Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Einst hatte ich mich eben von meinem La-
ger, einem duftenden blumigten Rasen, auf-
gerichtet, und schaute in die Morgenglut, die
wie ein Geist aus dem Meere aufstieg, wobei
ich, um das Nützliche mit dem Angenehmen
zu verbinden, eine aufgegrabene Wurzel an-
biß. Es gehört zur menschlichen Größe in der
Nähe erhabener Gegenstände, Nebengeschäfte
zu betreiben, z.B. der aufgehenden Sonne,
mit der Pfeife im Munde ins Antlitz zu schauen,
oder während der Katastrophe einer Tragödie
Makkaroni zu speisen und dergleichen; die
Menschen haben es darin sehr weit gebracht.

Als ich nun so behaglich da lag, wandelte
mich die Laune zu einem Monologe an, den
ich folgendergestalt hielt:

"Nichts geht doch über das Lachen, und
ich schlage es fast so hoch an, wie andere ge-
bildete Leute das Weinen, obgleich sich eine
Thräne leicht zu Tage fördern läßt, blos

Einſt hatte ich mich eben von meinem La-
ger, einem duftenden blumigten Raſen, auf-
gerichtet, und ſchaute in die Morgenglut, die
wie ein Geiſt aus dem Meere aufſtieg, wobei
ich, um das Nuͤtzliche mit dem Angenehmen
zu verbinden, eine aufgegrabene Wurzel an-
biß. Es gehoͤrt zur menſchlichen Groͤße in der
Naͤhe erhabener Gegenſtaͤnde, Nebengeſchaͤfte
zu betreiben, z.B. der aufgehenden Sonne,
mit der Pfeife im Munde ins Antlitz zu ſchauen,
oder waͤhrend der Kataſtrophe einer Tragoͤdie
Makkaroni zu ſpeiſen und dergleichen; die
Menſchen haben es darin ſehr weit gebracht.

Als ich nun ſo behaglich da lag, wandelte
mich die Laune zu einem Monologe an, den
ich folgendergeſtalt hielt:

„Nichts geht doch uͤber das Lachen, und
ich ſchlage es faſt ſo hoch an, wie andere ge-
bildete Leute das Weinen, obgleich ſich eine
Thraͤne leicht zu Tage foͤrdern laͤßt, blos

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0260" n="258"/>
        <p>Ein&#x017F;t hatte ich mich eben von meinem La-<lb/>
ger, einem duftenden blumigten Ra&#x017F;en, auf-<lb/>
gerichtet, und &#x017F;chaute in die Morgenglut, die<lb/>
wie ein Gei&#x017F;t aus dem Meere auf&#x017F;tieg, wobei<lb/>
ich, um das Nu&#x0364;tzliche mit dem Angenehmen<lb/>
zu verbinden, eine aufgegrabene Wurzel an-<lb/>
biß. Es geho&#x0364;rt zur men&#x017F;chlichen Gro&#x0364;ße in der<lb/>
Na&#x0364;he erhabener Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, Nebenge&#x017F;cha&#x0364;fte<lb/>
zu betreiben, z.B. der aufgehenden Sonne,<lb/>
mit der Pfeife im Munde ins Antlitz zu &#x017F;chauen,<lb/>
oder wa&#x0364;hrend der Kata&#x017F;trophe einer Trago&#x0364;die<lb/>
Makkaroni zu &#x017F;pei&#x017F;en und dergleichen; die<lb/>
Men&#x017F;chen haben es darin &#x017F;ehr weit gebracht.</p><lb/>
        <p>Als ich nun &#x017F;o behaglich da lag, wandelte<lb/>
mich die Laune zu einem Monologe an, den<lb/>
ich folgenderge&#x017F;talt hielt:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nichts geht doch u&#x0364;ber das Lachen, und<lb/>
ich &#x017F;chlage es fa&#x017F;t &#x017F;o hoch an, wie andere ge-<lb/>
bildete Leute das Weinen, obgleich &#x017F;ich eine<lb/>
Thra&#x0364;ne leicht zu Tage fo&#x0364;rdern la&#x0364;ßt, blos<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0260] Einſt hatte ich mich eben von meinem La- ger, einem duftenden blumigten Raſen, auf- gerichtet, und ſchaute in die Morgenglut, die wie ein Geiſt aus dem Meere aufſtieg, wobei ich, um das Nuͤtzliche mit dem Angenehmen zu verbinden, eine aufgegrabene Wurzel an- biß. Es gehoͤrt zur menſchlichen Groͤße in der Naͤhe erhabener Gegenſtaͤnde, Nebengeſchaͤfte zu betreiben, z.B. der aufgehenden Sonne, mit der Pfeife im Munde ins Antlitz zu ſchauen, oder waͤhrend der Kataſtrophe einer Tragoͤdie Makkaroni zu ſpeiſen und dergleichen; die Menſchen haben es darin ſehr weit gebracht. Als ich nun ſo behaglich da lag, wandelte mich die Laune zu einem Monologe an, den ich folgendergeſtalt hielt: „Nichts geht doch uͤber das Lachen, und ich ſchlage es faſt ſo hoch an, wie andere ge- bildete Leute das Weinen, obgleich ſich eine Thraͤne leicht zu Tage foͤrdern laͤßt, blos

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/260
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/260>, abgerufen am 21.11.2024.