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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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Die feierliche Handlung zögert noch immer,
wie ich sehe, und es wird euch zur Bekehrung
noch Raum gegeben, so betet und heult denn,
ihr Heuchler, wie ihr es kurz vor dem
Tode zu machen pflegt, wenn ihr euer ver-
pfuschtes Leben nicht besser anzuwenden wißt,
und unfähig geworden seid, länger zu sün-
digen.

Hinter Euch liegt die ganze Weltgeschichte
wie ein alberner Roman, in dem es einige
wenige leidliche Karaktere, und eine Unzahl
erbärmlicher giebt. Ach, euer Herrgott hat es
nur in dem einzigen versehen, daß er ihn nicht
selbst bearbeitete, sondern es euch überlies
daran zu schreiben. Sagt mir, wird er es
jezt wohl der Mühe werth halten, das ver-
pfuschte Ding in eine höhere Sprache zu über-
setzen, oder muß er nicht vielmehr, wenn er
es in seiner ganzen Seichtigkeit vor sich liegen
sieht, es im Ingrim zerreißen, und euch mit
euren ganzen Planen der Vergessenheit über-

Die feierliche Handlung zoͤgert noch immer,
wie ich ſehe, und es wird euch zur Bekehrung
noch Raum gegeben, ſo betet und heult denn,
ihr Heuchler, wie ihr es kurz vor dem
Tode zu machen pflegt, wenn ihr euer ver-
pfuſchtes Leben nicht beſſer anzuwenden wißt,
und unfaͤhig geworden ſeid, laͤnger zu ſuͤn-
digen.

Hinter Euch liegt die ganze Weltgeſchichte
wie ein alberner Roman, in dem es einige
wenige leidliche Karaktere, und eine Unzahl
erbaͤrmlicher giebt. Ach, euer Herrgott hat es
nur in dem einzigen verſehen, daß er ihn nicht
ſelbſt bearbeitete, ſondern es euch uͤberlies
daran zu ſchreiben. Sagt mir, wird er es
jezt wohl der Muͤhe werth halten, das ver-
pfuſchte Ding in eine hoͤhere Sprache zu uͤber-
ſetzen, oder muß er nicht vielmehr, wenn er
es in ſeiner ganzen Seichtigkeit vor ſich liegen
ſieht, es im Ingrim zerreißen, und euch mit
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[104/0106] Die feierliche Handlung zoͤgert noch immer, wie ich ſehe, und es wird euch zur Bekehrung noch Raum gegeben, ſo betet und heult denn, ihr Heuchler, wie ihr es kurz vor dem Tode zu machen pflegt, wenn ihr euer ver- pfuſchtes Leben nicht beſſer anzuwenden wißt, und unfaͤhig geworden ſeid, laͤnger zu ſuͤn- digen. Hinter Euch liegt die ganze Weltgeſchichte wie ein alberner Roman, in dem es einige wenige leidliche Karaktere, und eine Unzahl erbaͤrmlicher giebt. Ach, euer Herrgott hat es nur in dem einzigen verſehen, daß er ihn nicht ſelbſt bearbeitete, ſondern es euch uͤberlies daran zu ſchreiben. Sagt mir, wird er es jezt wohl der Muͤhe werth halten, das ver- pfuſchte Ding in eine hoͤhere Sprache zu uͤber- ſetzen, oder muß er nicht vielmehr, wenn er es in ſeiner ganzen Seichtigkeit vor ſich liegen ſieht, es im Ingrim zerreißen, und euch mit euren ganzen Planen der Vergeſſenheit uͤber-

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/106>, abgerufen am 24.11.2024.