die Niederlassung zurückgekommen. Ihr könnt jetzt ohne die größte Lebensgefahr nicht darin einkehren, ja Euer Vetter, der zu seinem Unglück eine Aufnahme darin fand, ist verloren wenn Ihr nicht zu den Waffen greift und mir zu seiner Befreiung aus der Haft, in welcher ihn der Neger Hoango gefangen hält, in die Pflanzung folgt! — Gott im Himmel! riefen, von Schrecken erfaßt, alle Mitglieder der Familie; und die Mutter, die krank und von der Reise erschöpft war, fiel von dem Maulthier ohnmächtig auf den Boden nieder. Toni, während auf den Ruf Herrn Strömli's die Mägde herbeieilten, um ihrer Frau zu helfen, führte, von den Jünglingen mit Fragen bestürmt, Herrn Strömli und die übrigen Männer aus Furcht vor dem Knaben Nanky auf die Seite. Sie erzählte den Männern, ihre Thränen vor Scham und Reue nicht zurückhaltend, Alles, was vorgefallen; wie die Verhält-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:20:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:20:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/53
Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/53>, abgerufen am 05.05.2024.